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Wanderley, Germano: Handbuch der Bauconstruktionslehre. 2. Aufl. Bd. 2. Die Constructionen in Stein. Leipzig, 1878.

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Erstes Kapitel. Das Mauern mit Ziegeln.

Man unterscheidet volle und offene Fugen; die vollen Fugen
(Fig. 176 B) geben zwar dem frischen Mauerwerk ein angenehmes
Ansehen, sind aber nicht so gut als die offenen Fugen (Fig. 176 A).

[Abbildung] Fig. 176.
da beim Verputzen der Wände der Mörtel in die offenen Fugen ein-
dringt und der Wandputz besser fest haftet.

c. Das Ausfugen. Bei solchen Gebäuden, die äußerlich ohne
Verputz, also im sogenannten "Ziegelrohbau", bleiben sollen, ist das
sorgfältige Ausfüllen und Verstreichen der Fugen, das sogenannte
"Ausfugen", von großer Wichtigkeit, weil sonst die Nässe ungehindert
in das Mauerwerk dringen würde. Viele Techniker verwerfen das
spätere Ausfugen und geben dem Ausfugen sogleich nach dem Auf-
mauern einiger Schaaren den Vorzug, indem sie behaupten, daß dann
die Ziegel und der Mörtel innerhalb der Fugen noch die hinreichende
Feuchtigkeit besäßen, um mit dem Ausfugenmörtel in innige Verbin-
dung treten zu können; auch erspart man die Kosten der doppelten
Rüstung. Die meisten Bauten der mittelalterlichen Backsteinarchitektur,
welche besonders in Meister Haase (Hannover) ihren Vertreter ge-
funden hat, und von dessen Schülern (Schultz, Otzen u. s. w.) in
ganz Norddeutschland mit vielem Erfolg kultivirt wird, werden ohne
spätere Ausfugung in Weißkalkmörtel ausgeführt. Hingegen die von
der berliner Schule ausgegangene Backsteinarchitektur, mit ihren zier-
lichen, der Antike entnommenen Details, verträgt die, dem gothischen
Backsteinrohbau eigene, derbe Behandlung nicht. Bei den berliner
Backsteinbauten werden daher die mit ausgezeichneten Formziegeln her-
gestellten Mauern sehr sauber ausgefugt. Man trifft dort die verschieden-
artigsten Fugenformen an (Fig. 177 A -- G); bald springen sie recht-
eckig zurück (A), bald rund, bald stabförmig vor (Fig. D E). Letzteres

Erſtes Kapitel. Das Mauern mit Ziegeln.

Man unterſcheidet volle und offene Fugen; die vollen Fugen
(Fig. 176 B) geben zwar dem friſchen Mauerwerk ein angenehmes
Anſehen, ſind aber nicht ſo gut als die offenen Fugen (Fig. 176 A).

[Abbildung] Fig. 176.
da beim Verputzen der Wände der Mörtel in die offenen Fugen ein-
dringt und der Wandputz beſſer feſt haftet.

c. Das Ausfugen. Bei ſolchen Gebäuden, die äußerlich ohne
Verputz, alſo im ſogenannten „Ziegelrohbau“, bleiben ſollen, iſt das
ſorgfältige Ausfüllen und Verſtreichen der Fugen, das ſogenannte
„Ausfugen“, von großer Wichtigkeit, weil ſonſt die Näſſe ungehindert
in das Mauerwerk dringen würde. Viele Techniker verwerfen das
ſpätere Ausfugen und geben dem Ausfugen ſogleich nach dem Auf-
mauern einiger Schaaren den Vorzug, indem ſie behaupten, daß dann
die Ziegel und der Mörtel innerhalb der Fugen noch die hinreichende
Feuchtigkeit beſäßen, um mit dem Ausfugenmörtel in innige Verbin-
dung treten zu können; auch erſpart man die Koſten der doppelten
Rüſtung. Die meiſten Bauten der mittelalterlichen Backſteinarchitektur,
welche beſonders in Meiſter Haaſe (Hannover) ihren Vertreter ge-
funden hat, und von deſſen Schülern (Schultz, Otzen u. ſ. w.) in
ganz Norddeutſchland mit vielem Erfolg kultivirt wird, werden ohne
ſpätere Ausfugung in Weißkalkmörtel ausgeführt. Hingegen die von
der berliner Schule ausgegangene Backſteinarchitektur, mit ihren zier-
lichen, der Antike entnommenen Details, verträgt die, dem gothiſchen
Backſteinrohbau eigene, derbe Behandlung nicht. Bei den berliner
Backſteinbauten werden daher die mit ausgezeichneten Formziegeln her-
geſtellten Mauern ſehr ſauber ausgefugt. Man trifft dort die verſchieden-
artigſten Fugenformen an (Fig. 177 A — G); bald ſpringen ſie recht-
eckig zurück (A), bald rund, bald ſtabförmig vor (Fig. D E). Letzteres

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[162/0178] Erſtes Kapitel. Das Mauern mit Ziegeln. Man unterſcheidet volle und offene Fugen; die vollen Fugen (Fig. 176 B) geben zwar dem friſchen Mauerwerk ein angenehmes Anſehen, ſind aber nicht ſo gut als die offenen Fugen (Fig. 176 A). [Abbildung Fig. 176.] da beim Verputzen der Wände der Mörtel in die offenen Fugen ein- dringt und der Wandputz beſſer feſt haftet. c. Das Ausfugen. Bei ſolchen Gebäuden, die äußerlich ohne Verputz, alſo im ſogenannten „Ziegelrohbau“, bleiben ſollen, iſt das ſorgfältige Ausfüllen und Verſtreichen der Fugen, das ſogenannte „Ausfugen“, von großer Wichtigkeit, weil ſonſt die Näſſe ungehindert in das Mauerwerk dringen würde. Viele Techniker verwerfen das ſpätere Ausfugen und geben dem Ausfugen ſogleich nach dem Auf- mauern einiger Schaaren den Vorzug, indem ſie behaupten, daß dann die Ziegel und der Mörtel innerhalb der Fugen noch die hinreichende Feuchtigkeit beſäßen, um mit dem Ausfugenmörtel in innige Verbin- dung treten zu können; auch erſpart man die Koſten der doppelten Rüſtung. Die meiſten Bauten der mittelalterlichen Backſteinarchitektur, welche beſonders in Meiſter Haaſe (Hannover) ihren Vertreter ge- funden hat, und von deſſen Schülern (Schultz, Otzen u. ſ. w.) in ganz Norddeutſchland mit vielem Erfolg kultivirt wird, werden ohne ſpätere Ausfugung in Weißkalkmörtel ausgeführt. Hingegen die von der berliner Schule ausgegangene Backſteinarchitektur, mit ihren zier- lichen, der Antike entnommenen Details, verträgt die, dem gothiſchen Backſteinrohbau eigene, derbe Behandlung nicht. Bei den berliner Backſteinbauten werden daher die mit ausgezeichneten Formziegeln her- geſtellten Mauern ſehr ſauber ausgefugt. Man trifft dort die verſchieden- artigſten Fugenformen an (Fig. 177 A — G); bald ſpringen ſie recht- eckig zurück (A), bald rund, bald ſtabförmig vor (Fig. D E). Letzteres

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Zitationshilfe: Wanderley, Germano: Handbuch der Bauconstruktionslehre. 2. Aufl. Bd. 2. Die Constructionen in Stein. Leipzig, 1878, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wanderley_bauconstructionslehre02_1878/178>, abgerufen am 29.04.2024.