Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wild, Hermine [d. i. Adele Wesemael]: Eure Wege sind nicht meine Wege. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 22. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–210. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

Wir sprachen soeben davon, daß Sie meine Frau in S. besuchen sollten. Sie wird ihren Vater dahin begleiten, weil ich verreisen muß.

Louis sah mit einem ungewissen Blick von dem Gatten auf den Vater und antwortete nicht.

Was sagen Sie zu deinem Plane? sagte der alte Graf, der ihn prüfend ansah.

Der Marquis schlug die Augen nieder und erröthete: Ich weiß nicht -- versetzte er mit unsicherer Stimme. Die Möglichkeit, nach so langer Entfremdung mit dem Weibe, das er liebte, unter Einem Dache zu sein, hatte etwas wahrhaft Berauschendes für ihn.

Leonie war hinter das Ruhebett getreten, auf welchem ihr Vater lag. Sie war ungewöhnlich bleich, der Gedanke an diese Reise stillte ihr Herz mit einem Entsetzen, für das sie weder Worte noch Namen fand. Sie traute sich nicht, die Augen aufzuschlagen, ein Spiegel hing ihr gegenüber und konnte sie verrathen, und doch mußte etwas zu ihrer Erlösung geschehen.

Der Herr Marquis sagte mir, daß er die Stadt diesen Sommer nicht verlassen will, sagte sie, während sie innerlich nach Fassung rang.

Louis schwieg.

Ist das ein so fester Entschluß? frug der alte Graf, und in seinem Tone klang es wie Ironie.

Ich weiß nicht, erwiderte Louis zögernd, es hängt nicht von mir ab -- Sie wissen, ich bin nicht frei.

Sie werden immer am besten thun das Beste zu thun -- und das Klügste ist es auch, sagte der alte Graf und betonte scharf ein jedes Wort.

Leonie stand wie auf Kohlen. Sie nahm ihres Mannes Arm und ging mit ihm im Zimmer auf und ab.

Ich hatte mich so sehr auf Rothwalde gefreut! sagte sie schmeichelnd zu ihm. Wir waren so glücklich dort! nun ist alle meine Freude zerstört!

Glaubst du, daß es mir leichter wird? erwiderte er.

Wir sprachen soeben davon, daß Sie meine Frau in S. besuchen sollten. Sie wird ihren Vater dahin begleiten, weil ich verreisen muß.

Louis sah mit einem ungewissen Blick von dem Gatten auf den Vater und antwortete nicht.

Was sagen Sie zu deinem Plane? sagte der alte Graf, der ihn prüfend ansah.

Der Marquis schlug die Augen nieder und erröthete: Ich weiß nicht — versetzte er mit unsicherer Stimme. Die Möglichkeit, nach so langer Entfremdung mit dem Weibe, das er liebte, unter Einem Dache zu sein, hatte etwas wahrhaft Berauschendes für ihn.

Leonie war hinter das Ruhebett getreten, auf welchem ihr Vater lag. Sie war ungewöhnlich bleich, der Gedanke an diese Reise stillte ihr Herz mit einem Entsetzen, für das sie weder Worte noch Namen fand. Sie traute sich nicht, die Augen aufzuschlagen, ein Spiegel hing ihr gegenüber und konnte sie verrathen, und doch mußte etwas zu ihrer Erlösung geschehen.

Der Herr Marquis sagte mir, daß er die Stadt diesen Sommer nicht verlassen will, sagte sie, während sie innerlich nach Fassung rang.

Louis schwieg.

Ist das ein so fester Entschluß? frug der alte Graf, und in seinem Tone klang es wie Ironie.

Ich weiß nicht, erwiderte Louis zögernd, es hängt nicht von mir ab — Sie wissen, ich bin nicht frei.

Sie werden immer am besten thun das Beste zu thun — und das Klügste ist es auch, sagte der alte Graf und betonte scharf ein jedes Wort.

Leonie stand wie auf Kohlen. Sie nahm ihres Mannes Arm und ging mit ihm im Zimmer auf und ab.

Ich hatte mich so sehr auf Rothwalde gefreut! sagte sie schmeichelnd zu ihm. Wir waren so glücklich dort! nun ist alle meine Freude zerstört!

