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Waiblinger, Wilhelm: Phaëthon. Bd. 2. Stuttgart, 1823.

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Wir wandelten zurück. Mein Auge wandte
sich nicht vom Himmel: ich träumte, wir wandeln
so, Arm in Arm, von Stern zu Stern, durch die
weite unermeßliche Schöpfung Gottes.

Nun standen wir vor dem Hause. Da fühlt'
ich ganz .... ganz den Schmerz der Trennung.
Sie schwieg. Aber ich wußte doch, wie's in ihrem
Herzen schwoll.

Wie wir uns trennten, Theodor, ich weiß es
nicht. Nur das weiß ich, daß wir uns noch ein-
mal am Busen lagen. O Lieber! wie sie weinte!
wie sie weinte!

Kaum war ich wieder auf meinem Zimmer,
so traten Caton und Cäcilie herein. Der Vater
meiner Atalanta drückte mich warm aber gefaßt
an seine Brust, zog mich ans Fenster, und sagte-
voll wunderbarer Jnnigkeit:

Freund! schone sie! solch' ein überschwäng-
liches Gefühl, wie das ihre zu dir, begreift in sei-
ner Unaussprechlichkeit nicht ein Mensch auf Erden.
Es ist nicht Liebe, was sie fühlt ... wenn sie mit
Geist, Seele, Gemüth in dich verschwimmt ...
nenn's wie du willst. Du findest keinen Namen.

Wir wandelten zuruͤck. Mein Auge wandte
ſich nicht vom Himmel: ich traͤumte, wir wandeln
ſo, Arm in Arm, von Stern zu Stern, durch die
weite unermeßliche Schoͤpfung Gottes.

Nun ſtanden wir vor dem Hauſe. Da fuͤhlt’
ich ganz .... ganz den Schmerz der Trennung.
Sie ſchwieg. Aber ich wußte doch, wie’s in ihrem
Herzen ſchwoll.

Wie wir uns trennten, Theodor, ich weiß es
nicht. Nur das weiß ich, daß wir uns noch ein-
mal am Buſen lagen. O Lieber! wie ſie weinte!
wie ſie weinte!

Kaum war ich wieder auf meinem Zimmer,
ſo traten Caton und Caͤcilie herein. Der Vater
meiner Atalanta druͤckte mich warm aber gefaßt
an ſeine Bruſt, zog mich ans Fenſter, und ſagte-
voll wunderbarer Jnnigkeit:

Freund! ſchone ſie! ſolch’ ein uͤberſchwaͤng-
liches Gefuͤhl, wie das ihre zu dir, begreift in ſei-
ner Unausſprechlichkeit nicht ein Menſch auf Erden.
Es iſt nicht Liebe, was ſie fuͤhlt … wenn ſie mit
Geiſt, Seele, Gemuͤth in dich verſchwimmt …
nenn’s wie du willſt. Du findeſt keinen Namen.

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[76/0076] Wir wandelten zuruͤck. Mein Auge wandte ſich nicht vom Himmel: ich traͤumte, wir wandeln ſo, Arm in Arm, von Stern zu Stern, durch die weite unermeßliche Schoͤpfung Gottes. Nun ſtanden wir vor dem Hauſe. Da fuͤhlt’ ich ganz .... ganz den Schmerz der Trennung. Sie ſchwieg. Aber ich wußte doch, wie’s in ihrem Herzen ſchwoll. Wie wir uns trennten, Theodor, ich weiß es nicht. Nur das weiß ich, daß wir uns noch ein- mal am Buſen lagen. O Lieber! wie ſie weinte! wie ſie weinte! Kaum war ich wieder auf meinem Zimmer, ſo traten Caton und Caͤcilie herein. Der Vater meiner Atalanta druͤckte mich warm aber gefaßt an ſeine Bruſt, zog mich ans Fenſter, und ſagte- voll wunderbarer Jnnigkeit: Freund! ſchone ſie! ſolch’ ein uͤberſchwaͤng- liches Gefuͤhl, wie das ihre zu dir, begreift in ſei- ner Unausſprechlichkeit nicht ein Menſch auf Erden. Es iſt nicht Liebe, was ſie fuͤhlt … wenn ſie mit Geiſt, Seele, Gemuͤth in dich verſchwimmt … nenn’s wie du willſt. Du findeſt keinen Namen.

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Zitationshilfe: Waiblinger, Wilhelm: Phaëthon. Bd. 2. Stuttgart, 1823, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/waiblinger_phaeton02_1823/76>, abgerufen am 26.04.2024.