Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wolff, Eugen: Poetik: Die Gesetze der Poesie in ihrer geschichtlichen Entwicklung. Ein Grundriß. Oldenburg u. a., 1899.

Bild:
<< vorherige Seite
pwo_167.001
,Warum daß ich so schöne bin, pwo_167.002
Das will ich dir wohl sagen: pwo_167.003
Jch eß weiß Brot, trink kühlen Wein, pwo_167.004
Davon bin ich so schöne.' - pwo_167.005
,Jßt du weiß Brot, trinkst kühlen Wein, pwo_167.006
Und bist davon so schöne: pwo_167.007
So fällt alle Morgen kühler Tau auf mich, pwo_167.008
Davon bin ich so grüne.'"
pwo_167.009

Der formelhafte Zug greift nicht minder auf die Motive über. Zahllose pwo_167.010
Themata und in ihrer Behandlung ganz bestimmte Situationen pwo_167.011
kehren konventionell wieder. So ist eine Art typisch, in welcher der pwo_167.012
Buhle vom Mädchen scheidet: er läßt der Weinenden einen Ring zurück.

pwo_167.013
"Da zog er ab der Hande von Gold ein Fingerlein! pwo_167.014
,Seh hie du mein feins Magetlein! darbei gedenkst du mein!'"
pwo_167.015

Aehnlich:

pwo_167.016
"Was zog er von den Handen sein? pwo_167.017
Von rotem Gold ein Fingerlein. pwo_167.018
,Nimm hin, mein Lieb, wohl zu der Letz, pwo_167.019
Damit dich deines Leids ergötz ...'"
pwo_167.020

Das Verlieren des Kranzes, die unstete Art der wandernden Burschen pwo_167.021
und vieles mehr sucht gern typische Wendungen.

pwo_167.022

Was der erzählenden Grundlage vor allem einen lyrisch-musikalischen pwo_167.023
Anstrich giebt, ist der Refrän. Er bedeutet keineswegs nur pwo_167.024
einen äußeren Schmuck, läßt vielmehr ein Leitmotiv wiederklingen.

pwo_167.025
"Es hatt' ein Schwab ein Töchterlein, pwo_167.026
Es wollt' nit länger dienen. pwo_167.027
Sie wollte nur Rock und Mantel han, pwo_167.028
Zween Schuh mit schmalen Riemen. pwo_167.029
O du mein feins Elselein!"
pwo_167.030

Daß Elses Streben nach feinem Auftreten sie zugrunde richtet, klingt pwo_167.031
denn fortgesetzt in dem Schlußrefrän, schließlich ironisch, durch. - pwo_167.032
Auch gleich am Beginn der Strophe kann der Refrän stehen:

pwo_167.033
"Nächten, da ich bei ihr was, pwo_167.034
Schwatzten wir dann dies, dann das ... pwo_167.035
Nächten, da ich von ihr scheid, pwo_167.036
Freundlich wir uns herzten beid" etc.
pwo_167.001
  ‚Warum daß ich so schöne bin, pwo_167.002
Das will ich dir wohl sagen: pwo_167.003
Jch eß weiß Brot, trink kühlen Wein, pwo_167.004
Davon bin ich so schöne.' – pwo_167.005
  ‚Jßt du weiß Brot, trinkst kühlen Wein, pwo_167.006
Und bist davon so schöne: pwo_167.007
So fällt alle Morgen kühler Tau auf mich, pwo_167.008
Davon bin ich so grüne.'“
pwo_167.009

Der formelhafte Zug greift nicht minder auf die Motive über. Zahllose pwo_167.010
Themata und in ihrer Behandlung ganz bestimmte Situationen pwo_167.011
kehren konventionell wieder. So ist eine Art typisch, in welcher der pwo_167.012
Buhle vom Mädchen scheidet: er läßt der Weinenden einen Ring zurück.

pwo_167.013
„Da zog er ab der Hande von Gold ein Fingerlein! pwo_167.014
‚Seh hie du mein feins Magetlein! darbei gedenkst du mein!'“
pwo_167.015

