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Weise, Christian: Die drey ärgsten Ertz-Narren. 2. Aufl. 1673.

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andern/ das Maul ist so dürr/ daß ihm die Zun-
ge als ein alter Peltzfleck an dem Gaumen
herum zappelt.

Von andern Ständen mag ich nichts sa-
gen/ wolte Gott! die jungen Leute spiegelten
sich an den alten podagrischen/ trieffäugigten/
zitterenden Herren/ welche in Städten und
Dörffern offt verursachen/ daß ein gemeines
Wesen auff schwachen Füssen steht/ da sie doch
solcher Schwachheit wohl könten geübrigt
seyn/ wann sie in der Jugend ihre gesunde und
starcke Naturen nicht so sehr sorcirt hätten.
Und wie mancher wäre ein beliebter und ge-
segneter Mann blieben/ wann er im Truncke
nicht alle Heimligkeit geoffenbahrt/ oder mit
einem andern unnöthigen Streit angefangen
oder sich sonst mit närrischen Reden und Ge-
berden prostituirt hätte.

Gelanor gedachte darbey an einen Studen-
ten/ welchen er zu seiner Zeit auf Universitä-
ten gekennt hatte/ von diesem sagte er/ ich habe
mein Tage keinen Menschen gesehn/ der sich
mit bessrer Manier vom Sauffen abfinden
kunte. Einmahl solte er ein Glaß voll Wein
ungefehr von einer Kanne außtrincken/ und
stellte sich der andere/ der es ihm zugetruncken/
so eifrig an/ als wolte er sich zureissen/ doch die-

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andern/ das Maul iſt ſo duͤrr/ daß ihm die Zun-
ge als ein alter Peltzfleck an dem Gaumen
herum zappelt.

Von andern Staͤnden mag ich nichts ſa-
gen/ wolte Gott! die jungen Leute ſpiegelten
ſich an den alten podagriſchen/ trieffaͤugigten/
zitterenden Herren/ welche in Staͤdten und
Doͤrffern offt verurſachen/ daß ein gemeines
Weſen auff ſchwachen Fuͤſſen ſteht/ da ſie doch
ſolcher Schwachheit wohl koͤnten geuͤbrigt
ſeyn/ wann ſie in der Jugend ihre geſunde und
ſtarcke Naturen nicht ſo ſehr ſorcirt haͤtten.
Und wie mancher waͤre ein beliebter und ge-
ſegneter Mann blieben/ wann er im Truncke
nicht alle Heimligkeit geoffenbahrt/ oder mit
einem andern unnoͤthigen Streit angefangen
oder ſich ſonſt mit naͤrriſchen Reden und Ge-
berden proſtituirt haͤtte.

Gelanor gedachte darbey an einen Studen-
ten/ welchen er zu ſeiner Zeit auf Univerſitaͤ-
ten gekennt hatte/ von dieſem ſagte er/ ich habe
mein Tage keinen Menſchen geſehn/ der ſich
mit beſſrer Manier vom Sauffen abfinden
kunte. Einmahl ſolte er ein Glaß voll Wein
ungefehr von einer Kanne außtrincken/ und
ſtellte ſich der andere/ der es ihm zugetruncken/
ſo eifrig an/ als wolte er ſich zureiſſen/ doch die-

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[269/0275] andern/ das Maul iſt ſo duͤrr/ daß ihm die Zun- ge als ein alter Peltzfleck an dem Gaumen herum zappelt. Von andern Staͤnden mag ich nichts ſa- gen/ wolte Gott! die jungen Leute ſpiegelten ſich an den alten podagriſchen/ trieffaͤugigten/ zitterenden Herren/ welche in Staͤdten und Doͤrffern offt verurſachen/ daß ein gemeines Weſen auff ſchwachen Fuͤſſen ſteht/ da ſie doch ſolcher Schwachheit wohl koͤnten geuͤbrigt ſeyn/ wann ſie in der Jugend ihre geſunde und ſtarcke Naturen nicht ſo ſehr ſorcirt haͤtten. Und wie mancher waͤre ein beliebter und ge- ſegneter Mann blieben/ wann er im Truncke nicht alle Heimligkeit geoffenbahrt/ oder mit einem andern unnoͤthigen Streit angefangen oder ſich ſonſt mit naͤrriſchen Reden und Ge- berden proſtituirt haͤtte. Gelanor gedachte darbey an einen Studen- ten/ welchen er zu ſeiner Zeit auf Univerſitaͤ- ten gekennt hatte/ von dieſem ſagte er/ ich habe mein Tage keinen Menſchen geſehn/ der ſich mit beſſrer Manier vom Sauffen abfinden kunte. Einmahl ſolte er ein Glaß voll Wein ungefehr von einer Kanne außtrincken/ und ſtellte ſich der andere/ der es ihm zugetruncken/ ſo eifrig an/ als wolte er ſich zureiſſen/ doch die- fer M iij

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Zitationshilfe: Weise, Christian: Die drey ärgsten Ertz-Narren. 2. Aufl. 1673, S. 269. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weise_ertznarren_1672/275>, abgerufen am 28.04.2024.