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Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892.

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Darwin, dass sie zwar allen ihren Sämlingen den Trauer-
charakter mittheilte, aber in verschiedenem Grade.

Nach unserer Theorie hängt die Vererbung einer Abänderung
durch Samen davon ab, ob das Keimplasma des betreffenden
Samens die Abänderung in einer Majorität der Determinanten
enthält, oder blos in einer Minorität. Wenn das Keimplasma
hundert Ide enthält, so müssten -- gleiche bestimmende Kraft
vorausgesetzt -- mehr als fünfzig Determinanten N abgeändert
sein in N1, damit die Abänderung im Sämling manifest werde.
Da nun, wie oben gezeigt wurde, wohl niemals neue Variationen
gleich in allen Determinanten auftreten, sondern immer nur
in einem bald höheren, bald niederen Procentsatz der Ide, so
ist die Möglichkeit, dass alle von der abgeänderten Pflanze
hervorgebrachten Sämlinge die Abänderung zeigen werden, sehr
gering. Denn da jede Keimzelle aus einer Reductionstheilung
hervorgegangen ist, so werden immer viele von ihnen die ab-
geänderten Determinanten N1 nur in einer Minorität besitzen,
die sogar sehr klein sein kann, falls ihre Majorität im Keim-
plasma der Mutterpflanze eine kleine war. Verbinden sich dann
zwei solcher Keimzellen in Amphimixis, so enthält das daraus
hervorgehende Keimplasma nur eine kleine Minorität der ab-
geänderten Determinanten N1, und die Abänderung wird nicht
manifest. So erklärt es sich, warum fast niemals alle Sämlinge
einer Abart wieder die Abart ergeben, und weiter, weshalb in
den seltneren Fällen, in welchen wie bei jener Trauer-Eiche
jeder Sämling der Abart angehört, doch der Charakter der-
selben in verschiedener Stärke zum Vorschein kommt. Denn
die Mischungen des Keimplama's müssen durch Reductions-
theilung und Amphimixis auch dann noch verschiedene werden,
wenn in dem Keimplasma der Mutterpflanze nur eine kleine,
aber doch immer verschieden grosse Minorität von Stamm-
Determinanten N enthalten war.

Darwin, dass sie zwar allen ihren Sämlingen den Trauer-
charakter mittheilte, aber in verschiedenem Grade.

Nach unserer Theorie hängt die Vererbung einer Abänderung
durch Samen davon ab, ob das Keimplasma des betreffenden
Samens die Abänderung in einer Majorität der Determinanten
enthält, oder blos in einer Minorität. Wenn das Keimplasma
hundert Ide enthält, so müssten — gleiche bestimmende Kraft
vorausgesetzt — mehr als fünfzig Determinanten N abgeändert
sein in N1, damit die Abänderung im Sämling manifest werde.
Da nun, wie oben gezeigt wurde, wohl niemals neue Variationen
gleich in allen Determinanten auftreten, sondern immer nur
in einem bald höheren, bald niederen Procentsatz der Ide, so
ist die Möglichkeit, dass alle von der abgeänderten Pflanze
hervorgebrachten Sämlinge die Abänderung zeigen werden, sehr
gering. Denn da jede Keimzelle aus einer Reductionstheilung
hervorgegangen ist, so werden immer viele von ihnen die ab-
geänderten Determinanten N1 nur in einer Minorität besitzen,
die sogar sehr klein sein kann, falls ihre Majorität im Keim-
plasma der Mutterpflanze eine kleine war. Verbinden sich dann
zwei solcher Keimzellen in Amphimixis, so enthält das daraus
hervorgehende Keimplasma nur eine kleine Minorität der ab-
geänderten Determinanten N1, und die Abänderung wird nicht
manifest. So erklärt es sich, warum fast niemals alle Sämlinge
einer Abart wieder die Abart ergeben, und weiter, weshalb in
den seltneren Fällen, in welchen wie bei jener Trauer-Eiche
jeder Sämling der Abart angehört, doch der Charakter der-
selben in verschiedener Stärke zum Vorschein kommt. Denn
die Mischungen des Keimplama’s müssen durch Reductions-
theilung und Amphimixis auch dann noch verschiedene werden,
wenn in dem Keimplasma der Mutterpflanze nur eine kleine,
aber doch immer verschieden grosse Minorität von Stamm-
Determinanten N enthalten war.

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[585/0609] Darwin, dass sie zwar allen ihren Sämlingen den Trauer- charakter mittheilte, aber in verschiedenem Grade. Nach unserer Theorie hängt die Vererbung einer Abänderung durch Samen davon ab, ob das Keimplasma des betreffenden Samens die Abänderung in einer Majorität der Determinanten enthält, oder blos in einer Minorität. Wenn das Keimplasma hundert Ide enthält, so müssten — gleiche bestimmende Kraft vorausgesetzt — mehr als fünfzig Determinanten N abgeändert sein in N1, damit die Abänderung im Sämling manifest werde. Da nun, wie oben gezeigt wurde, wohl niemals neue Variationen gleich in allen Determinanten auftreten, sondern immer nur in einem bald höheren, bald niederen Procentsatz der Ide, so ist die Möglichkeit, dass alle von der abgeänderten Pflanze hervorgebrachten Sämlinge die Abänderung zeigen werden, sehr gering. Denn da jede Keimzelle aus einer Reductionstheilung hervorgegangen ist, so werden immer viele von ihnen die ab- geänderten Determinanten N1 nur in einer Minorität besitzen, die sogar sehr klein sein kann, falls ihre Majorität im Keim- plasma der Mutterpflanze eine kleine war. Verbinden sich dann zwei solcher Keimzellen in Amphimixis, so enthält das daraus hervorgehende Keimplasma nur eine kleine Minorität der ab- geänderten Determinanten N1, und die Abänderung wird nicht manifest. So erklärt es sich, warum fast niemals alle Sämlinge einer Abart wieder die Abart ergeben, und weiter, weshalb in den seltneren Fällen, in welchen wie bei jener Trauer-Eiche jeder Sämling der Abart angehört, doch der Charakter der- selben in verschiedener Stärke zum Vorschein kommt. Denn die Mischungen des Keimplama’s müssen durch Reductions- theilung und Amphimixis auch dann noch verschiedene werden, wenn in dem Keimplasma der Mutterpflanze nur eine kleine, aber doch immer verschieden grosse Minorität von Stamm- Determinanten N enthalten war.

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Zitationshilfe: Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892, S. 585. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/609>, abgerufen am 29.04.2024.