Aehnlich:

pwo_167.016
„Was zog er von den Handen sein? pwo_167.017
Von rotem Gold ein Fingerlein. pwo_167.018
‚Nimm hin, mein Lieb, wohl zu der Letz, pwo_167.019
Damit dich deines Leids ergötz ...'“
pwo_167.020

Das Verlieren des Kranzes, die unstete Art der wandernden Burschen pwo_167.021
und vieles mehr sucht gern typische Wendungen.

pwo_167.022

  Was der erzählenden Grundlage vor allem einen lyrisch-musikalischen pwo_167.023
Anstrich giebt, ist der Refrän. Er bedeutet keineswegs nur pwo_167.024
einen äußeren Schmuck, läßt vielmehr ein Leitmotiv wiederklingen.

pwo_167.025
„Es hatt' ein Schwab ein Töchterlein, pwo_167.026
Es wollt' nit länger dienen. pwo_167.027
Sie wollte nur Rock und Mantel han, pwo_167.028
Zween Schuh mit schmalen Riemen. pwo_167.029
  O du mein feins Elselein!“
pwo_167.030

Daß Elses Streben nach feinem Auftreten sie zugrunde richtet, klingt pwo_167.031
denn fortgesetzt in dem Schlußrefrän, schließlich ironisch, durch. – pwo_167.032
Auch gleich am Beginn der Strophe kann der Refrän stehen:

