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Wolff, Eugen: Poetik: Die Gesetze der Poesie in ihrer geschichtlichen Entwicklung. Ein Grundriß. Oldenburg u. a., 1899.

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und Ausgangsformeln ausgebildet. Mit einer Naturdarstellung oder pwo_165.002
einem Naturbild einzusetzen, liebte auch die Ritterdichtung - bei uns pwo_165.003
wie in der Provence. Aber auch sonst begegnen oft bestimmte Lieblingswendungen. pwo_165.004
Sehr verbreitet ist eine Begrüßung: "Nun grüß pwo_165.005
dich Gott", "nun gesegen euch Gott" u. dgl. Oder die sofortige pwo_165.006
Nennung des Themas wird durch eine typische Frage herausgefordert:

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"Was woll'n wir aber heben an? pwo_165.008
Ein neues Lied zu singen; pwo_165.009
Wir singen von einem schwarzen Mönch pwo_165.010
Und seiner Nähterinnen."
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Daran schließt sich unmittelbar die Erzählung. - Ueberhaupt sind pwo_165.012
Fragen als lebhaftes Mittel der Einführung beliebt.

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"Schwarzbraunes Aeugelein, pwo_165.014
Wo wendest du dich hin?" - pwo_165.015
"Mädel, warum betrübst du dich, pwo_165.016
Dieweil ich muß verlassen dich?" - pwo_165.017
"Wo find' ich deines Vaters Haus?"
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Sofort ist die Antwort herausgefordert und damit der dramatischdialogische pwo_165.019
Charakter gegeben. - Unter den Ausklangsformeln gewinnt pwo_165.020
weiteste Verbreitung die Frage nach dem Dichter:

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"Ach Gott, wer hat dies Lied erdacht? pwo_165.022
Es haben's gesungen pwo_165.023
Drei Jägersjungen pwo_165.024
Zu guter Nacht." - pwo_165.025
"Wer ist's, der uns dies Liedlein sang? pwo_165.026
So frei ist es gesungen. pwo_165.027
Das haben drei Jungfräulein gethan pwo_165.028
Zu Wien im Oesterreiche."
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Auch wohl ohne direkte Frage erfolgt eine allgemeine, oft fingierte pwo_165.030
Angabe der Autorschaft:

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"Dies Liedlein, ach, ach! pwo_165.032
Hat wohl ein Müller erdacht; pwo_165.033
Den hat des Ritters Töchterlein pwo_165.034
Vom Lieben zum Scheiden gebracht."
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Nicht selten zieht der Schluß die allgemeinen Folgen oder selbst Lehren pwo_165.036
der lyrisch zugestutzten Erzählung:

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und Ausgangsformeln ausgebildet. Mit einer Naturdarstellung oder pwo_165.002
einem Naturbild einzusetzen, liebte auch die Ritterdichtung – bei uns pwo_165.003
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Und seiner Nähterinnen.“
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Daran schließt sich unmittelbar die Erzählung. – Ueberhaupt sind pwo_165.012
Fragen als lebhaftes Mittel der Einführung beliebt.

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„Schwarzbraunes Aeugelein, pwo_165.014
Wo wendest du dich hin?“ – pwo_165.015
„Mädel, warum betrübst du dich, pwo_165.016
Dieweil ich muß verlassen dich?“ – pwo_165.017
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Auch wohl ohne direkte Frage erfolgt eine allgemeine, oft fingierte pwo_165.030
Angabe der Autorschaft:

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„Dies Liedlein, ach, ach! pwo_165.032
Hat wohl ein Müller erdacht; pwo_165.033
Den hat des Ritters Töchterlein pwo_165.034
Vom Lieben zum Scheiden gebracht.“
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Zitationshilfe: Wolff, Eugen: Poetik: Die Gesetze der Poesie in ihrer geschichtlichen Entwicklung. Ein Grundriß. Oldenburg u. a., 1899, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_poetik_1899/179>, abgerufen am 30.04.2024.