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Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776.

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stärkrer oder schwächrer Veranlassung die
ganze Masse unsrer Begierden durchsäuert,
daß Freundschaft, Rechtschaffenheit und
selbst die Religion zu schwach ist, seiner bei-
ßenden Schärfe zu wiederstehen: wir wollen
es nicht ohne unsern Nutzen bewiesen haben.
Hier auf diesem Flecke laßt uns in froher
Einsamkeit und ruhiger Eintracht den Rest
unsrer Tage hinleben, und unsern Begier-
den jeden Sporn, jeden Reiz benehmen, die
sie aufwiegeln könnten, diese schöne Ruhe zu
stören. Wir wollen diesen Flecken Erde,
der unser Eigenthum geworden ist, zu glei-
chen Theilen besitzen; unsre Bedürfnisse kön-
nen nicht über unser thierisches Selbst hin-
ausreichen, und sie werden uns nicht ent-
zweyen, so lange uns nicht gänzlicher Man-
gel um Leben und Nahrung kämpfen läßt.
Wir wollen uns von unserm Geschlechte tren-
nen, damit nicht ein neidischer Anfall von
ihnen unsre Glückseligkeit unterbricht: so
sind wir von innen und von außen verschanzt
und machen für uns allein eine Welt aus
-- eine Welt, wie wir sie in den ersten
Jahren unsers Lebens träumten, Belphegor
-- eine Gesellschaft, die Freundschaft, Liebe,

Sym-
T 5

ſtaͤrkrer oder ſchwaͤchrer Veranlaſſung die
ganze Maſſe unſrer Begierden durchſaͤuert,
daß Freundſchaft, Rechtſchaffenheit und
ſelbſt die Religion zu ſchwach iſt, ſeiner bei-
ßenden Schaͤrfe zu wiederſtehen: wir wollen
es nicht ohne unſern Nutzen bewieſen haben.
Hier auf dieſem Flecke laßt uns in froher
Einſamkeit und ruhiger Eintracht den Reſt
unſrer Tage hinleben, und unſern Begier-
den jeden Sporn, jeden Reiz benehmen, die
ſie aufwiegeln koͤnnten, dieſe ſchoͤne Ruhe zu
ſtoͤren. Wir wollen dieſen Flecken Erde,
der unſer Eigenthum geworden iſt, zu glei-
chen Theilen beſitzen; unſre Beduͤrfniſſe koͤn-
nen nicht uͤber unſer thieriſches Selbſt hin-
ausreichen, und ſie werden uns nicht ent-
zweyen, ſo lange uns nicht gaͤnzlicher Man-
gel um Leben und Nahrung kaͤmpfen laͤßt.
Wir wollen uns von unſerm Geſchlechte tren-
nen, damit nicht ein neidiſcher Anfall von
ihnen unſre Gluͤckſeligkeit unterbricht: ſo
ſind wir von innen und von außen verſchanzt
und machen fuͤr uns allein eine Welt aus
— eine Welt, wie wir ſie in den erſten
Jahren unſers Lebens traͤumten, Belphegor
— eine Geſellſchaft, die Freundſchaft, Liebe,

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[295/0301] ſtaͤrkrer oder ſchwaͤchrer Veranlaſſung die ganze Maſſe unſrer Begierden durchſaͤuert, daß Freundſchaft, Rechtſchaffenheit und ſelbſt die Religion zu ſchwach iſt, ſeiner bei- ßenden Schaͤrfe zu wiederſtehen: wir wollen es nicht ohne unſern Nutzen bewieſen haben. Hier auf dieſem Flecke laßt uns in froher Einſamkeit und ruhiger Eintracht den Reſt unſrer Tage hinleben, und unſern Begier- den jeden Sporn, jeden Reiz benehmen, die ſie aufwiegeln koͤnnten, dieſe ſchoͤne Ruhe zu ſtoͤren. Wir wollen dieſen Flecken Erde, der unſer Eigenthum geworden iſt, zu glei- chen Theilen beſitzen; unſre Beduͤrfniſſe koͤn- nen nicht uͤber unſer thieriſches Selbſt hin- ausreichen, und ſie werden uns nicht ent- zweyen, ſo lange uns nicht gaͤnzlicher Man- gel um Leben und Nahrung kaͤmpfen laͤßt. Wir wollen uns von unſerm Geſchlechte tren- nen, damit nicht ein neidiſcher Anfall von ihnen unſre Gluͤckſeligkeit unterbricht: ſo ſind wir von innen und von außen verſchanzt und machen fuͤr uns allein eine Welt aus — eine Welt, wie wir ſie in den erſten Jahren unſers Lebens traͤumten, Belphegor — eine Geſellſchaft, die Freundſchaft, Liebe, Sym- T 5

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Zitationshilfe: Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776/301>, abgerufen am 29.04.2024.