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Wackenroder, Wilhelm Heinrich; Tieck, Ludwig: Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders. Berlin, 1797.

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über uns schwebt, ziehen Worte nicht in
unser Gemüth herab.

Die irdischen Dinge haben wir in unsrer
Hand, wenn wir ihre Namen aussprechen; --
aber wenn wir die Allgüte Gottes, oder
die Tugend der Heiligen nennen hören, wel¬
ches doch Gegenstände sind, die unser ganzes
Wesen ergreifen sollten, so wird allein unser
Ohr mit leeren Schallen gefüllt, und unser
Geist nicht, wie es sollte, erhoben.

Ich kenne aber zwey wunderbare
Sprachen
, durch welche der Schöpfer den
Menschen vergönnt hat, die himmlischen
Dinge in ganzer Macht, so viel es nämlich,
(um nicht verwegen zu sprechen,) sterblichen
Geschöpfen möglich ist, zu fassen und zu
begreifen. Sie kommen durch ganz andere
Wege zu unserm Inneren, als durch die
Hülfe der Worte; sie bewegen auf ein¬
mal
, auf eine wunderbare Weise, unser

über uns ſchwebt, ziehen Worte nicht in
unſer Gemüth herab.

Die irdiſchen Dinge haben wir in unſrer
Hand, wenn wir ihre Namen ausſprechen; —
aber wenn wir die Allgüte Gottes, oder
die Tugend der Heiligen nennen hören, wel¬
ches doch Gegenſtände ſind, die unſer ganzes
Weſen ergreifen ſollten, ſo wird allein unſer
Ohr mit leeren Schallen gefüllt, und unſer
Geiſt nicht, wie es ſollte, erhoben.

Ich kenne aber zwey wunderbare
Sprachen
, durch welche der Schöpfer den
Menſchen vergönnt hat, die himmliſchen
Dinge in ganzer Macht, ſo viel es nämlich,
(um nicht verwegen zu ſprechen,) ſterblichen
Geſchöpfen möglich iſt, zu faſſen und zu
begreifen. Sie kommen durch ganz andere
Wege zu unſerm Inneren, als durch die
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[132/0140] über uns ſchwebt, ziehen Worte nicht in unſer Gemüth herab. Die irdiſchen Dinge haben wir in unſrer Hand, wenn wir ihre Namen ausſprechen; — aber wenn wir die Allgüte Gottes, oder die Tugend der Heiligen nennen hören, wel¬ ches doch Gegenſtände ſind, die unſer ganzes Weſen ergreifen ſollten, ſo wird allein unſer Ohr mit leeren Schallen gefüllt, und unſer Geiſt nicht, wie es ſollte, erhoben. Ich kenne aber zwey wunderbare Sprachen, durch welche der Schöpfer den Menſchen vergönnt hat, die himmliſchen Dinge in ganzer Macht, ſo viel es nämlich, (um nicht verwegen zu ſprechen,) ſterblichen Geſchöpfen möglich iſt, zu faſſen und zu begreifen. Sie kommen durch ganz andere Wege zu unſerm Inneren, als durch die Hülfe der Worte; ſie bewegen auf ein¬ mal, auf eine wunderbare Weiſe, unſer

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Zitationshilfe: Wackenroder, Wilhelm Heinrich; Tieck, Ludwig: Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders. Berlin, 1797, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wackenroder_herzensergiessungen_1797/140>, abgerufen am 27.04.2024.