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Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780.

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24.
Drauf, als sie schamhaft sich in alle ihre schleyer
Gewickelt, lügt sie, mit dem ton
Der unschuld selbst, ein falsches abenteuer:
Wie dieser schändliche verkappte Christensohn,
Da ihr die lust im kühlen sich zu waschen
Gekommen, sich erfrecht sie hier zu überraschen,
Und wie sie mit gewalt sich seiner kaum erwehrt,
Als ihn, zu größtem glük, der Sultan noch gestört.
25.
Um von dem häßlichen verbrechen,
Deß er beschuldigt wird, den Ritter loszusprechen,
Bedurft's nur Einen unbefangnen blik;
Doch seinem Richter fehlt auch dieser einzge blik.
Der Held verachtet es, mit einer Frauen schande
Sich selbst vom tode zu befreyn;
Er schmiegt den edeln Arm in unverdiente bande,
Und hüllet schweigend sich in sein bewußtseyn ein.
26.
Der Sultan, den sein Unmut zum verdammen
Noch rascher macht, bleibt dumpf und ungerührt.
Der Frefler werd' in ketten weggeführt,
(Herrscht er den sclaven zu, die sein befehl zusammen
Gerufen) werfet ihn in eine finstre gruft;
Und morgen früh, sobald vom thurm der Iman ruft,
Werd' er, im äußern hof, ein raub ergrimmter flammen,
Und seine asche streut mit flüchen in die luft!
27. Der
24.
Drauf, als ſie ſchamhaft ſich in alle ihre ſchleyer
Gewickelt, luͤgt ſie, mit dem ton
Der unſchuld ſelbſt, ein falſches abenteuer:
Wie dieſer ſchaͤndliche verkappte Chriſtenſohn,
Da ihr die luſt im kuͤhlen ſich zu waſchen
Gekommen, ſich erfrecht ſie hier zu uͤberraſchen,
Und wie ſie mit gewalt ſich ſeiner kaum erwehrt,
Als ihn, zu groͤßtem gluͤk, der Sultan noch geſtoͤrt.
25.
Um von dem haͤßlichen verbrechen,
Deß er beſchuldigt wird, den Ritter loszuſprechen,
Bedurft's nur Einen unbefangnen blik;
Doch ſeinem Richter fehlt auch dieſer einzge blik.
Der Held verachtet es, mit einer Frauen ſchande
Sich ſelbſt vom tode zu befreyn;
Er ſchmiegt den edeln Arm in unverdiente bande,
Und huͤllet ſchweigend ſich in ſein bewußtſeyn ein.
26.
Der Sultan, den ſein Unmut zum verdammen
Noch raſcher macht, bleibt dumpf und ungeruͤhrt.
Der Frefler werd' in ketten weggefuͤhrt,
(Herrſcht er den ſclaven zu, die ſein befehl zuſammen
Gerufen) werfet ihn in eine finſtre gruft;
Und morgen fruͤh, ſobald vom thurm der Iman ruft,
Werd' er, im aͤußern hof, ein raub ergrimmter flammen,
Und ſeine aſche ſtreut mit fluͤchen in die luft!
27. Der
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[0296] 24. Drauf, als ſie ſchamhaft ſich in alle ihre ſchleyer Gewickelt, luͤgt ſie, mit dem ton Der unſchuld ſelbſt, ein falſches abenteuer: Wie dieſer ſchaͤndliche verkappte Chriſtenſohn, Da ihr die luſt im kuͤhlen ſich zu waſchen Gekommen, ſich erfrecht ſie hier zu uͤberraſchen, Und wie ſie mit gewalt ſich ſeiner kaum erwehrt, Als ihn, zu groͤßtem gluͤk, der Sultan noch geſtoͤrt. 25. Um von dem haͤßlichen verbrechen, Deß er beſchuldigt wird, den Ritter loszuſprechen, Bedurft's nur Einen unbefangnen blik; Doch ſeinem Richter fehlt auch dieſer einzge blik. Der Held verachtet es, mit einer Frauen ſchande Sich ſelbſt vom tode zu befreyn; Er ſchmiegt den edeln Arm in unverdiente bande, Und huͤllet ſchweigend ſich in ſein bewußtſeyn ein. 26. Der Sultan, den ſein Unmut zum verdammen Noch raſcher macht, bleibt dumpf und ungeruͤhrt. Der Frefler werd' in ketten weggefuͤhrt, (Herrſcht er den ſclaven zu, die ſein befehl zuſammen Gerufen) werfet ihn in eine finſtre gruft; Und morgen fruͤh, ſobald vom thurm der Iman ruft, Werd' er, im aͤußern hof, ein raub ergrimmter flammen, Und ſeine aſche ſtreut mit fluͤchen in die luft! 27. Der

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Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_oberon_1780/296>, abgerufen am 14.05.2024.