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Wild, Hermine [d. i. Adele Wesemael]: Eure Wege sind nicht meine Wege. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 22. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–210. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Nein, versetzte dieser, und seine Stimme bebte leicht, das Ungewisse und Schwankende zieht mich nicht an, und mit der Zeit stößt es mich sogar ab.

Sie fühlte die Antwort in allen Fasern ihres Herzens und wagte es nicht, den bittenden Blick zu ihm zu erheben, denn ihres Vaters Augen lagen noch immer auf ihr.

Louis schickte sich zum Gehen an.

Ich werde Sie begleiten, sagte der alte Graf freundlich zu ihm. Auf der Treppe hing er sich, was er früher noch nie gethan, in seinen Arm.

Sie müssen Nachsicht haben mit einem alten Manne, der eben das Loos des Alters theilt, sagte er mit mehr als gewöhnlicher Freundlichkeit. Wissen Sie, fuhr er nach einer kleinen Pause fort, daß Sie ihrem Vater sehr ähnlich sehen? Er möchte nicht viel älter sein, als Sie, da ich ihn kennen lernte. Aber auch Ihre Mutter hat die Natur bei Ihnen nicht vergessen. Sie war eine sehr edle Frau.

Sie haben auch meine Mutter gekannt? frug Louis, plötzlich sehr bewegt.

Ja, Herr Marquis. Niemand hat sie besser gekannt; aber ich war jung, und mein Auge war damals geschlossen für solchen Werth, sonst wäre Vieles anders gekommen. Ihre Mutter wenigstens hätte ein besseres Los verdient.

Louis schwieg. Sie waren an den Wagen gekommen. Machen Sie mir das Vergnügen, mich zu begleiten, sagte der Graf, ich setze Sie bei Ihrer Wohnung ab. -- Und mit tieferregtem Interesse, aber doch voll scheuer Zurückhaltung nahm der junge Mann an seiner Seite Platz.

Sehen Sie, Herr Marquis, fuhr der alte Graf zu reden fort, Ihr Vater war ein liebenswürdiger Mann; böse Beispiele haben ihn vielleicht mehr auf falsche Wege geführt, als sein eigenes Herz.

Es war das erste Mal, das Louis entschuldigende

Nein, versetzte dieser, und seine Stimme bebte leicht, das Ungewisse und Schwankende zieht mich nicht an, und mit der Zeit stößt es mich sogar ab.

Sie fühlte die Antwort in allen Fasern ihres Herzens und wagte es nicht, den bittenden Blick zu ihm zu erheben, denn ihres Vaters Augen lagen noch immer auf ihr.

Louis schickte sich zum Gehen an.

Ich werde Sie begleiten, sagte der alte Graf freundlich zu ihm. Auf der Treppe hing er sich, was er früher noch nie gethan, in seinen Arm.

Sie müssen Nachsicht haben mit einem alten Manne, der eben das Loos des Alters theilt, sagte er mit mehr als gewöhnlicher Freundlichkeit. Wissen Sie, fuhr er nach einer kleinen Pause fort, daß Sie ihrem Vater sehr ähnlich sehen? Er möchte nicht viel älter sein, als Sie, da ich ihn kennen lernte. Aber auch Ihre Mutter hat die Natur bei Ihnen nicht vergessen. Sie war eine sehr edle Frau.

Sie haben auch meine Mutter gekannt? frug Louis, plötzlich sehr bewegt.

Ja, Herr Marquis. Niemand hat sie besser gekannt; aber ich war jung, und mein Auge war damals geschlossen für solchen Werth, sonst wäre Vieles anders gekommen. Ihre Mutter wenigstens hätte ein besseres Los verdient.

Louis schwieg. Sie waren an den Wagen gekommen. Machen Sie mir das Vergnügen, mich zu begleiten, sagte der Graf, ich setze Sie bei Ihrer Wohnung ab. — Und mit tieferregtem Interesse, aber doch voll scheuer Zurückhaltung nahm der junge Mann an seiner Seite Platz.

Sehen Sie, Herr Marquis, fuhr der alte Graf zu reden fort, Ihr Vater war ein liebenswürdiger Mann; böse Beispiele haben ihn vielleicht mehr auf falsche Wege geführt, als sein eigenes Herz.

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[0168] Nein, versetzte dieser, und seine Stimme bebte leicht, das Ungewisse und Schwankende zieht mich nicht an, und mit der Zeit stößt es mich sogar ab. Sie fühlte die Antwort in allen Fasern ihres Herzens und wagte es nicht, den bittenden Blick zu ihm zu erheben, denn ihres Vaters Augen lagen noch immer auf ihr. Louis schickte sich zum Gehen an. Ich werde Sie begleiten, sagte der alte Graf freundlich zu ihm. Auf der Treppe hing er sich, was er früher noch nie gethan, in seinen Arm. Sie müssen Nachsicht haben mit einem alten Manne, der eben das Loos des Alters theilt, sagte er mit mehr als gewöhnlicher Freundlichkeit. Wissen Sie, fuhr er nach einer kleinen Pause fort, daß Sie ihrem Vater sehr ähnlich sehen? Er möchte nicht viel älter sein, als Sie, da ich ihn kennen lernte. Aber auch Ihre Mutter hat die Natur bei Ihnen nicht vergessen. Sie war eine sehr edle Frau. Sie haben auch meine Mutter gekannt? frug Louis, plötzlich sehr bewegt. Ja, Herr Marquis. Niemand hat sie besser gekannt; aber ich war jung, und mein Auge war damals geschlossen für solchen Werth, sonst wäre Vieles anders gekommen. Ihre Mutter wenigstens hätte ein besseres Los verdient. Louis schwieg. Sie waren an den Wagen gekommen. Machen Sie mir das Vergnügen, mich zu begleiten, sagte der Graf, ich setze Sie bei Ihrer Wohnung ab. — Und mit tieferregtem Interesse, aber doch voll scheuer Zurückhaltung nahm der junge Mann an seiner Seite Platz. Sehen Sie, Herr Marquis, fuhr der alte Graf zu reden fort, Ihr Vater war ein liebenswürdiger Mann; böse Beispiele haben ihn vielleicht mehr auf falsche Wege geführt, als sein eigenes Herz. Es war das erste Mal, das Louis entschuldigende

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Zitationshilfe: Wild, Hermine [d. i. Adele Wesemael]: Eure Wege sind nicht meine Wege. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 22. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–210. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wild_wege_1910/168>, abgerufen am 29.04.2024.