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Weise, Christian: Überflüßige Gedancken Der grünenden jugend. Leipzig, 1701.

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Da ließ sie mich hernach vermahnen/
Die sachen wären ihr nicht kund;
Sie möchte mich wol gerne fragen/
Was ein galan ausdrücklich sey?
Da ließ ich ihr zur antwort sagen/
Die leutgen wären vielerley.

2. Dann sagt ich/ wer sich aller orten
Zum lieben frauenzimmer macht/
Und ist doch kalt in seinen worten
Ob er gleich noch so freundlich lacht:
Wer alle wochen eine neue
Zum zeitvertreib erwählen kan/
Und fragt nach keiner liebes-treue/
Der ist ein blosser spaß-galan.
3. Und wer sich läst die grillen treiben/
Daß er die gassen nunter schwäntzt/
Ob etwan durch die fenster-scheiben
Ein weisses jungfer-häubgen gläntzt/
Und meint er habe durch den tempel
Der liebes-pflicht genug gethan/
Der heist den andern zum exempel
Ein lauff-und pflasterstein galan.
4. Wann auch ein junger gelber schnabel
Sich im processe selbst verführt/
Und alles mit der silbern gabel
Fein fromm und sittsam embrochirt/
Auch nichts in seinen complimenten
Als ehren tugend sprechen kan/
So heisset er bey uns studenten
Nur ein devotion-galan.
5. Und wer mit allerhand spendaschen
Der liebsten ihre köthe schmückt/
Und alle tage seinen pagen
Nach zucker und citronen schickt/
Wer
A 3

Da ließ ſie mich hernach vermahnen/
Die ſachen waͤren ihr nicht kund;
Sie moͤchte mich wol gerne fragen/
Was ein galan ausdruͤcklich ſey?
Da ließ ich ihr zur antwort ſagen/
Die leutgen waͤren vielerley.

2. Dann ſagt ich/ wer ſich aller orten
Zum lieben frauenzimmer macht/
Und iſt doch kalt in ſeinen worten
Ob er gleich noch ſo freundlich lacht:
Wer alle wochen eine neue
Zum zeitvertreib erwaͤhlen kan/
Und fragt nach keiner liebes-treue/
Der iſt ein bloſſer ſpaß-galan.
3. Und wer ſich laͤſt die grillen treiben/
Daß er die gaſſen nunter ſchwaͤntzt/
Ob etwan durch die fenſter-ſcheiben
Ein weiſſes jungfer-haͤubgen glaͤntzt/
Und meint er habe durch den tempel
Der liebes-pflicht genug gethan/
Der heiſt den andern zum exempel
Ein lauff-und pflaſterſtein galan.
4. Wann auch ein junger gelber ſchnabel
Sich im proceſſe ſelbſt verfuͤhrt/
Und alles mit der ſilbern gabel
Fein fromm und ſittſam embrochirt/
Auch nichts in ſeinen complimenten
Als ehren tugend ſprechen kan/
So heiſſet er bey uns ſtudenten
Nur ein devotion-galan.
5. Und wer mit allerhand ſpendaſchen
Der liebſten ihre koͤthe ſchmuͤckt/
Und alle tage ſeinen pagen
Nach zucker und citronen ſchickt/
Wer
A 3
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[0021] Da ließ ſie mich hernach vermahnen/ Die ſachen waͤren ihr nicht kund; Sie moͤchte mich wol gerne fragen/ Was ein galan ausdruͤcklich ſey? Da ließ ich ihr zur antwort ſagen/ Die leutgen waͤren vielerley. 2. Dann ſagt ich/ wer ſich aller orten Zum lieben frauenzimmer macht/ Und iſt doch kalt in ſeinen worten Ob er gleich noch ſo freundlich lacht: Wer alle wochen eine neue Zum zeitvertreib erwaͤhlen kan/ Und fragt nach keiner liebes-treue/ Der iſt ein bloſſer ſpaß-galan. 3. Und wer ſich laͤſt die grillen treiben/ Daß er die gaſſen nunter ſchwaͤntzt/ Ob etwan durch die fenſter-ſcheiben Ein weiſſes jungfer-haͤubgen glaͤntzt/ Und meint er habe durch den tempel Der liebes-pflicht genug gethan/ Der heiſt den andern zum exempel Ein lauff-und pflaſterſtein galan. 4. Wann auch ein junger gelber ſchnabel Sich im proceſſe ſelbſt verfuͤhrt/ Und alles mit der ſilbern gabel Fein fromm und ſittſam embrochirt/ Auch nichts in ſeinen complimenten Als ehren tugend ſprechen kan/ So heiſſet er bey uns ſtudenten Nur ein devotion-galan. 5. Und wer mit allerhand ſpendaſchen Der liebſten ihre koͤthe ſchmuͤckt/ Und alle tage ſeinen pagen Nach zucker und citronen ſchickt/ Wer A 3

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Zitationshilfe: Weise, Christian: Überflüßige Gedancken Der grünenden jugend. Leipzig, 1701, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weise_jugend_1701/21>, abgerufen am 28.04.2024.