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Weise, Christian: Überflüßige Gedancken Der grünenden jugend. Leipzig, 1701.

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ungedultigen käsemutter ist angeleget worden.

Nun ist es wohl an dem/ daß lauter liebes-
sachen darinn enthalten sind/ welche/ dem anse-
hen nach/ bey jungen leuten viel ärgerniß an-
richten können/ und wird dergestalt iemand denen
überflüßigen gedancken denselben titul zule-
gen/ welchen der Frantzös. Pontus de Thyard
seinen sonneten gegeben hat/ daß er sie Erreurs
Amoureuses,
verliebte irrthümer nennt.
Doch es sey so/ sie möchten Errores Juveniles
heissen/ so würde auch dieser irrthum nicht
allzu verdammlich seyn. Denn es wäre nicht
ein error vitii, sondern ein error imprudentiae.
Wenn ein kind auff dem stecken reitet/ so ist es
ein error infantiae: Wenn ein knabe mit boh-
nen spielet/ oder die mücke fligen läst/ so ist es
error pueritiae. Denn wenn sie so klug wä-
ren als alte leute/ würden sie an dergleichen
lumpen-possen keine vergnügung haben. Un-
terdessen begehen sie keine sünde/ oder zum we-
nigsten wird diese that praecise nicht als ein
boßhafftiges und unrechtmäßiges wesen zu
verdammen/ oder wohl gar zu bestraffen seyn.
Weil nun die jugend der natur noch etliche
thorheiten schuldig ist/ so wird eine solche poc-
tische steckenreuterey als ein error juvenilis
um so viel desto mehr zu entschuldigen seyn/
jemehr das nachfolgende alter die eitelkeit
selbst zu verlachen/ und durch anständige ge-
dancken zu verbessern pfleget.

Ge-

ungedultigen kaͤſemutter iſt angeleget wordẽ.

Nun iſt es wohl an dem/ daß lauter liebes-
ſachen dariñ enthalten ſind/ welche/ dem anſe-
hen nach/ bey jungen leuten viel aͤrgerniß an-
richten koͤñen/ uñ wiꝛd deꝛgeſtalt iemand denẽ
uͤbeꝛfluͤßigen gedancken denſelben titul zule-
gen/ welchen der Frantzoͤſ. Pontus de Thyard
ſeinen ſonneten gegeben hat/ daß er ſie Erreurs
Amoureuſes,
verliebte irrthuͤmer nennt.
Doch es ſey ſo/ ſie moͤchten Errores Juveniles
heiſſen/ ſo wuͤrde auch dieſer irrthum nicht
allzu verdammlich ſeyn. Denn es waͤre nicht
ein error vitii, ſondern ein error imprudentiæ.
Wenn ein kind auff dem ſtecken reitet/ ſo iſt es
ein error infantiæ: Wenn ein knabe mit boh-
nen ſpielet/ oder die muͤcke fligen laͤſt/ ſo iſt es
error pueritiæ. Denn wenn ſie ſo klug waͤ-
ren als alte leute/ wuͤrden ſie an dergleichen
lumpen-poſſen keine vergnuͤgung haben. Un-
terdeſſen begehen ſie keine ſuͤnde/ oder zum we-
nigſten wird dieſe that præcisè nicht als ein
boßhafftiges und unrechtmaͤßiges weſen zu
verdammen/ oder wohl gar zu beſtraffen ſeyn.
Weil nun die jugend der natur noch etliche
thorheiten ſchuldig iſt/ ſo wird eine ſolche poc-
tiſche ſteckenreuterey als ein error juvenilis
um ſo viel deſto mehr zu entſchuldigen ſeyn/
jemehr das nachfolgende alter die eitelkeit
ſelbſt zu verlachen/ und durch anſtaͤndige ge-
dancken zu verbeſſern pfleget.

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Zitationshilfe: Weise, Christian: Überflüßige Gedancken Der grünenden jugend. Leipzig, 1701, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weise_jugend_1701/10>, abgerufen am 27.04.2024.