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Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780.

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5.
Der treue Alte sieht dem Prinzen in die augen,
Wiegt seinen grauen kopf, und nähme gar zu gern
Die freyheit, seinen jungen Herrn
Mit etwas scharfem salz für diese list zu laugen.
Doch hält er sich. Das kästchen, meynt er zwar,
Hätt' ohne übelstand noch immer warten mögen,
Bis Hüon selbst im stande war,
Dem Kayser in person die rechnung abzulegen.
6.
Indessen, da sein fürst und freund darauf besteht,
Was kann er thun als sich zum abschied anzuschicken?
Er küßt Amandens hand, umarmt mit nassen blicken
Den werthen Fürstensohn, den seine gegenwart
Noch kaum erfreut' und nun begann zu drücken,
Und thränen tröpfeln ihm in seinen grauen bart.
Herr, ruft er, bester Herr, Gott laß euchs wohl ergehen,
Und mögen wir uns bald und fröhlich wiedersehen!
7.
Dem Ritter schlug sein herz, da zwischen seinem freund
Und ihm die offne see stets weiter sich verbreitet.
Was that ich? ach! wozu hat raschheit mich verleitet?
Wo hat mit seinem Herrn ein mann es je gemeynt.
Wie dieser mann? wie hielt er in gefahren
So treulich bey mir aus! O daß ich es zu spat
Bedacht! wer hilft mir nun mit rath und that?
Und wer in zukunft wird mich vor mir selbst bewahren?
8. So
5.
Der treue Alte ſieht dem Prinzen in die augen,
Wiegt ſeinen grauen kopf, und naͤhme gar zu gern
Die freyheit, ſeinen jungen Herrn
Mit etwas ſcharfem ſalz fuͤr dieſe liſt zu laugen.
Doch haͤlt er ſich. Das kaͤſtchen, meynt er zwar,
Haͤtt' ohne uͤbelſtand noch immer warten moͤgen,
Bis Huͤon ſelbſt im ſtande war,
Dem Kayſer in perſon die rechnung abzulegen.
6.
Indeſſen, da ſein fuͤrſt und freund darauf beſteht,
Was kann er thun als ſich zum abſchied anzuſchicken?
Er kuͤßt Amandens hand, umarmt mit naſſen blicken
Den werthen Fuͤrſtenſohn, den ſeine gegenwart
Noch kaum erfreut' und nun begann zu druͤcken,
Und thraͤnen troͤpfeln ihm in ſeinen grauen bart.
Herr, ruft er, beſter Herr, Gott laß euchs wohl ergehen,
Und moͤgen wir uns bald und froͤhlich wiederſehen!
7.
Dem Ritter ſchlug ſein herz, da zwiſchen ſeinem freund
Und ihm die offne ſee ſtets weiter ſich verbreitet.
Was that ich? ach! wozu hat raſchheit mich verleitet?
Wo hat mit ſeinem Herrn ein mann es je gemeynt.
Wie dieſer mann? wie hielt er in gefahren
So treulich bey mir aus! O daß ich es zu ſpat
Bedacht! wer hilft mir nun mit rath und that?
Und wer in zukunft wird mich vor mir ſelbſt bewahren?
8. So
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[0165] 5. Der treue Alte ſieht dem Prinzen in die augen, Wiegt ſeinen grauen kopf, und naͤhme gar zu gern Die freyheit, ſeinen jungen Herrn Mit etwas ſcharfem ſalz fuͤr dieſe liſt zu laugen. Doch haͤlt er ſich. Das kaͤſtchen, meynt er zwar, Haͤtt' ohne uͤbelſtand noch immer warten moͤgen, Bis Huͤon ſelbſt im ſtande war, Dem Kayſer in perſon die rechnung abzulegen. 6. Indeſſen, da ſein fuͤrſt und freund darauf beſteht, Was kann er thun als ſich zum abſchied anzuſchicken? Er kuͤßt Amandens hand, umarmt mit naſſen blicken Den werthen Fuͤrſtenſohn, den ſeine gegenwart Noch kaum erfreut' und nun begann zu druͤcken, Und thraͤnen troͤpfeln ihm in ſeinen grauen bart. Herr, ruft er, beſter Herr, Gott laß euchs wohl ergehen, Und moͤgen wir uns bald und froͤhlich wiederſehen! 7. Dem Ritter ſchlug ſein herz, da zwiſchen ſeinem freund Und ihm die offne ſee ſtets weiter ſich verbreitet. Was that ich? ach! wozu hat raſchheit mich verleitet? Wo hat mit ſeinem Herrn ein mann es je gemeynt. Wie dieſer mann? wie hielt er in gefahren So treulich bey mir aus! O daß ich es zu ſpat Bedacht! wer hilft mir nun mit rath und that? Und wer in zukunft wird mich vor mir ſelbſt bewahren? 8. So

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Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_oberon_1780/165>, abgerufen am 30.04.2024.