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Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780.

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12.
Was uns seit jenem traum, der wiege unsrer liebe
Begegnet ist, ist's nicht beweis hievon?
Nenn, wie du willst, den Stifter unsrer triebe,
Vorsehung, Schiksal, Oberon,
Genug, ein Wunder hat dich mir, mich dir gegeben:
Ein wunder unser Bund, ein wunder unser Leben?
Wer führt' aus Bagdad unversehrt
Uns aus? Wer hat der flut, die uns verschlang, gewehrt?
13.
Und als wir, sterbend schon, so unverhoft den wogen
Entrannen, sprich, wer anders als die Macht
Die uns beschüzt, hat uns bisher bedacht?
Aus Ihrer brust hab' ichs, wie lebensmilch, gesogen
Das wasser, das in dieser bangen nacht
Mein kaum noch glimmend licht von neuem aufgefacht?
Gewiß auch dieses Mahl, das unser leben fristet,
Hat eine heimliche wohlthät'ge hand gerüstet.
14.
Wofür, wenn unser untergehn
Beschlossen ist, wofür wär alles dies geschehn?
Mir sagt's mein herz, ich glaub's, und fühle was ich glaube,
Die Hand, die uns durch dieses Dunkel führt,
Läßt uns dem elend nicht zum raube.
Und wenn die Hoffnung auch den ankergrund verliert,
So laß uns fest an diesem glauben halten,
Ein einz'ger augenblik kann alles umgestalten!
15. Doch,
12.
Was uns ſeit jenem traum, der wiege unſrer liebe
Begegnet iſt, iſt's nicht beweis hievon?
Nenn, wie du willſt, den Stifter unſrer triebe,
Vorſehung, Schikſal, Oberon,
Genug, ein Wunder hat dich mir, mich dir gegeben:
Ein wunder unſer Bund, ein wunder unſer Leben?
Wer fuͤhrt' aus Bagdad unverſehrt
Uns aus? Wer hat der flut, die uns verſchlang, gewehrt?
13.
Und als wir, ſterbend ſchon, ſo unverhoft den wogen
Entrannen, ſprich, wer anders als die Macht
Die uns beſchuͤzt, hat uns bisher bedacht?
Aus Ihrer bruſt hab' ichs, wie lebensmilch, geſogen
Das waſſer, das in dieſer bangen nacht
Mein kaum noch glimmend licht von neuem aufgefacht?
Gewiß auch dieſes Mahl, das unſer leben friſtet,
Hat eine heimliche wohlthaͤt'ge hand geruͤſtet.
14.
Wofuͤr, wenn unſer untergehn
Beſchloſſen iſt, wofuͤr waͤr alles dies geſchehn?
Mir ſagt's mein herz, ich glaub's, und fuͤhle was ich glaube,
Die Hand, die uns durch dieſes Dunkel fuͤhrt,
Laͤßt uns dem elend nicht zum raube.
Und wenn die Hoffnung auch den ankergrund verliert,
So laß uns feſt an dieſem glauben halten,
Ein einz'ger augenblik kann alles umgeſtalten!
15. Doch,
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[0188] 12. Was uns ſeit jenem traum, der wiege unſrer liebe Begegnet iſt, iſt's nicht beweis hievon? Nenn, wie du willſt, den Stifter unſrer triebe, Vorſehung, Schikſal, Oberon, Genug, ein Wunder hat dich mir, mich dir gegeben: Ein wunder unſer Bund, ein wunder unſer Leben? Wer fuͤhrt' aus Bagdad unverſehrt Uns aus? Wer hat der flut, die uns verſchlang, gewehrt? 13. Und als wir, ſterbend ſchon, ſo unverhoft den wogen Entrannen, ſprich, wer anders als die Macht Die uns beſchuͤzt, hat uns bisher bedacht? Aus Ihrer bruſt hab' ichs, wie lebensmilch, geſogen Das waſſer, das in dieſer bangen nacht Mein kaum noch glimmend licht von neuem aufgefacht? Gewiß auch dieſes Mahl, das unſer leben friſtet, Hat eine heimliche wohlthaͤt'ge hand geruͤſtet. 14. Wofuͤr, wenn unſer untergehn Beſchloſſen iſt, wofuͤr waͤr alles dies geſchehn? Mir ſagt's mein herz, ich glaub's, und fuͤhle was ich glaube, Die Hand, die uns durch dieſes Dunkel fuͤhrt, Laͤßt uns dem elend nicht zum raube. Und wenn die Hoffnung auch den ankergrund verliert, So laß uns feſt an dieſem glauben halten, Ein einz'ger augenblik kann alles umgeſtalten! 15. Doch,

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Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_oberon_1780/188>, abgerufen am 27.04.2024.