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Wanderley, Germano: Handbuch der Bauconstruktionslehre. 2. Aufl. Bd. 2. Die Constructionen in Stein. Leipzig, 1878.

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Erstes Kapitel. Das Werksteinmauerwerk.
verschiebung noch mehr zu vermindern. Immerhin hat dieses Gerüst,
wie wir uns selbst überzeugten, seinen Zweck hinreichend erfüllt.

Interessanter als das soeben geschilderte Gerüst ist die Rüstung
zum Bau der königlichen Nationalgallerie in Berlin
, die
wir auf der lithographirten Tafel 1 darstellen und der preußischen
"Zeitschrift für Bauwesen" (1873) entnehmen. Die Mauern des er-
wähnten Gebäudes wurden wegen der kolossalen Werkstücke, welche
zur Verwendung gelangten, von beiden Seiten mit einer vollständig
abgebundenen Rüstung versehen; beide Rüstungen waren dann an
geeigneten Stellen durch gemeinschaftliche Zangenhölzer untereinander
verbunden. Das innere Gerüst stand auf dem Kellergewölbe, das
äußere aber auf dem Straßenpflaster, daher letzteres um 5 m tiefer
reichte als jenes. Die ganze Höhe zerfiel in fünf Etagen; die unterste
derselben war mit 5 zm starken Bohlen belegt, um die Werkstücken darauf
lagern zu können. Oben trugen die beiden Gerüste einen, mittelst
Rädern auf Schienen laufenden und mit Armirung verstärkten
"Schlitten" s. Auch diese Balken trugen oben ein Schienensystem,
auf welchem die "Winde" (w) in seitlicher Richtung bewegt wer-
den konnten.

Wegen der Nähe des Flusses, auf welchem die Materialien her-
beikamen, und da der Bau nur durch eine breite, aber wenig belebte
Straße vom Flusse getrennt ist, wurde die Hauptrüstung durch ein
niedriges Gerüst, das oben ebenfalls einen Fahrkrahn trägt, mit der
Ausladestelle in Verbindung gebracht. Die Construktion dieser Rüstung
mußte so eingerichtet werden, daß der Verkehr der Straße möglichst
wenig gehemmt ward. Ueber dem Straßendamme befand sich des-
halb ein solid hergestelltes Hänge- und Sprengewerk zur Unter-
stützung der obersten Etage, welche die Winde w' trug. Zugleich
trat die Rüstung soweit in die Spree, daß die zu entladenden Kähne
bequem unter die Rüstung fahren konnten. Dieser Theil des Ge-
rüstes ruhte daher auf zwei Reihen eingerammter Pfähle, und konnten
die Steine mit Hilfe des Fahrkrahnes (Schlittens) direkt aus dem
Kahne gehoben und bis zur Hauptrüstung transportirt werden, wo-
selbst der Krahn der Hauptrüstung sie in Empfang nahm und bis
zur Stelle der Verwendung brachte.

Ein einfacher Windebaum für Werkstücke etc., wie in nebenstehender
Skizze (Fig. 168) dargestellt, wird in Brüssel fast allgemein benutzt
und entnehmen wir ihn der "Baugewerkszeitung" 1876 Nr. 35. Er

Erſtes Kapitel. Das Werkſteinmauerwerk.
verſchiebung noch mehr zu vermindern. Immerhin hat dieſes Gerüſt,
wie wir uns ſelbſt überzeugten, ſeinen Zweck hinreichend erfüllt.

Intereſſanter als das ſoeben geſchilderte Gerüſt iſt die Rüſtung
zum Bau der königlichen Nationalgallerie in Berlin
, die
wir auf der lithographirten Tafel 1 darſtellen und der preußiſchen
„Zeitſchrift für Bauweſen“ (1873) entnehmen. Die Mauern des er-
wähnten Gebäudes wurden wegen der koloſſalen Werkſtücke, welche
zur Verwendung gelangten, von beiden Seiten mit einer vollſtändig
abgebundenen Rüſtung verſehen; beide Rüſtungen waren dann an
geeigneten Stellen durch gemeinſchaftliche Zangenhölzer untereinander
verbunden. Das innere Gerüſt ſtand auf dem Kellergewölbe, das
äußere aber auf dem Straßenpflaſter, daher letzteres um 5 m tiefer
reichte als jenes. Die ganze Höhe zerfiel in fünf Etagen; die unterſte
derſelben war mit 5 zm ſtarken Bohlen belegt, um die Werkſtücken darauf
lagern zu können. Oben trugen die beiden Gerüſte einen, mittelſt
Rädern auf Schienen laufenden und mit Armirung verſtärkten
„Schlitten“ s. Auch dieſe Balken trugen oben ein Schienenſyſtem,
auf welchem die „Winde“ (w) in ſeitlicher Richtung bewegt wer-
den konnten.

