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Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780.

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18.
Bey diesem worte springt der Ritter, angeweht
Von frischem mut empor, als hätt' ihm nichts geträumet.
Der morgenluft entgegenwiehernd steht
Sein Klepper schon gesattelt und gezäumet.
Er schwingt sich auf, und wie er aus dem feld
Zurücke schaut, verschwunden ist das zelt;
In einem wink erhob sichs aus dem rasen,
In einem wink war alles weggeblasen.
19.
Sie zogen nun dem lauf des hohen Eufrats nach,
Von palmen und gebüsch vorm sonnenstral geborgen,
Durchs schönste land der welt; stillschweigend; keiner sprach
Ein wort, wiewol's an stoff zum reden nicht gebrach;
Denn jeder war vertieft in andre Sorgen.
Die reine luft, der angenehme morgen,
Der vögel lustgesang, des stromes stiller lauf,
Wekt beyder fantasey aus leisem schlummer auf.
20.
Der Ritter sieht in ihrem zauberspiegel
Nichts sehenswerth, als das geliebte bild.
Er mahlt die Göttin sich auf seinen blanken schild,
Erklimt auf ihrer spur des Taurus schrofsten hügel
Steigt, sie erfragend, bis in Merlins furchtbars grab,
Bekämpft die Hünen und die Drachen,
Die um das schloß, worinn sie schmachtet, wachen,
Und kämpfte sie der ganzen hölle ab.
21. In-
18.
Bey dieſem worte ſpringt der Ritter, angeweht
Von friſchem mut empor, als haͤtt' ihm nichts getraͤumet.
Der morgenluft entgegenwiehernd ſteht
Sein Klepper ſchon geſattelt und gezaͤumet.
Er ſchwingt ſich auf, und wie er aus dem feld
Zuruͤcke ſchaut, verſchwunden iſt das zelt;
In einem wink erhob ſichs aus dem raſen,
In einem wink war alles weggeblaſen.
19.
Sie zogen nun dem lauf des hohen Eufrats nach,
Von palmen und gebuͤſch vorm ſonnenſtral geborgen,
Durchs ſchoͤnſte land der welt; ſtillſchweigend; keiner ſprach
Ein wort, wiewol's an ſtoff zum reden nicht gebrach;
Denn jeder war vertieft in andre Sorgen.
Die reine luft, der angenehme morgen,
Der voͤgel luſtgeſang, des ſtromes ſtiller lauf,
Wekt beyder fantaſey aus leiſem ſchlummer auf.
20.
Der Ritter ſieht in ihrem zauberſpiegel
Nichts ſehenswerth, als das geliebte bild.
Er mahlt die Goͤttin ſich auf ſeinen blanken ſchild,
Erklimt auf ihrer ſpur des Taurus ſchrofſten huͤgel
Steigt, ſie erfragend, bis in Merlins furchtbars grab,
Bekaͤmpft die Huͤnen und die Drachen,
Die um das ſchloß, worinn ſie ſchmachtet, wachen,
Und kaͤmpfte ſie der ganzen hoͤlle ab.
21. In-
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[0082] 18. Bey dieſem worte ſpringt der Ritter, angeweht Von friſchem mut empor, als haͤtt' ihm nichts getraͤumet. Der morgenluft entgegenwiehernd ſteht Sein Klepper ſchon geſattelt und gezaͤumet. Er ſchwingt ſich auf, und wie er aus dem feld Zuruͤcke ſchaut, verſchwunden iſt das zelt; In einem wink erhob ſichs aus dem raſen, In einem wink war alles weggeblaſen. 19. Sie zogen nun dem lauf des hohen Eufrats nach, Von palmen und gebuͤſch vorm ſonnenſtral geborgen, Durchs ſchoͤnſte land der welt; ſtillſchweigend; keiner ſprach Ein wort, wiewol's an ſtoff zum reden nicht gebrach; Denn jeder war vertieft in andre Sorgen. Die reine luft, der angenehme morgen, Der voͤgel luſtgeſang, des ſtromes ſtiller lauf, Wekt beyder fantaſey aus leiſem ſchlummer auf. 20. Der Ritter ſieht in ihrem zauberſpiegel Nichts ſehenswerth, als das geliebte bild. Er mahlt die Goͤttin ſich auf ſeinen blanken ſchild, Erklimt auf ihrer ſpur des Taurus ſchrofſten huͤgel Steigt, ſie erfragend, bis in Merlins furchtbars grab, Bekaͤmpft die Huͤnen und die Drachen, Die um das ſchloß, worinn ſie ſchmachtet, wachen, Und kaͤmpfte ſie der ganzen hoͤlle ab. 21. In-

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Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_oberon_1780/82>, abgerufen am 29.04.2024.