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Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780.

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12.
Drauf geht es mit verhängtem zügel
Auf Bagdad los. Stets denkt er, komt es bald?
Allein da lag noch mancher steile hügel
Und manche wüste und mancher dicke wald
Dazwischen. Und schlimm genug, daß ihm die sprache des landes
So fremd als die von Oc den armen heyden war:
Ist dies der nächste weg nach Bagdad, fragt er zwar
An jedem thor, allein kein mensch verstand es.
13.
Einst traf der weg der eben vor ihm lag
Auf einen wald. Er ritt bey sturm und regen
Bald links bald rechts den ganzen langen tag,
Und mußt oft erst mit seinem degen
Durchs wilde gebüsch sich einen ausgang hau'n.
Er ritt bergan, um freyer umzuschau'n,
Weh ihm! der wald scheint sich von allen seiten,
Je mehr er schaut, je weiter auszubreiten.
14.
Was ganz natürlich war däucht ihm ein zauberspiel.
Wie wird ihm erst, da in so wilden gründen,
Woraus bey hellem tag sich je herauszufinden,
Unmöglich schien, die nacht ihn überfiel?
Sein ungemach erreichte nun den gipfel.
Kein sternchen glimmt durch die verwachsnen wipfel;
Er führt sein pferd so gut er kann am zaum,
Und stößt bey jedem tritt die stirn an einen baum.
15. Die
A 4
12.
Drauf geht es mit verhaͤngtem zuͤgel
Auf Bagdad los. Stets denkt er, komt es bald?
Allein da lag noch mancher ſteile huͤgel
Und manche wuͤſte und mancher dicke wald
Dazwiſchen. Und ſchlimm genug, daß ihm die ſprache des landes
So fremd als die von Oc den armen heyden war:
Iſt dies der naͤchſte weg nach Bagdad, fragt er zwar
An jedem thor, allein kein menſch verſtand es.
13.
Einſt traf der weg der eben vor ihm lag
Auf einen wald. Er ritt bey ſturm und regen
Bald links bald rechts den ganzen langen tag,
Und mußt oft erſt mit ſeinem degen
Durchs wilde gebuͤſch ſich einen ausgang hau'n.
Er ritt bergan, um freyer umzuſchau'n,
Weh ihm! der wald ſcheint ſich von allen ſeiten,
Je mehr er ſchaut, je weiter auszubreiten.
14.
Was ganz natuͤrlich war daͤucht ihm ein zauberſpiel.
Wie wird ihm erſt, da in ſo wilden gruͤnden,
Woraus bey hellem tag ſich je herauszufinden,
Unmoͤglich ſchien, die nacht ihn uͤberfiel?
Sein ungemach erreichte nun den gipfel.
Kein ſternchen glimmt durch die verwachſnen wipfel;
Er fuͤhrt ſein pferd ſo gut er kann am zaum,
Und ſtoͤßt bey jedem tritt die ſtirn an einen baum.
15. Die
A 4
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[0013] 12. Drauf geht es mit verhaͤngtem zuͤgel Auf Bagdad los. Stets denkt er, komt es bald? Allein da lag noch mancher ſteile huͤgel Und manche wuͤſte und mancher dicke wald Dazwiſchen. Und ſchlimm genug, daß ihm die ſprache des landes So fremd als die von Oc den armen heyden war: Iſt dies der naͤchſte weg nach Bagdad, fragt er zwar An jedem thor, allein kein menſch verſtand es. 13. Einſt traf der weg der eben vor ihm lag Auf einen wald. Er ritt bey ſturm und regen Bald links bald rechts den ganzen langen tag, Und mußt oft erſt mit ſeinem degen Durchs wilde gebuͤſch ſich einen ausgang hau'n. Er ritt bergan, um freyer umzuſchau'n, Weh ihm! der wald ſcheint ſich von allen ſeiten, Je mehr er ſchaut, je weiter auszubreiten. 14. Was ganz natuͤrlich war daͤucht ihm ein zauberſpiel. Wie wird ihm erſt, da in ſo wilden gruͤnden, Woraus bey hellem tag ſich je herauszufinden, Unmoͤglich ſchien, die nacht ihn uͤberfiel? Sein ungemach erreichte nun den gipfel. Kein ſternchen glimmt durch die verwachſnen wipfel; Er fuͤhrt ſein pferd ſo gut er kann am zaum, Und ſtoͤßt bey jedem tritt die ſtirn an einen baum. 15. Die A 4

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Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_oberon_1780/13>, abgerufen am 26.04.2024.