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Weise, Christian: Die drey ärgsten Ertz-Narren. 2. Aufl. 1673.

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den: bald solte er eine Treppe hinan steigen
und kunte die Füsse nicht auffheben. Bald
gieng er im Schlamme/ bald in einem unbe-
kanten Walde. Und gewiß wenn solches ei-
nem andern vorkommen wäre/ der hätte sich
in allen Traumbüchern belernen lassen/ was
die Händel bedeuten solten.

So war Gelanor in dergleichen zweiffel-
hafften Sachen schon durchtrieben/ daß er
wuste/ ob gleich etliche Träume einzutreffen
schienen/ dennoch etliche tausend dargegen
zu fehlen pflegten/ und daß hernach die gewis-
sen gemercket und fleissig auffgeschrieben; die
ungewissen hingegen leichtlich vergessen wür-
den. Drum ließ er sich solche Grillen nicht
viel anfechten/ und/ nachdem er erwachte/
fuhr er auß dem Bette herauß/ und wolte
sehen/ was er seinem untergebenen vor ei-
nen Leichen-Text bestellen würde. Doch siehe
da! Florindo hatte seine Unter-Kleider an-
gelegt/ und gieng nach aller Herrligkeit in
der Stube spatzieren herum. Wäre iemand
anders hinein kommen als Gelanor, der hät-
te geglaubt/ er wäre schon todt/ und fienge
schon an umbzugehen oder zu spücken. So
fragte er doch/ warumb er nicht im Bette blie-
be Allein er muste sich berichten lassen/ daß

er
O iv


den: bald ſolte er eine Treppe hinan ſteigen
und kunte die Fuͤſſe nicht auffheben. Bald
gieng er im Schlamme/ bald in einem unbe-
kanten Walde. Und gewiß wenn ſolches ei-
nem andern vorkommen waͤre/ der haͤtte ſich
in allen Traumbuͤchern belernen laſſen/ was
die Haͤndel bedeuten ſolten.

So war Gelanor in dergleichen zweiffel-
hafften Sachen ſchon durchtrieben/ daß er
wuſte/ ob gleich etliche Traͤume einzutreffen
ſchienen/ dennoch etliche tauſend dargegen
zu fehlen pflegten/ und daß hernach die gewiſ-
ſen gemercket und fleiſſig auffgeſchrieben; die
ungewiſſen hingegen leichtlich vergeſſen wuͤr-
den. Drum ließ er ſich ſolche Grillen nicht
viel anfechten/ und/ nachdem er erwachte/
fuhr er auß dem Bette herauß/ und wolte
ſehen/ was er ſeinem untergebenen vor ei-
nen Leichen-Text beſtellen wuͤrde. Doch ſiehe
da! Florindo hatte ſeine Unter-Kleider an-
gelegt/ und gieng nach aller Herrligkeit in
der Stube ſpatzieren herum. Waͤre iemand
anders hinein kommen als Gelanor, der haͤt-
te geglaubt/ er waͤre ſchon todt/ und fienge
ſchon an umbzugehen oder zu ſpuͤcken. So
fragte er doch/ warumb er nicht im Bette blie-
be Allein er muſte ſich berichten laſſen/ daß

er
O iv
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[319/0325] den: bald ſolte er eine Treppe hinan ſteigen und kunte die Fuͤſſe nicht auffheben. Bald gieng er im Schlamme/ bald in einem unbe- kanten Walde. Und gewiß wenn ſolches ei- nem andern vorkommen waͤre/ der haͤtte ſich in allen Traumbuͤchern belernen laſſen/ was die Haͤndel bedeuten ſolten. So war Gelanor in dergleichen zweiffel- hafften Sachen ſchon durchtrieben/ daß er wuſte/ ob gleich etliche Traͤume einzutreffen ſchienen/ dennoch etliche tauſend dargegen zu fehlen pflegten/ und daß hernach die gewiſ- ſen gemercket und fleiſſig auffgeſchrieben; die ungewiſſen hingegen leichtlich vergeſſen wuͤr- den. Drum ließ er ſich ſolche Grillen nicht viel anfechten/ und/ nachdem er erwachte/ fuhr er auß dem Bette herauß/ und wolte ſehen/ was er ſeinem untergebenen vor ei- nen Leichen-Text beſtellen wuͤrde. Doch ſiehe da! Florindo hatte ſeine Unter-Kleider an- gelegt/ und gieng nach aller Herrligkeit in der Stube ſpatzieren herum. Waͤre iemand anders hinein kommen als Gelanor, der haͤt- te geglaubt/ er waͤre ſchon todt/ und fienge ſchon an umbzugehen oder zu ſpuͤcken. So fragte er doch/ warumb er nicht im Bette blie- be Allein er muſte ſich berichten laſſen/ daß er O iv

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Zitationshilfe: Weise, Christian: Die drey ärgsten Ertz-Narren. 2. Aufl. 1673, S. 319. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weise_ertznarren_1672/325>, abgerufen am 29.04.2024.