Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 1. Gera, 1800.

Bild:
<< vorherige Seite

Der erste sagte: ein Mann, der mit dieser alten
Frau so gut lebt, wird gewiß eine junge wenigstens
eben so gut halten. Der zweite faßte die Ueber-
zeugung in sich, daß der Weg zu Herrn Schnitzers
Herzen nur in der Aufmerksamkeit zu finden sei,
welche sie seiner theuren Gattinn bewies. Es war
sehr wahrscheinlich, daß die wackere Frau noch
kaum zween oder drei Winter überleben würde. Un-
terdessen konnte auch Herr Schnitzer noch nicht ver-
alten; dieser Herr Schnitzer war selbst kein unebe-
ner Mann, und mußte, als einziger Erbe seiner
itzigen Frau, eine trefliche Partie für eine zweite
Frau werden.

Dieses alles wohl überlegt, wurde die Freund-
lichkeit, womit Suschen schon gegen einen der
Marqueurs begonnen hatte, sehr herabgespannt,
und dagegen ein Ernst angenommen über den sich
alle Mannsleute, die im Hause waren, und die
ins Haus kamen, nicht wenig wunderten.

Sie hielten es anfangs für bloße Verstellung;
allein Suschen bewies bald, daß es Ernst war.
Sie hatte sich einmal in ihrem Herzen vorgenom-
men, mit der Zeit Madame Schnitzerinn werden,
und beschloß also, auszuharren, blieb auch diesem
Vorsatze ziemlich immer treu, außer daß sie, wenn
es in Ansehung vornehmer Herren, die zuweilen da

ein-
C 4

Der erſte ſagte: ein Mann, der mit dieſer alten
Frau ſo gut lebt, wird gewiß eine junge wenigſtens
eben ſo gut halten. Der zweite faßte die Ueber-
zeugung in ſich, daß der Weg zu Herrn Schnitzers
Herzen nur in der Aufmerkſamkeit zu finden ſei,
welche ſie ſeiner theuren Gattinn bewies. Es war
ſehr wahrſcheinlich, daß die wackere Frau noch
kaum zween oder drei Winter uͤberleben wuͤrde. Un-
terdeſſen konnte auch Herr Schnitzer noch nicht ver-
alten; dieſer Herr Schnitzer war ſelbſt kein unebe-
ner Mann, und mußte, als einziger Erbe ſeiner
itzigen Frau, eine trefliche Partie fuͤr eine zweite
Frau werden.

Dieſes alles wohl uͤberlegt, wurde die Freund-
lichkeit, womit Suschen ſchon gegen einen der
Marqueurs begonnen hatte, ſehr herabgeſpannt,
und dagegen ein Ernſt angenommen uͤber den ſich
alle Mannsleute, die im Hauſe waren, und die
ins Haus kamen, nicht wenig wunderten.

Sie hielten es anfangs fuͤr bloße Verſtellung;
allein Suschen bewies bald, daß es Ernſt war.
Sie hatte ſich einmal in ihrem Herzen vorgenom-
men, mit der Zeit Madame Schnitzerinn werden,
und beſchloß alſo, auszuharren, blieb auch dieſem
Vorſatze ziemlich immer treu, außer daß ſie, wenn
es in Anſehung vornehmer Herren, die zuweilen da

ein-
C 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0045" n="39"/>
Der er&#x017F;te &#x017F;agte: ein Mann, der mit die&#x017F;er alten<lb/>
Frau &#x017F;o gut lebt, wird gewiß eine junge wenig&#x017F;tens<lb/>
eben &#x017F;o gut halten. Der zweite faßte die Ueber-<lb/>
zeugung in &#x017F;ich, daß der Weg zu Herrn Schnitzers<lb/>
Herzen nur in der Aufmerk&#x017F;amkeit zu finden &#x017F;ei,<lb/>
welche &#x017F;ie &#x017F;einer theuren Gattinn bewies. Es war<lb/>
&#x017F;ehr wahr&#x017F;cheinlich, daß die wackere Frau noch<lb/>
kaum zween oder drei Winter u&#x0364;berleben wu&#x0364;rde. Un-<lb/>
terde&#x017F;&#x017F;en konnte auch Herr Schnitzer noch nicht ver-<lb/>
alten; die&#x017F;er Herr Schnitzer war &#x017F;elb&#x017F;t kein unebe-<lb/>
ner Mann, und mußte, als einziger Erbe &#x017F;einer<lb/>
itzigen Frau, eine trefliche Partie fu&#x0364;r eine zweite<lb/>
Frau werden.</p><lb/>
        <p>Die&#x017F;es alles wohl u&#x0364;berlegt, wurde die Freund-<lb/>
lichkeit, womit Suschen &#x017F;chon gegen einen der<lb/>
Marqueurs begonnen hatte, &#x017F;ehr herabge&#x017F;pannt,<lb/>
und dagegen ein Ern&#x017F;t angenommen u&#x0364;ber den &#x017F;ich<lb/>
alle Mannsleute, die im Hau&#x017F;e waren, und die<lb/>
ins Haus kamen, nicht wenig wunderten.</p><lb/>
        <p>Sie hielten es anfangs fu&#x0364;r bloße Ver&#x017F;tellung;<lb/>
allein Suschen bewies bald, daß es Ern&#x017F;t war.<lb/>
Sie hatte &#x017F;ich einmal in ihrem Herzen vorgenom-<lb/>
men, mit der Zeit Madame Schnitzerinn werden,<lb/>
und be&#x017F;chloß al&#x017F;o, auszuharren, blieb auch die&#x017F;em<lb/>
Vor&#x017F;atze ziemlich immer treu, außer daß &#x017F;ie, wenn<lb/>
es in An&#x017F;ehung vornehmer Herren, die zuweilen da<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">C 4</fw><fw place="bottom" type="catch">ein-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[39/0045] Der erſte ſagte: ein Mann, der mit dieſer alten Frau ſo gut lebt, wird gewiß eine junge wenigſtens eben ſo gut halten. Der zweite faßte die Ueber- zeugung in ſich, daß der Weg zu Herrn Schnitzers Herzen nur in der Aufmerkſamkeit zu finden ſei, welche ſie ſeiner theuren Gattinn bewies. Es war ſehr wahrſcheinlich, daß die wackere Frau noch kaum zween oder drei Winter uͤberleben wuͤrde. Un- terdeſſen konnte auch Herr Schnitzer noch nicht ver- alten; dieſer Herr Schnitzer war ſelbſt kein unebe- ner Mann, und mußte, als einziger Erbe ſeiner itzigen Frau, eine trefliche Partie fuͤr eine zweite Frau werden. Dieſes alles wohl uͤberlegt, wurde die Freund- lichkeit, womit Suschen ſchon gegen einen der Marqueurs begonnen hatte, ſehr herabgeſpannt, und dagegen ein Ernſt angenommen uͤber den ſich alle Mannsleute, die im Hauſe waren, und die ins Haus kamen, nicht wenig wunderten. Sie hielten es anfangs fuͤr bloße Verſtellung; allein Suschen bewies bald, daß es Ernſt war. Sie hatte ſich einmal in ihrem Herzen vorgenom- men, mit der Zeit Madame Schnitzerinn werden, und beſchloß alſo, auszuharren, blieb auch dieſem Vorſatze ziemlich immer treu, außer daß ſie, wenn es in Anſehung vornehmer Herren, die zuweilen da ein- C 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz01_1800
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz01_1800/45
Zitationshilfe: Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 1. Gera, 1800, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz01_1800/45>, abgerufen am 29.04.2024.