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Weerth, Georg: Leben und Thaten des berühmten Ritters Schnapphahnski. Hamburg, 1849.

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nachzudenken, über ein philosophisches Problem oder dergleichen Lappalien.

Aber alles das liegt an der schlechten Bauart unserer Häuser und an der schlechten Bauart unserer schlechten Gesellschaft. Wie in Menagerien leben wir in Käfigen und in Vogelbauern. Die Löwen verlernen das Brüllen, die Adler das Fliegen und die Nachtigallen das Singen. Unser halbes Leben verstreicht mit nichtsnutziger Arbeit, bei unbefriedigter Sehnsucht. Aus Titanen werden Philister und aus himmlischen Huris: hysterische, alte Jungfern. Zu erbärmlichen, rücksichtsvollen Pedanten hat uns die gute Sitte gemacht, zu rechten Geizhälsen, die ihre Schätze so lange konserviren, bis sie rostig und schimmelich sind. Wir faseln wie der König Salomo, als er 70 Jahr war und meinen wir etwas Neues gesagt oder gethan zu haben, da war es doch nur altes, abgetackeltes Zeug, was die Griechen schon besser sagten und thaten als wir, was längst im Homeros steht, zugänglich für jeden Tertianer.

Ach, nach Kaffe riechen wir, nach Wolle, nach alten Büchern und nach schmutzigen Akten - nur nicht nach Menschen! Schöne Kerls sind wir. Wenn die alten Götter noch leben, so werden sie sich hübsch über uns mokiren, daß wir mit all' unserm Scharfsinn, mit unserer immensen Klugheit doch nur so

nachzudenken, über ein philosophisches Problem oder dergleichen Lappalien.

Aber alles das liegt an der schlechten Bauart unserer Häuser und an der schlechten Bauart unserer schlechten Gesellschaft. Wie in Menagerien leben wir in Käfigen und in Vogelbauern. Die Löwen verlernen das Brüllen, die Adler das Fliegen und die Nachtigallen das Singen. Unser halbes Leben verstreicht mit nichtsnutziger Arbeit, bei unbefriedigter Sehnsucht. Aus Titanen werden Philister und aus himmlischen Huris: hysterische, alte Jungfern. Zu erbärmlichen, rücksichtsvollen Pedanten hat uns die gute Sitte gemacht, zu rechten Geizhälsen, die ihre Schätze so lange konserviren, bis sie rostig und schimmelich sind. Wir faseln wie der König Salomo, als er 70 Jahr war und meinen wir etwas Neues gesagt oder gethan zu haben, da war es doch nur altes, abgetackeltes Zeug, was die Griechen schon besser sagten und thaten als wir, was längst im Homeros steht, zugänglich für jeden Tertianer.

Ach, nach Kaffe riechen wir, nach Wolle, nach alten Büchern und nach schmutzigen Akten – nur nicht nach Menschen! Schöne Kerls sind wir. Wenn die alten Götter noch leben, so werden sie sich hübsch über uns mokiren, daß wir mit all’ unserm Scharfsinn, mit unserer immensen Klugheit doch nur so

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[184/0190] nachzudenken, über ein philosophisches Problem oder dergleichen Lappalien. Aber alles das liegt an der schlechten Bauart unserer Häuser und an der schlechten Bauart unserer schlechten Gesellschaft. Wie in Menagerien leben wir in Käfigen und in Vogelbauern. Die Löwen verlernen das Brüllen, die Adler das Fliegen und die Nachtigallen das Singen. Unser halbes Leben verstreicht mit nichtsnutziger Arbeit, bei unbefriedigter Sehnsucht. Aus Titanen werden Philister und aus himmlischen Huris: hysterische, alte Jungfern. Zu erbärmlichen, rücksichtsvollen Pedanten hat uns die gute Sitte gemacht, zu rechten Geizhälsen, die ihre Schätze so lange konserviren, bis sie rostig und schimmelich sind. Wir faseln wie der König Salomo, als er 70 Jahr war und meinen wir etwas Neues gesagt oder gethan zu haben, da war es doch nur altes, abgetackeltes Zeug, was die Griechen schon besser sagten und thaten als wir, was längst im Homeros steht, zugänglich für jeden Tertianer. Ach, nach Kaffe riechen wir, nach Wolle, nach alten Büchern und nach schmutzigen Akten – nur nicht nach Menschen! Schöne Kerls sind wir. Wenn die alten Götter noch leben, so werden sie sich hübsch über uns mokiren, daß wir mit all’ unserm Scharfsinn, mit unserer immensen Klugheit doch nur so

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Zitationshilfe: Weerth, Georg: Leben und Thaten des berühmten Ritters Schnapphahnski. Hamburg, 1849, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weerth_schnapphahnski_1849/190>, abgerufen am 30.04.2024.