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Weise, Christian: Überflüßige Gedancken Der grünenden jugend. Leipzig, 1701.

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Der beschützten unschuld
Leon. Ach wer weiß/ ob sich Camillo seiner Leono-
re noch erinnert.
Soph. Jhr Gn. lieben nicht/ sondern sie zweiffeln.
Leon. Du verstehest die liebe nicht/ je höher sie
steigt/ desto mehr ursach hat sie zu zweifeln.
Soph. Doch Camillo wird durch den zweifel be-
leidigt.
Leon. Ach nein/ darauß wird er meine ungefärbte
treu erkennen.
Soph. Doch begehrt er nicht/ daß seine liebste sich
durch angst und bekümmernüß verzehren sol.
Leon. Ein schwaches weibs-bild kan der traurig-
keit nicht widerstehn.
Soph. Nun wie dem allen. E. Gn. haben mir
unterschiedene mahl versprochen/ den verlauff ihrer
liebe mit dem Camillo zu entdecken/ könte ich itzt bitt-
selig seyn/ die anmuthige begebenheit zu erfahren/ so
würden sich E. Gn. vielleicht durch sothane erzehlung
selbst vergnügen und trösten können.
Leon. Es sey also/ komm setze dich mit auff die grü-
ne banck/ und höre an/ warum ich mich betrüben muß.
Soph. Jch bin gehorsam und folge.
(sie setzen sich.)
Leon. Du weist es meine liebste Sophie/ daß mein
seel. eltern/ neben dem hause ihre wohnung gehabt/ wo
sich noch des Camillo fr. mutter befindet/ dannenhero
war die gelegenheit so gut/ daß wir einander in der zar-
ten kindheit kennen lerneten/ die eltern schertzten selbst/
und theilten mir den Camillo zum liebsten zu. Wir
nahmen es vor bekannt an/ und begegneten einander
mit solcher liebes-bezeugung/ derer daß kindliche alter
mächtig war. Wir wuchsen auch in dergleichen ver-
traulig-
Der beſchuͤtzten unſchuld
Leon. Ach wer weiß/ ob ſich Camillo ſeiner Leono-
re noch erinnert.
Soph. Jhr Gn. lieben nicht/ ſondern ſie zweiffeln.
Leon. Du verſteheſt die liebe nicht/ je hoͤher ſie
ſteigt/ deſto mehr urſach hat ſie zu zweifeln.
Soph. Doch Camillo wird durch den zweifel be-
leidigt.
Leon. Ach nein/ darauß wird er meine ungefaͤrbte
treu erkennen.
Soph. Doch begehrt er nicht/ daß ſeine liebſte ſich
durch angſt und bekuͤmmernuͤß verzehren ſol.
Leon. Ein ſchwaches weibs-bild kan der traurig-
keit nicht widerſtehn.
Soph. Nun wie dem allen. E. Gn. haben mir
unterſchiedene mahl verſprochen/ den verlauff ihrer
liebe mit dem Camillo zu entdecken/ koͤnte ich itzt bitt-
ſelig ſeyn/ die anmuthige begebenheit zu erfahren/ ſo
wuͤrden ſich E. Gn. vielleicht durch ſothane erzehlung
ſelbſt vergnuͤgen und troͤſten koͤnnen.
Leon. Es ſey alſo/ komm ſetze dich mit auff die gruͤ-
ne banck/ und hoͤre an/ warum ich mich betruͤben muß.
Soph. Jch bin gehorſam und folge.
(ſie ſetzen ſich.)
Leon. Du weiſt es meine liebſte Sophie/ daß mein
ſeel. eltern/ neben dem hauſe ihre wohnung gehabt/ wo
ſich noch des Camillo fr. mutter befindet/ dannenhero
war die gelegenheit ſo gut/ daß wir einander in der zar-
ten kindheit kennen lerneten/ die eltern ſchertzten ſelbſt/
und theilten mir den Camillo zum liebſten zu. Wir
nahmen es vor bekannt an/ und begegneten einander
mit ſolcher liebes-bezeugung/ derer daß kindliche alter
maͤchtig war. Wir wuchſen auch in dergleichen ver-
traulig-
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[488/0504] Der beſchuͤtzten unſchuld Leon. Ach wer weiß/ ob ſich Camillo ſeiner Leono- re noch erinnert. Soph. Jhr Gn. lieben nicht/ ſondern ſie zweiffeln. Leon. Du verſteheſt die liebe nicht/ je hoͤher ſie ſteigt/ deſto mehr urſach hat ſie zu zweifeln. Soph. Doch Camillo wird durch den zweifel be- leidigt. Leon. Ach nein/ darauß wird er meine ungefaͤrbte treu erkennen. Soph. Doch begehrt er nicht/ daß ſeine liebſte ſich durch angſt und bekuͤmmernuͤß verzehren ſol. Leon. Ein ſchwaches weibs-bild kan der traurig- keit nicht widerſtehn. Soph. Nun wie dem allen. E. Gn. haben mir unterſchiedene mahl verſprochen/ den verlauff ihrer liebe mit dem Camillo zu entdecken/ koͤnte ich itzt bitt- ſelig ſeyn/ die anmuthige begebenheit zu erfahren/ ſo wuͤrden ſich E. Gn. vielleicht durch ſothane erzehlung ſelbſt vergnuͤgen und troͤſten koͤnnen. Leon. Es ſey alſo/ komm ſetze dich mit auff die gruͤ- ne banck/ und hoͤre an/ warum ich mich betruͤben muß. Soph. Jch bin gehorſam und folge. (ſie ſetzen ſich.) Leon. Du weiſt es meine liebſte Sophie/ daß mein ſeel. eltern/ neben dem hauſe ihre wohnung gehabt/ wo ſich noch des Camillo fr. mutter befindet/ dannenhero war die gelegenheit ſo gut/ daß wir einander in der zar- ten kindheit kennen lerneten/ die eltern ſchertzten ſelbſt/ und theilten mir den Camillo zum liebſten zu. Wir nahmen es vor bekannt an/ und begegneten einander mit ſolcher liebes-bezeugung/ derer daß kindliche alter maͤchtig war. Wir wuchſen auch in dergleichen ver- traulig-

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Zitationshilfe: Weise, Christian: Überflüßige Gedancken Der grünenden jugend. Leipzig, 1701, S. 488. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weise_jugend_1701/504>, abgerufen am 29.05.2024.