Glaubst du, daß es mir leichter wird? erwiderte er.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="3">
        <p><pb facs="#f0176"/>
Wir sprachen soeben davon, daß Sie meine      Frau in S. besuchen sollten. Sie wird ihren Vater dahin begleiten, weil ich verreisen muß.</p><lb/>
        <p>Louis sah mit einem ungewissen Blick von dem Gatten auf den Vater und antwortete nicht.</p><lb/>
        <p>Was sagen Sie zu deinem Plane? sagte der alte Graf, der ihn prüfend ansah.</p><lb/>
        <p>Der Marquis schlug die Augen nieder und erröthete: Ich weiß nicht &#x2014; versetzte er mit      unsicherer Stimme. Die Möglichkeit, nach so langer Entfremdung mit dem Weibe, das er liebte,      unter Einem Dache zu sein, hatte etwas wahrhaft Berauschendes für ihn.</p><lb/>
        <p>Leonie war hinter das Ruhebett getreten, auf welchem ihr Vater lag. Sie war ungewöhnlich      bleich, der Gedanke an diese Reise stillte ihr Herz mit einem Entsetzen, für das sie weder      Worte noch Namen fand. Sie traute sich nicht, die Augen aufzuschlagen, ein Spiegel hing ihr      gegenüber und konnte sie verrathen, und doch mußte etwas zu ihrer Erlösung geschehen.</p><lb/>
        <p>Der Herr Marquis sagte mir, daß er die Stadt diesen Sommer nicht verlassen will, sagte sie,      während sie innerlich nach Fassung rang.</p><lb/>
        <p>Louis schwieg.</p><lb/>
        <p>Ist das ein so fester Entschluß? frug der alte Graf, und in seinem Tone klang es wie      Ironie.</p><lb/>
        <p>Ich weiß nicht, erwiderte Louis zögernd, es hängt nicht von mir ab &#x2014; Sie wissen, ich bin      nicht frei.</p><lb/>
        <p>Sie werden immer am besten thun das Beste zu thun &#x2014; und das Klügste ist es auch, sagte der      alte Graf und betonte scharf ein jedes Wort.</p><lb/>
        <p>Leonie stand wie auf Kohlen. Sie nahm ihres Mannes Arm und ging mit ihm im Zimmer auf und      ab.</p><lb/>
        <p>Ich hatte mich so sehr auf Rothwalde gefreut! sagte sie schmeichelnd zu ihm. Wir waren so      glücklich dort! nun ist alle meine Freude zerstört!</p><lb/>
        <p>Glaubst du, daß es mir leichter wird? erwiderte er.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0176] Wir sprachen soeben davon, daß Sie meine Frau in S. besuchen sollten. Sie wird ihren Vater dahin begleiten, weil ich verreisen muß. Louis sah mit einem ungewissen Blick von dem Gatten auf den Vater und antwortete nicht. Was sagen Sie zu deinem Plane? sagte der alte Graf, der ihn prüfend ansah. Der Marquis schlug die Augen nieder und erröthete: Ich weiß nicht — versetzte er mit unsicherer Stimme. Die Möglichkeit, nach so langer Entfremdung mit dem Weibe, das er liebte, unter Einem Dache zu sein, hatte etwas wahrhaft Berauschendes für ihn. Leonie war hinter das Ruhebett getreten, auf welchem ihr Vater lag. Sie war ungewöhnlich bleich, der Gedanke an diese Reise stillte ihr Herz mit einem Entsetzen, für das sie weder Worte noch Namen fand. Sie traute sich nicht, die Augen aufzuschlagen, ein Spiegel hing ihr gegenüber und konnte sie verrathen, und doch mußte etwas zu ihrer Erlösung geschehen. Der Herr Marquis sagte mir, daß er die Stadt diesen Sommer nicht verlassen will, sagte sie, während sie innerlich nach Fassung rang. Louis schwieg. Ist das ein so fester Entschluß? frug der alte Graf, und in seinem Tone klang es wie Ironie. Ich weiß nicht, erwiderte Louis zögernd, es hängt nicht von mir ab — Sie wissen, ich bin nicht frei. Sie werden immer am besten thun das Beste zu thun — und das Klügste ist es auch, sagte der alte Graf und betonte scharf ein jedes Wort. Leonie stand wie auf Kohlen. Sie nahm ihres Mannes Arm und ging mit ihm im Zimmer auf und ab. Ich hatte mich so sehr auf Rothwalde gefreut! sagte sie schmeichelnd zu ihm. Wir waren so glücklich dort! nun ist alle meine Freude zerstört! Glaubst du, daß es mir leichter wird? erwiderte er.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T13:30:48Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T13:30:48Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wild_wege_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wild_wege_1910/176
Zitationshilfe: Wild, Hermine [d. i. Adele Wesemael]: Eure Wege sind nicht meine Wege. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 22. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–210. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wild_wege_1910/176>, abgerufen am 29.04.2024.