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Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 1. Gera, 1800.

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noch im Gasthof vegetirte, ja als der Wirth des-
selben bekannt war.

Aber irren ist menschlich und hier war es leicht,
in diesen Jrrthum zu verfallen, weil er da, wo ich
mit der Geschichte bin, wenig anders aus seinem
Stübchen kam, als wenn es in die Tabagie gieng,
oder nachher wenn er jemand im Hause besuchte,
(welchen meine Leser, nach dem was ich noch vor-
her zu sagen habe, kennen lernen werden). Schni-
tzer liebte, wie wir wissen, Ruh und Frieden;
diesen zu erhalten, ließ er alles gehn, wie es woll-
te, und verstopfte die Ohren seines moralischen
Gefühls vor dem, was ihm in seinem Hause dem-
selben zuwider schien, ja er that und bewilligte
alles, was sein Suschen wollte, und weil er sich
so vernünftig und folgsam verhielt, that ihm diese
nicht sonderlich viel zu Leide. Wenn sie ihm auch
einmal vrrwarf, daß er die ganze Zeit müßig gieng,
so war das nur so eine Anmerkung im Vorbeigehn,
die sie auch immer bald wieder bereute, denn wenn
er sich beschämt fühlte und sich, um nicht müßig zu
gehn, um etwas bekümmern wollte, so sagte Sus-
chen: "Bleib immer ruhig, guter Jacob, Du hast bei
Deiner ersten Frau gefaulenzt, wo Du noch jung
warst und sie alt war, so wirst Du wohl jetzt da Du
alt wirst und eine junge Frau hast, nicht anfangen
wollen
noch im Gaſthof vegetirte, ja als der Wirth deſ-
ſelben bekannt war.

Aber irren iſt menſchlich und hier war es leicht,
in dieſen Jrrthum zu verfallen, weil er da, wo ich
mit der Geſchichte bin, wenig anders aus ſeinem
Stuͤbchen kam, als wenn es in die Tabagie gieng,
oder nachher wenn er jemand im Hauſe beſuchte,
(welchen meine Leſer, nach dem was ich noch vor-
her zu ſagen habe, kennen lernen werden). Schni-
tzer liebte, wie wir wiſſen, Ruh und Frieden;
dieſen zu erhalten, ließ er alles gehn, wie es woll-
te, und verſtopfte die Ohren ſeines moraliſchen
Gefuͤhls vor dem, was ihm in ſeinem Hauſe dem-
ſelben zuwider ſchien, ja er that und bewilligte
alles, was ſein Suschen wollte, und weil er ſich
ſo vernuͤnftig und folgſam verhielt, that ihm dieſe
nicht ſonderlich viel zu Leide. Wenn ſie ihm auch
einmal vrrwarf, daß er die ganze Zeit muͤßig gieng,
ſo war das nur ſo eine Anmerkung im Vorbeigehn,
die ſie auch immer bald wieder bereute, denn wenn
er ſich beſchaͤmt fuͤhlte und ſich, um nicht muͤßig zu
gehn, um etwas bekuͤmmern wollte, ſo ſagte Sus-
chen: „Bleib immer ruhig, guter Jacob, Du haſt bei
Deiner erſten Frau gefaulenzt, wo Du noch jung
warſt und ſie alt war, ſo wirſt Du wohl jetzt da Du
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wollen
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[204/0210] noch im Gaſthof vegetirte, ja als der Wirth deſ- ſelben bekannt war. Aber irren iſt menſchlich und hier war es leicht, in dieſen Jrrthum zu verfallen, weil er da, wo ich mit der Geſchichte bin, wenig anders aus ſeinem Stuͤbchen kam, als wenn es in die Tabagie gieng, oder nachher wenn er jemand im Hauſe beſuchte, (welchen meine Leſer, nach dem was ich noch vor- her zu ſagen habe, kennen lernen werden). Schni- tzer liebte, wie wir wiſſen, Ruh und Frieden; dieſen zu erhalten, ließ er alles gehn, wie es woll- te, und verſtopfte die Ohren ſeines moraliſchen Gefuͤhls vor dem, was ihm in ſeinem Hauſe dem- ſelben zuwider ſchien, ja er that und bewilligte alles, was ſein Suschen wollte, und weil er ſich ſo vernuͤnftig und folgſam verhielt, that ihm dieſe nicht ſonderlich viel zu Leide. Wenn ſie ihm auch einmal vrrwarf, daß er die ganze Zeit muͤßig gieng, ſo war das nur ſo eine Anmerkung im Vorbeigehn, die ſie auch immer bald wieder bereute, denn wenn er ſich beſchaͤmt fuͤhlte und ſich, um nicht muͤßig zu gehn, um etwas bekuͤmmern wollte, ſo ſagte Sus- chen: „Bleib immer ruhig, guter Jacob, Du haſt bei Deiner erſten Frau gefaulenzt, wo Du noch jung warſt und ſie alt war, ſo wirſt Du wohl jetzt da Du alt wirſt und eine junge Frau haſt, nicht anfangen wollen

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Zitationshilfe: Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 1. Gera, 1800, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz01_1800/210>, abgerufen am 14.05.2024.