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Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780.

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36.
Da steht er nun am fuß der aufgebirgten zacken!
Sie liegen vor ihm da, wie trümmern einer Welt,
Ein Chaos ausgebrannter schlacken,
In die ein Feuerberg zulezt zusammenfällt,
Mit felsen untermischt, die, tausendfach gebrochen,
In wilder ungeheurer pracht,
Bald tief bis ins gebiet der alten finstern nacht
Herunter dräun, bald in die wolken pochen.
37.
Hier bahnet nur Verzweiflung einen weg!
Oft muß er felsenan sich mit den händen winden,
Oft, zwischen schwindlicht tiefen schlünden,
Macht er, den gemsen gleich, die klippen sich zum steg.
Bald auf dem schmalsten pfad verrammeln felsenstücke
Ihm weg und licht, er muß, so müd' er ist, zurücke,
Bald wehrt allein ein strauch, den mit zerrißner hand
Er fallend noch ergreift, den sturz von einer Wand.
38.
Wenn seine kraft ihn fast verlassen will,
Ruft die entflohnen lebensgeister
Amandens Bild zurück. Schwerathmend steht er still,
Und denkt an sie, und fühlt sich neuer kräfte meister.
Es bleibt nicht unbelohnt, dein ächtes Heldenherz!
Allmählich ebnet sich der pfad vor seinen tritten,
Und gegen das was er bereits erstritten
Ist, was zu kämpfen ihm noch übrig ist, nur scherz.
39. Er-
36.
Da ſteht er nun am fuß der aufgebirgten zacken!
Sie liegen vor ihm da, wie truͤmmern einer Welt,
Ein Chaos ausgebrannter ſchlacken,
In die ein Feuerberg zulezt zuſammenfaͤllt,
Mit felſen untermiſcht, die, tauſendfach gebrochen,
In wilder ungeheurer pracht,
Bald tief bis ins gebiet der alten finſtern nacht
Herunter draͤun, bald in die wolken pochen.
37.
Hier bahnet nur Verzweiflung einen weg!
Oft muß er felſenan ſich mit den haͤnden winden,
Oft, zwiſchen ſchwindlicht tiefen ſchluͤnden,
Macht er, den gemſen gleich, die klippen ſich zum ſteg.
Bald auf dem ſchmalſten pfad verrammeln felſenſtuͤcke
Ihm weg und licht, er muß, ſo muͤd' er iſt, zuruͤcke,
Bald wehrt allein ein ſtrauch, den mit zerrißner hand
Er fallend noch ergreift, den ſturz von einer Wand.
38.
Wenn ſeine kraft ihn faſt verlaſſen will,
Ruft die entflohnen lebensgeiſter
Amandens Bild zuruͤck. Schwerathmend ſteht er ſtill,
Und denkt an ſie, und fuͤhlt ſich neuer kraͤfte meiſter.
Es bleibt nicht unbelohnt, dein aͤchtes Heldenherz!
Allmaͤhlich ebnet ſich der pfad vor ſeinen tritten,
Und gegen das was er bereits erſtritten
Iſt, was zu kaͤmpfen ihm noch uͤbrig iſt, nur ſcherz.
39. Er-
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[0196] 36. Da ſteht er nun am fuß der aufgebirgten zacken! Sie liegen vor ihm da, wie truͤmmern einer Welt, Ein Chaos ausgebrannter ſchlacken, In die ein Feuerberg zulezt zuſammenfaͤllt, Mit felſen untermiſcht, die, tauſendfach gebrochen, In wilder ungeheurer pracht, Bald tief bis ins gebiet der alten finſtern nacht Herunter draͤun, bald in die wolken pochen. 37. Hier bahnet nur Verzweiflung einen weg! Oft muß er felſenan ſich mit den haͤnden winden, Oft, zwiſchen ſchwindlicht tiefen ſchluͤnden, Macht er, den gemſen gleich, die klippen ſich zum ſteg. Bald auf dem ſchmalſten pfad verrammeln felſenſtuͤcke Ihm weg und licht, er muß, ſo muͤd' er iſt, zuruͤcke, Bald wehrt allein ein ſtrauch, den mit zerrißner hand Er fallend noch ergreift, den ſturz von einer Wand. 38. Wenn ſeine kraft ihn faſt verlaſſen will, Ruft die entflohnen lebensgeiſter Amandens Bild zuruͤck. Schwerathmend ſteht er ſtill, Und denkt an ſie, und fuͤhlt ſich neuer kraͤfte meiſter. Es bleibt nicht unbelohnt, dein aͤchtes Heldenherz! Allmaͤhlich ebnet ſich der pfad vor ſeinen tritten, Und gegen das was er bereits erſtritten Iſt, was zu kaͤmpfen ihm noch uͤbrig iſt, nur ſcherz. 39. Er-

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Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_oberon_1780/196>, abgerufen am 05.05.2024.