Wegen der Nähe des Fluſſes, auf welchem die Materialien her-
beikamen, und da der Bau nur durch eine breite, aber wenig belebte
Straße vom Fluſſe getrennt iſt, wurde die Hauptrüſtung durch ein
niedriges Gerüſt, das oben ebenfalls einen Fahrkrahn trägt, mit der
Ausladeſtelle in Verbindung gebracht. Die Conſtruktion dieſer Rüſtung
mußte ſo eingerichtet werden, daß der Verkehr der Straße möglichſt
wenig gehemmt ward. Ueber dem Straßendamme befand ſich des-
halb ein ſolid hergeſtelltes Hänge- und Sprengewerk zur Unter-
ſtützung der oberſten Etage, welche die Winde w' trug. Zugleich
trat die Rüſtung ſoweit in die Spree, daß die zu entladenden Kähne
bequem unter die Rüſtung fahren konnten. Dieſer Theil des Ge-
rüſtes ruhte daher auf zwei Reihen eingerammter Pfähle, und konnten
die Steine mit Hilfe des Fahrkrahnes (Schlittens) direkt aus dem
Kahne gehoben und bis zur Hauptrüſtung transportirt werden, wo-
ſelbſt der Krahn der Hauptrüſtung ſie in Empfang nahm und bis
zur Stelle der Verwendung brachte.

Ein einfacher Windebaum für Werkſtücke ꝛc., wie in nebenſtehender
Skizze (Fig. 168) dargeſtellt, wird in Brüſſel faſt allgemein benutzt
und entnehmen wir ihn der „Baugewerkszeitung“ 1876 Nr. 35. Er

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[152/0168] Erſtes Kapitel. Das Werkſteinmauerwerk. verſchiebung noch mehr zu vermindern. Immerhin hat dieſes Gerüſt, wie wir uns ſelbſt überzeugten, ſeinen Zweck hinreichend erfüllt. Intereſſanter als das ſoeben geſchilderte Gerüſt iſt die Rüſtung zum Bau der königlichen Nationalgallerie in Berlin, die wir auf der lithographirten Tafel 1 darſtellen und der preußiſchen „Zeitſchrift für Bauweſen“ (1873) entnehmen. Die Mauern des er- wähnten Gebäudes wurden wegen der koloſſalen Werkſtücke, welche zur Verwendung gelangten, von beiden Seiten mit einer vollſtändig abgebundenen Rüſtung verſehen; beide Rüſtungen waren dann an geeigneten Stellen durch gemeinſchaftliche Zangenhölzer untereinander verbunden. Das innere Gerüſt ſtand auf dem Kellergewölbe, das äußere aber auf dem Straßenpflaſter, daher letzteres um 5 m tiefer reichte als jenes. Die ganze Höhe zerfiel in fünf Etagen; die unterſte derſelben war mit 5 zm ſtarken Bohlen belegt, um die Werkſtücken darauf lagern zu können. Oben trugen die beiden Gerüſte einen, mittelſt Rädern auf Schienen laufenden und mit Armirung verſtärkten „Schlitten“ s. Auch dieſe Balken trugen oben ein Schienenſyſtem, auf welchem die „Winde“ (w) in ſeitlicher Richtung bewegt wer- den konnten. Wegen der Nähe des Fluſſes, auf welchem die Materialien her- beikamen, und da der Bau nur durch eine breite, aber wenig belebte Straße vom Fluſſe getrennt iſt, wurde die Hauptrüſtung durch ein niedriges Gerüſt, das oben ebenfalls einen Fahrkrahn trägt, mit der Ausladeſtelle in Verbindung gebracht. Die Conſtruktion dieſer Rüſtung mußte ſo eingerichtet werden, daß der Verkehr der Straße möglichſt wenig gehemmt ward. Ueber dem Straßendamme befand ſich des- halb ein ſolid hergeſtelltes Hänge- und Sprengewerk zur Unter- ſtützung der oberſten Etage, welche die Winde w' trug. Zugleich trat die Rüſtung ſoweit in die Spree, daß die zu entladenden Kähne bequem unter die Rüſtung fahren konnten. Dieſer Theil des Ge- rüſtes ruhte daher auf zwei Reihen eingerammter Pfähle, und konnten die Steine mit Hilfe des Fahrkrahnes (Schlittens) direkt aus dem Kahne gehoben und bis zur Hauptrüſtung transportirt werden, wo- ſelbſt der Krahn der Hauptrüſtung ſie in Empfang nahm und bis zur Stelle der Verwendung brachte. Ein einfacher Windebaum für Werkſtücke ꝛc., wie in nebenſtehender Skizze (Fig. 168) dargeſtellt, wird in Brüſſel faſt allgemein benutzt und entnehmen wir ihn der „Baugewerkszeitung“ 1876 Nr. 35. Er

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Zitationshilfe: Wanderley, Germano: Handbuch der Bauconstruktionslehre. 2. Aufl. Bd. 2. Die Constructionen in Stein. Leipzig, 1878, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wanderley_bauconstructionslehre02_1878/168>, abgerufen am 29.04.2024.