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Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780.

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63.
Zum glück, daß Oberon das beste schon versah.
Das hauptwerk ist doch wohl dem hasen
Von bräutigam das Fräulein wegzublasen;
Und dazu hilft die schöne Rezia
Gewiß uns selbst, sobald sie von der Alten
Berichtet ist, das gelbe haar sey da.
Mir liegt indessen ob, zween frische klepper, nah
Beym garten des Serails, zur flucht bereit zu halten.
64.
Herr Scherasmin (versezt der Ritter) wie es scheint
Entfiel euch, daß ich Karln mein ehrenwort gegeben,
Dem, was er mir gebot, buchstäblich nachzuleben?
Da geht kein Jot davon, mein guter freund!
Was draus entstehen kann, das mag daraus entstehen!
Mir ziemt es nicht so was vorauszusehen.
Im fall der noth (erwiedert Scherasmin)
Muß doch zulezt der Zwerg uns aus dem wasser ziehn.
65.
Allmählich schlummerte der Alte unter diesen
Gesprächen ein. Von Hüons augen bleibt
Der süße schlaf die nacht hindurch verwiesen.
Gleich einem kahn auf hohen wogen, treibt
Sein ahnend herz mit ungeduldgem schwanken
Auf ungestüm sich wälzenden gedanken:
So nah dem port; so nah, und doch so weit!
Es ist ein augenblik, und däucht ihm Ewigkeit.
Oberon
63.
Zum gluͤck, daß Oberon das beſte ſchon verſah.
Das hauptwerk iſt doch wohl dem haſen
Von braͤutigam das Fraͤulein wegzublaſen;
Und dazu hilft die ſchoͤne Rezia
Gewiß uns ſelbſt, ſobald ſie von der Alten
Berichtet iſt, das gelbe haar ſey da.
Mir liegt indeſſen ob, zween friſche klepper, nah
Beym garten des Serails, zur flucht bereit zu halten.
64.
Herr Scherasmin (verſezt der Ritter) wie es ſcheint
Entfiel euch, daß ich Karln mein ehrenwort gegeben,
Dem, was er mir gebot, buchſtaͤblich nachzuleben?
Da geht kein Jot davon, mein guter freund!
Was draus entſtehen kann, das mag daraus entſtehen!
Mir ziemt es nicht ſo was vorauszuſehen.
Im fall der noth (erwiedert Scherasmin)
Muß doch zulezt der Zwerg uns aus dem waſſer ziehn.
65.
Allmaͤhlich ſchlummerte der Alte unter dieſen
Geſpraͤchen ein. Von Huͤons augen bleibt
Der ſuͤße ſchlaf die nacht hindurch verwieſen.
Gleich einem kahn auf hohen wogen, treibt
Sein ahnend herz mit ungeduldgem ſchwanken
Auf ungeſtuͤm ſich waͤlzenden gedanken:
So nah dem port; ſo nah, und doch ſo weit!
Es iſt ein augenblik, und daͤucht ihm Ewigkeit.
Oberon
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[0097] 63. Zum gluͤck, daß Oberon das beſte ſchon verſah. Das hauptwerk iſt doch wohl dem haſen Von braͤutigam das Fraͤulein wegzublaſen; Und dazu hilft die ſchoͤne Rezia Gewiß uns ſelbſt, ſobald ſie von der Alten Berichtet iſt, das gelbe haar ſey da. Mir liegt indeſſen ob, zween friſche klepper, nah Beym garten des Serails, zur flucht bereit zu halten. 64. Herr Scherasmin (verſezt der Ritter) wie es ſcheint Entfiel euch, daß ich Karln mein ehrenwort gegeben, Dem, was er mir gebot, buchſtaͤblich nachzuleben? Da geht kein Jot davon, mein guter freund! Was draus entſtehen kann, das mag daraus entſtehen! Mir ziemt es nicht ſo was vorauszuſehen. Im fall der noth (erwiedert Scherasmin) Muß doch zulezt der Zwerg uns aus dem waſſer ziehn. 65. Allmaͤhlich ſchlummerte der Alte unter dieſen Geſpraͤchen ein. Von Huͤons augen bleibt Der ſuͤße ſchlaf die nacht hindurch verwieſen. Gleich einem kahn auf hohen wogen, treibt Sein ahnend herz mit ungeduldgem ſchwanken Auf ungeſtuͤm ſich waͤlzenden gedanken: So nah dem port; ſo nah, und doch ſo weit! Es iſt ein augenblik, und daͤucht ihm Ewigkeit. Oberon

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Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_oberon_1780/97>, abgerufen am 28.04.2024.