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Wild, Hermine [d. i. Adele Wesemael]: Eure Wege sind nicht meine Wege. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 22. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–210. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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diente, ihre unbeschreibliche Anmuth noch zu erhöhen. Glückselig und hold lächelte sie ihm entgegen, als er endlich über die Schwelle trat.

Sind Sie zufrieden? Habe ich es diesmal recht gemacht?

Er schloß sie an sich; es war unmöglich, ihr zu widerstehen. Sie lächelte und wollte sich losmachen, doch er hielt sie fest und zog sie zu sich nieder, indem er sich setzte.

Habe ich es recht gemacht? wiederholte sie mit der lieblichen Einfachheit eines Kindes.

Er sah sie mit leuchtenden Augen an.

Es sollte immer so sein, sagte er.

Doch ist es süß, wann immer es auch ist!

Er schwieg, sie lehnte den Kopf an seine Schulter und sah unter den langen Wimpern zärtlich und neckisch zu ihm auf.

Undankbarer! sagte sie, mit dem Finger drohend.

Du weißt nicht, was es für einen Mann heißt, das Weib, das er liebt, im Besitz eines Andern zu sehen, versetzte er fast düster und strich ihr die goldig glänzenden Haare aus der Stirn, während er tief in die dunklen, strahlenden Augen sah.

Aber ein Ehemann ist ja doch eine Person, der man einige Rücksicht schuldig ist, sagte sie mit angenommener Gravität.

Wäre das Liebe, die sich solcher Rücksicht fügte?

Ihr Lächeln war bezaubernd, und sie legte den Kopf, den sie so eben erhoben, von Neuem an seine Brust.

Aber nur dich lieb ich ja, und du weißt es wohl, sagte sie.

Er fing die Worte auf ihren Lippen auf.

O, sag es wieder, flehte er.

Mein Louis, mein Glück, meine einzige, erste, letzte, süße, selige Liebe! flüsterte sie.

Und dein Mann?

diente, ihre unbeschreibliche Anmuth noch zu erhöhen. Glückselig und hold lächelte sie ihm entgegen, als er endlich über die Schwelle trat.

Sind Sie zufrieden? Habe ich es diesmal recht gemacht?

Er schloß sie an sich; es war unmöglich, ihr zu widerstehen. Sie lächelte und wollte sich losmachen, doch er hielt sie fest und zog sie zu sich nieder, indem er sich setzte.

Habe ich es recht gemacht? wiederholte sie mit der lieblichen Einfachheit eines Kindes.

Er sah sie mit leuchtenden Augen an.

Es sollte immer so sein, sagte er.

Doch ist es süß, wann immer es auch ist!

Er schwieg, sie lehnte den Kopf an seine Schulter und sah unter den langen Wimpern zärtlich und neckisch zu ihm auf.

Undankbarer! sagte sie, mit dem Finger drohend.

Du weißt nicht, was es für einen Mann heißt, das Weib, das er liebt, im Besitz eines Andern zu sehen, versetzte er fast düster und strich ihr die goldig glänzenden Haare aus der Stirn, während er tief in die dunklen, strahlenden Augen sah.

Aber ein Ehemann ist ja doch eine Person, der man einige Rücksicht schuldig ist, sagte sie mit angenommener Gravität.

Wäre das Liebe, die sich solcher Rücksicht fügte?

Ihr Lächeln war bezaubernd, und sie legte den Kopf, den sie so eben erhoben, von Neuem an seine Brust.

Aber nur dich lieb ich ja, und du weißt es wohl, sagte sie.

Er fing die Worte auf ihren Lippen auf.

O, sag es wieder, flehte er.

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[0145] diente, ihre unbeschreibliche Anmuth noch zu erhöhen. Glückselig und hold lächelte sie ihm entgegen, als er endlich über die Schwelle trat. Sind Sie zufrieden? Habe ich es diesmal recht gemacht? Er schloß sie an sich; es war unmöglich, ihr zu widerstehen. Sie lächelte und wollte sich losmachen, doch er hielt sie fest und zog sie zu sich nieder, indem er sich setzte. Habe ich es recht gemacht? wiederholte sie mit der lieblichen Einfachheit eines Kindes. Er sah sie mit leuchtenden Augen an. Es sollte immer so sein, sagte er. Doch ist es süß, wann immer es auch ist! Er schwieg, sie lehnte den Kopf an seine Schulter und sah unter den langen Wimpern zärtlich und neckisch zu ihm auf. Undankbarer! sagte sie, mit dem Finger drohend. Du weißt nicht, was es für einen Mann heißt, das Weib, das er liebt, im Besitz eines Andern zu sehen, versetzte er fast düster und strich ihr die goldig glänzenden Haare aus der Stirn, während er tief in die dunklen, strahlenden Augen sah. Aber ein Ehemann ist ja doch eine Person, der man einige Rücksicht schuldig ist, sagte sie mit angenommener Gravität. Wäre das Liebe, die sich solcher Rücksicht fügte? Ihr Lächeln war bezaubernd, und sie legte den Kopf, den sie so eben erhoben, von Neuem an seine Brust. Aber nur dich lieb ich ja, und du weißt es wohl, sagte sie. Er fing die Worte auf ihren Lippen auf. O, sag es wieder, flehte er. Mein Louis, mein Glück, meine einzige, erste, letzte, süße, selige Liebe! flüsterte sie. Und dein Mann?

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Zitationshilfe: Wild, Hermine [d. i. Adele Wesemael]: Eure Wege sind nicht meine Wege. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 22. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–210. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wild_wege_1910/145>, abgerufen am 29.04.2024.