Seele unsrer abstrakten Wissenschaft, welche einem unsinn¬ lichen Gotte, als dem Ausflusse alles geistigen Luxus, den Menschen zur Verzehrung vorwirft; er ist -- ach! -- die Seele, die Bedingung unsrer -- Kunst! --
Wer wird nun die Erlösung aus diesem unseligsten Zustande vollbringen? --
Die Noth, -- welche der Welt das wahre Be¬ dürfniß empfinden lassen wird, das Bedürfniß, welches seiner Natur nach wirklich aber auch zu befrie¬ digen ist.
Die Noth wird die Hölle des Luxus endigen, sie wird die zermarterten, bedürfnißlosen Geister, die diese Hölle in sich schließt, das einfache, schlichte Bedürfniß des rein menschlich sinnlichen Hungers und Durstes lehren; gemeinschaftlich aber wird sie uns auch hinweisen zu dem nährenden Brote, zu dem klaren süßen Wasser der Natur; gemeinsam werden wir wirklich genießen, gemeinsam wahre Menschen sein. Gemeinsam werden wir aber auch den Bund der heiligen Nothwendigkeit schließen, und der Bru¬ derkuß, der diesen Bund besiegelt, wird das gemeinsame Kunstwerk der Zukunft sein. In ihm wird auch unser großer Wohlthäter und Erlöser, der Vertreter der Nothwendigkeit in Fleisch und Blut, -- das Volk, kein Unterschiedenes, Besonderes mehr sein; denn im Kunst¬ werk werden wir Eins sein, -- Träger und Weiser der
Seele unſrer abſtrakten Wiſſenſchaft, welche einem unſinn¬ lichen Gotte, als dem Ausfluſſe alles geiſtigen Luxus, den Menſchen zur Verzehrung vorwirft; er iſt — ach! — die Seele, die Bedingung unſrer — Kunſt! —
Wer wird nun die Erlöſung aus dieſem unſeligſten Zuſtande vollbringen? —
Die Noth, — welche der Welt das wahre Be¬ dürfniß empfinden laſſen wird, das Bedürfniß, welches ſeiner Natur nach wirklich aber auch zu befrie¬ digen iſt.
Die Noth wird die Hölle des Luxus endigen, ſie wird die zermarterten, bedürfnißloſen Geiſter, die dieſe Hölle in ſich ſchließt, das einfache, ſchlichte Bedürfniß des rein menſchlich ſinnlichen Hungers und Durſtes lehren; gemeinſchaftlich aber wird ſie uns auch hinweiſen zu dem nährenden Brote, zu dem klaren ſüßen Waſſer der Natur; gemeinſam werden wir wirklich genießen, gemeinſam wahre Menſchen ſein. Gemeinſam werden wir aber auch den Bund der heiligen Nothwendigkeit ſchließen, und der Bru¬ derkuß, der dieſen Bund beſiegelt, wird das gemeinſame Kunſtwerk der Zukunft ſein. In ihm wird auch unſer großer Wohlthäter und Erlöſer, der Vertreter der Nothwendigkeit in Fleiſch und Blut, — das Volk, kein Unterſchiedenes, Beſonderes mehr ſein; denn im Kunſt¬ werk werden wir Eins ſein, — Träger und Weiſer der
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Seele unſrer abſtrakten Wiſſenſchaft, welche einem unſinn¬
lichen Gotte, als dem Ausfluſſe alles geiſtigen Luxus, den
Menſchen zur Verzehrung vorwirft; er iſt — ach! — die
Seele, die Bedingung unſrer — Kunſt! —
Wer wird nun die Erlöſung aus dieſem unſeligſten
Zuſtande vollbringen? —
Die Noth, — welche der Welt das wahre Be¬
dürfniß empfinden laſſen wird, das Bedürfniß, welches
ſeiner Natur nach wirklich aber auch zu befrie¬
digen iſt.
Die Noth wird die Hölle des Luxus endigen, ſie
wird die zermarterten, bedürfnißloſen Geiſter, die dieſe
Hölle in ſich ſchließt, das einfache, ſchlichte Bedürfniß des
rein menſchlich ſinnlichen Hungers und Durſtes lehren;
gemeinſchaftlich aber wird ſie uns auch hinweiſen zu dem
nährenden Brote, zu dem klaren ſüßen Waſſer der Natur;
gemeinſam werden wir wirklich genießen, gemeinſam wahre
Menſchen ſein. Gemeinſam werden wir aber auch den
Bund der heiligen Nothwendigkeit ſchließen, und der Bru¬
derkuß, der dieſen Bund beſiegelt, wird das gemeinſame
Kunſtwerk der Zukunft ſein. In ihm wird auch
unſer großer Wohlthäter und Erlöſer, der Vertreter der
Nothwendigkeit in Fleiſch und Blut, — das Volk, kein
Unterſchiedenes, Beſonderes mehr ſein; denn im Kunſt¬
werk werden wir Eins ſein, — Träger und Weiſer der
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Wagner, Richard: Das Kunstwerk der Zukunft. Leipzig, 1850, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wagner_zukunft_1850/30>, abgerufen am 27.07.2024.
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