Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wagner, Heinrich Leopold: Die Kindermörderinn. Leipzig, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite


Humbrecht. Gröningseck! so hieß ja der Bayer-
officier, der bey uns logirt hat!
Magister. Eben der! der Evchen auf den
Ball --
Fr. Humbrecht (reißt dem Magister den Brief
aus der Hand)
Ja, der hieß so! -- wie aber der
heißt, der der den imfamen Pasquill hier geschmiert
hat, das weiß ich nicht: (reißt ihn, weil sie spricht
in tausend Stücken, und tritt mit Füßen darauf.)

-- wenn ichs wüßte, so krazt ich ihm die Augen
aus.
Humbrecht. Frau! weißt du was? ruf das
Mädel einmal her; -- jetzt ärgerts mich, daß wir
ihr den Wisch nicht selbst können zu lesen geben --
(will die Stücken aufraffen.) Du bist verflucht fix,
Frau!
Fr. Humbrecht. Zu lesen! wofür? daß sie
ihren Tod dran hohlt, sonst wüßt ich nicht war-
um? ists nicht 'ne Schand und Spott, daß so ein
alter Esel, wie du bist, auf so Kindergeschwätz
gehn kann? -- Ja! wenn ich nicht beständig um
sie gewesen wär! -- aber so!
Humbrecht (gebietrisch.) Gehst du, sag ich,
oder ich geh. (Frau Humbrecht bohrt dem Magister ei-
nen Esel, und geht ab.)
-- Vetter! -- (ihn an der
Schulter packend.)
unter uns! -- vor meiner Frau
wollt ich michs so nicht merken lassen -- aber --
wenns wahr ist, wie er mirs da vorgelesen hat,
so kommt mir das Mensch nicht mehr ganz zur
Stub
F 4


Humbrecht. Groͤningseck! ſo hieß ja der Bayer-
officier, der bey uns logirt hat!
Magiſter. Eben der! der Evchen auf den
Ball —
Fr. Humbrecht (reißt dem Magiſter den Brief
aus der Hand)
Ja, der hieß ſo! — wie aber der
heißt, der der den imfamen Pasquill hier geſchmiert
hat, das weiß ich nicht: (reißt ihn, weil ſie ſpricht
in tauſend Stuͤcken, und tritt mit Fuͤßen darauf.)

