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Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 1. Gera, 1800.

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Schüssel Gemüße sitzt, dieses Entbehren keines Au-
genblicks Kummer werth, hingegen vermeidet er
alles, was nach seinem leisen Gefühl dem ehrlieben-
den Menschen nicht ansteht.

Jch hingegen habe, so wie meine Mutter, da-
für gehalten, die Ehre erfordere, vornehm zu thun,
sich Titel zu geben, wenn man auch keine hat, Staat
zu führen, herrlich zu leben, zu prahlen, vorlaut zu
sein, nach Zeit und Gelegenheit immer was dem
allen förderlich sein kann, zu thun und zu ergrei-
fen, sich überall durchzubeißen, nichts auf sich sitzen
zu lassen und sich überhaupt um das, was die mo-
ralische Welt Grundsätze und Menschenwürde nennt,
nicht zu bekümmern, sondern sein werthes Jch und
seine Behaglichkeit zu dem Zweck alles Dichtens und
Trachtens zu machen, und wo es was zu genießen
oder zu gewinnen giebt, nicht delikat über das Wie
zu thun. -- Jch wünschte, daß meine Leser so höf-
lich wären, diese Sorte von Ehr- und Wohlle-
bensbegierde schön zu finden. --

Wie wenig nach dieser Verschiedenheit der
Denkungsart meine liebe Mutter und Felß harmo-
niren konnten, ist leicht zu erachten. Es war höchst
nöthig, daß Johann Jacob für ihn zahlte, welches
er sogleich nach der Unterredung mit seinem Gast
that und zwar war er so fein, ihr das Geld für
den
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Schuͤſſel Gemuͤße ſitzt, dieſes Entbehren keines Au-
genblicks Kummer werth, hingegen vermeidet er
alles, was nach ſeinem leiſen Gefuͤhl dem ehrlieben-
den Menſchen nicht anſteht.

Jch hingegen habe, ſo wie meine Mutter, da-
fuͤr gehalten, die Ehre erfordere, vornehm zu thun,
ſich Titel zu geben, wenn man auch keine hat, Staat
zu fuͤhren, herrlich zu leben, zu prahlen, vorlaut zu
ſein, nach Zeit und Gelegenheit immer was dem
allen foͤrderlich ſein kann, zu thun und zu ergrei-
fen, ſich uͤberall durchzubeißen, nichts auf ſich ſitzen
zu laſſen und ſich uͤberhaupt um das, was die mo-
raliſche Welt Grundſaͤtze und Menſchenwuͤrde nennt,
nicht zu bekuͤmmern, ſondern ſein werthes Jch und
ſeine Behaglichkeit zu dem Zweck alles Dichtens und
Trachtens zu machen, und wo es was zu genießen
oder zu gewinnen giebt, nicht delikat uͤber das Wie
zu thun. — Jch wuͤnſchte, daß meine Leſer ſo hoͤf-
lich waͤren, dieſe Sorte von Ehr- und Wohlle-
bensbegierde ſchoͤn zu finden. —

Wie wenig nach dieſer Verſchiedenheit der
Denkungsart meine liebe Mutter und Felß harmo-
niren konnten, iſt leicht zu erachten. Es war hoͤchſt
noͤthig, daß Johann Jacob fuͤr ihn zahlte, welches
er ſogleich nach der Unterredung mit ſeinem Gaſt
that und zwar war er ſo fein, ihr das Geld fuͤr
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[225/0231] Schuͤſſel Gemuͤße ſitzt, dieſes Entbehren keines Au- genblicks Kummer werth, hingegen vermeidet er alles, was nach ſeinem leiſen Gefuͤhl dem ehrlieben- den Menſchen nicht anſteht. Jch hingegen habe, ſo wie meine Mutter, da- fuͤr gehalten, die Ehre erfordere, vornehm zu thun, ſich Titel zu geben, wenn man auch keine hat, Staat zu fuͤhren, herrlich zu leben, zu prahlen, vorlaut zu ſein, nach Zeit und Gelegenheit immer was dem allen foͤrderlich ſein kann, zu thun und zu ergrei- fen, ſich uͤberall durchzubeißen, nichts auf ſich ſitzen zu laſſen und ſich uͤberhaupt um das, was die mo- raliſche Welt Grundſaͤtze und Menſchenwuͤrde nennt, nicht zu bekuͤmmern, ſondern ſein werthes Jch und ſeine Behaglichkeit zu dem Zweck alles Dichtens und Trachtens zu machen, und wo es was zu genießen oder zu gewinnen giebt, nicht delikat uͤber das Wie zu thun. — Jch wuͤnſchte, daß meine Leſer ſo hoͤf- lich waͤren, dieſe Sorte von Ehr- und Wohlle- bensbegierde ſchoͤn zu finden. — Wie wenig nach dieſer Verſchiedenheit der Denkungsart meine liebe Mutter und Felß harmo- niren konnten, iſt leicht zu erachten. Es war hoͤchſt noͤthig, daß Johann Jacob fuͤr ihn zahlte, welches er ſogleich nach der Unterredung mit ſeinem Gaſt that und zwar war er ſo fein, ihr das Geld fuͤr den P

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Zitationshilfe: Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 1. Gera, 1800, S. 225. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz01_1800/231>, abgerufen am 15.05.2024.