— wenn ichs wuͤßte, ſo krazt ich ihm die Augen
aus.
Humbrecht. Frau! weißt du was? ruf das
Maͤdel einmal her; — jetzt aͤrgerts mich, daß wir
ihr den Wiſch nicht ſelbſt koͤnnen zu leſen geben —
(will die Stuͤcken aufraffen.) Du biſt verflucht fix,
Frau!
Fr. Humbrecht. Zu leſen! wofuͤr? daß ſie
ihren Tod dran hohlt, ſonſt wuͤßt ich nicht war-
um? iſts nicht ’ne Schand und Spott, daß ſo ein
alter Eſel, wie du biſt, auf ſo Kindergeſchwaͤtz
gehn kann? — Ja! wenn ich nicht beſtaͤndig um
ſie geweſen waͤr! — aber ſo!
Humbrecht (gebietriſch.) Gehſt du, ſag ich,
oder ich geh. (Frau Humbrecht bohrt dem Magiſter ei-
nen Eſel, und geht ab.)
— Vetter! — (ihn an der
Schulter packend.)
unter uns! — vor meiner Frau
wollt ich michs ſo nicht merken laſſen — aber —
wenns wahr iſt, wie er mirs da vorgeleſen hat,
ſo kommt mir das Menſch nicht mehr ganz zur
Stub
F 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0089" n="87"/>
        <fw place="top" type="header">
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </fw>
        <sp who="#HUM">
          <speaker> <hi rendition="#b">Humbrecht.</hi> </speaker>
          <p>Gro&#x0364;ningseck! &#x017F;o hieß ja der Bayer-<lb/>
officier, der bey uns logirt hat!</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#MHUM">
          <speaker> <hi rendition="#b">Magi&#x017F;ter.</hi> </speaker>
          <p>Eben der! der Evchen auf den<lb/>
Ball &#x2014;</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#FHUM">
          <speaker> <hi rendition="#b">Fr. Humbrecht</hi> </speaker>
          <stage>(reißt dem Magi&#x017F;ter den Brief<lb/>
aus der Hand)</stage>
          <p>Ja, der hieß &#x017F;o! &#x2014; wie aber <hi rendition="#fr">der</hi><lb/>
heißt, der der den imfamen Pasquill hier ge&#x017F;chmiert<lb/>
hat, das weiß ich nicht: <stage>(reißt ihn, weil &#x017F;ie &#x017F;pricht<lb/>
in tau&#x017F;end Stu&#x0364;cken, und tritt mit Fu&#x0364;ßen darauf.)</stage><lb/>
&#x2014; wenn ichs wu&#x0364;ßte, &#x017F;o krazt ich ihm die Augen<lb/>
aus.</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#HUM">
          <speaker> <hi rendition="#b">Humbrecht.</hi> </speaker>
          <p>Frau! weißt du was? ruf das<lb/>
Ma&#x0364;del einmal her; &#x2014; jetzt a&#x0364;rgerts mich, daß wir<lb/>
ihr den Wi&#x017F;ch nicht &#x017F;elb&#x017F;t ko&#x0364;nnen zu le&#x017F;en geben &#x2014;<lb/><stage>(will die Stu&#x0364;cken aufraffen.)</stage> Du bi&#x017F;t verflucht fix,<lb/>
Frau!</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#FHUM">
          <speaker> <hi rendition="#b">Fr. Humbrecht.</hi> </speaker>
          <p>Zu le&#x017F;en! wofu&#x0364;r? daß &#x017F;ie<lb/>
ihren Tod dran hohlt, &#x017F;on&#x017F;t wu&#x0364;ßt ich nicht war-<lb/>
um? i&#x017F;ts nicht &#x2019;ne Schand und Spott, daß &#x017F;o ein<lb/>
alter E&#x017F;el, wie du bi&#x017F;t, auf &#x017F;o Kinderge&#x017F;chwa&#x0364;tz<lb/>
gehn kann? &#x2014; Ja! wenn ich nicht be&#x017F;ta&#x0364;ndig um<lb/>
&#x017F;ie gewe&#x017F;en wa&#x0364;r! &#x2014; aber &#x017F;o!</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#HUM">
          <speaker> <hi rendition="#b">Humbrecht</hi> </speaker>
          <stage>(gebietri&#x017F;ch.)</stage>
          <p>Geh&#x017F;t du, &#x017F;ag ich,<lb/>
oder <hi rendition="#fr">ich</hi> geh. <stage>(Frau Humbrecht bohrt dem Magi&#x017F;ter ei-<lb/>
nen E&#x017F;el, und geht ab.)</stage> &#x2014; Vetter! &#x2014; <stage>(ihn an der<lb/>
Schulter packend.)</stage> unter uns! &#x2014; vor meiner Frau<lb/>
wollt ich michs &#x017F;o nicht merken la&#x017F;&#x017F;en &#x2014; aber &#x2014;<lb/>
wenns wahr i&#x017F;t, wie er mirs da vorgele&#x017F;en hat,<lb/>
&#x017F;o kommt mir das Men&#x017F;ch nicht mehr ganz zur<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">F 4</fw><fw place="bottom" type="catch">Stub</fw><lb/></p>
        </sp>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[87/0089] Humbrecht. Groͤningseck! ſo hieß ja der Bayer- officier, der bey uns logirt hat! Magiſter. Eben der! der Evchen auf den Ball — Fr. Humbrecht (reißt dem Magiſter den Brief aus der Hand) Ja, der hieß ſo! — wie aber der heißt, der der den imfamen Pasquill hier geſchmiert hat, das weiß ich nicht: (reißt ihn, weil ſie ſpricht in tauſend Stuͤcken, und tritt mit Fuͤßen darauf.) — wenn ichs wuͤßte, ſo krazt ich ihm die Augen aus. Humbrecht. Frau! weißt du was? ruf das Maͤdel einmal her; — jetzt aͤrgerts mich, daß wir ihr den Wiſch nicht ſelbſt koͤnnen zu leſen geben — (will die Stuͤcken aufraffen.) Du biſt verflucht fix, Frau! Fr. Humbrecht. Zu leſen! wofuͤr? daß ſie ihren Tod dran hohlt, ſonſt wuͤßt ich nicht war- um? iſts nicht ’ne Schand und Spott, daß ſo ein alter Eſel, wie du biſt, auf ſo Kindergeſchwaͤtz gehn kann? — Ja! wenn ich nicht beſtaͤndig um ſie geweſen waͤr! — aber ſo! Humbrecht (gebietriſch.) Gehſt du, ſag ich, oder ich geh. (Frau Humbrecht bohrt dem Magiſter ei- nen Eſel, und geht ab.) — Vetter! — (ihn an der Schulter packend.) unter uns! — vor meiner Frau wollt ich michs ſo nicht merken laſſen — aber — wenns wahr iſt, wie er mirs da vorgeleſen hat, ſo kommt mir das Menſch nicht mehr ganz zur Stub F 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wagner_kindermoerderin_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wagner_kindermoerderin_1776/89
Zitationshilfe: Wagner, Heinrich Leopold: Die Kindermörderinn. Leipzig, 1776, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wagner_kindermoerderin_1776/89>, abgerufen am 28.04.2024.