pwo_167.033
  „Nächten, da ich bei ihr was, pwo_167.034
Schwatzten wir dann dies, dann das ... pwo_167.035
  Nächten, da ich von ihr scheid, pwo_167.036
Freundlich wir uns herzten beid“ etc.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0181" n="167"/>
            <lb n="pwo_167.001"/>
            <lg>
              <l>  &#x201A;Warum daß ich so schöne bin,</l>
              <lb n="pwo_167.002"/>
              <l>Das will ich dir wohl sagen:</l>
              <lb n="pwo_167.003"/>
              <l>Jch eß weiß Brot, trink kühlen Wein,</l>
              <lb n="pwo_167.004"/>
              <l>Davon bin ich so schöne.' &#x2013;</l>
              <lb n="pwo_167.005"/>
              <l>  &#x201A;Jßt du weiß Brot, trinkst kühlen Wein,</l>
              <lb n="pwo_167.006"/>
              <l>Und bist davon so schöne:</l>
              <lb n="pwo_167.007"/>
              <l>So fällt alle Morgen kühler Tau auf mich,</l>
              <lb n="pwo_167.008"/>
              <l>Davon bin ich so grüne.'&#x201C;</l>
            </lg>
            <lb n="pwo_167.009"/>
            <p>Der formelhafte Zug greift nicht minder auf die Motive über. Zahllose <lb n="pwo_167.010"/>
Themata und in ihrer Behandlung ganz bestimmte Situationen <lb n="pwo_167.011"/>
kehren konventionell wieder. So ist eine Art typisch, in welcher der <lb n="pwo_167.012"/>
Buhle vom Mädchen scheidet: er läßt der Weinenden einen Ring zurück.</p>
            <lb n="pwo_167.013"/>
            <lg>
              <l>&#x201E;Da zog er ab der Hande von Gold ein Fingerlein!</l>
              <lb n="pwo_167.014"/>
              <l>&#x201A;Seh hie du mein feins Magetlein! darbei gedenkst du mein!'&#x201C;</l>
            </lg>
            <lb n="pwo_167.015"/>
            <p>Aehnlich:</p>
            <lb n="pwo_167.016"/>
            <lg>
              <l>&#x201E;Was zog er von den Handen sein?</l>
              <lb n="pwo_167.017"/>
              <l>Von rotem Gold ein Fingerlein.</l>
              <lb n="pwo_167.018"/>
              <l>&#x201A;Nimm hin, mein Lieb, wohl zu der Letz,</l>
              <lb n="pwo_167.019"/>
              <l>Damit dich deines Leids ergötz ...'&#x201C;</l>
            </lg>
            <lb n="pwo_167.020"/>
            <p>Das Verlieren des Kranzes, die unstete Art der wandernden Burschen <lb n="pwo_167.021"/>
und vieles mehr sucht gern typische Wendungen.</p>
            <lb n="pwo_167.022"/>
            <p>  Was der erzählenden Grundlage vor allem einen lyrisch-musikalischen <lb n="pwo_167.023"/>
Anstrich giebt, ist der <hi rendition="#g">Refrän.</hi> Er bedeutet keineswegs nur <lb n="pwo_167.024"/>
einen äußeren Schmuck, läßt vielmehr ein Leitmotiv wiederklingen.</p>
            <lb n="pwo_167.025"/>
            <lg>
              <l>&#x201E;Es hatt' ein Schwab ein Töchterlein,</l>
              <lb n="pwo_167.026"/>
              <l>Es wollt' nit länger dienen.</l>
              <lb n="pwo_167.027"/>
              <l>Sie wollte nur Rock und Mantel han,</l>
              <lb n="pwo_167.028"/>
              <l>Zween Schuh mit schmalen Riemen.</l>
              <lb n="pwo_167.029"/>
              <l>  O du mein  feins Elselein!&#x201C;</l>
            </lg>
            <lb n="pwo_167.030"/>
            <p>Daß Elses Streben nach feinem Auftreten sie zugrunde richtet, klingt <lb n="pwo_167.031"/>
denn fortgesetzt in dem Schlußrefrän, schließlich ironisch, durch. &#x2013; <lb n="pwo_167.032"/>
Auch gleich am Beginn der Strophe kann der Refrän stehen:</p>
            <lb n="pwo_167.033"/>
            <lg>
              <l>  &#x201E;Nächten, da ich bei ihr was,</l>
              <lb n="pwo_167.034"/>
              <l>Schwatzten wir dann dies, dann das ...</l>
              <lb n="pwo_167.035"/>
              <l>  Nächten, da ich von ihr scheid,</l>
              <lb n="pwo_167.036"/>
              <l>Freundlich wir uns herzten beid&#x201C; etc.</l>
            </lg>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[167/0181] pwo_167.001   ‚Warum daß ich so schöne bin, pwo_167.002 Das will ich dir wohl sagen: pwo_167.003 Jch eß weiß Brot, trink kühlen Wein, pwo_167.004 Davon bin ich so schöne.' – pwo_167.005   ‚Jßt du weiß Brot, trinkst kühlen Wein, pwo_167.006 Und bist davon so schöne: pwo_167.007 So fällt alle Morgen kühler Tau auf mich, pwo_167.008 Davon bin ich so grüne.'“ pwo_167.009 Der formelhafte Zug greift nicht minder auf die Motive über. Zahllose pwo_167.010 Themata und in ihrer Behandlung ganz bestimmte Situationen pwo_167.011 kehren konventionell wieder. So ist eine Art typisch, in welcher der pwo_167.012 Buhle vom Mädchen scheidet: er läßt der Weinenden einen Ring zurück. pwo_167.013 „Da zog er ab der Hande von Gold ein Fingerlein! pwo_167.014 ‚Seh hie du mein feins Magetlein! darbei gedenkst du mein!'“ pwo_167.015 Aehnlich: pwo_167.016 „Was zog er von den Handen sein? pwo_167.017 Von rotem Gold ein Fingerlein. pwo_167.018 ‚Nimm hin, mein Lieb, wohl zu der Letz, pwo_167.019 Damit dich deines Leids ergötz ...'“ pwo_167.020 Das Verlieren des Kranzes, die unstete Art der wandernden Burschen pwo_167.021 und vieles mehr sucht gern typische Wendungen. pwo_167.022   Was der erzählenden Grundlage vor allem einen lyrisch-musikalischen pwo_167.023 Anstrich giebt, ist der Refrän. Er bedeutet keineswegs nur pwo_167.024 einen äußeren Schmuck, läßt vielmehr ein Leitmotiv wiederklingen. pwo_167.025 „Es hatt' ein Schwab ein Töchterlein, pwo_167.026 Es wollt' nit länger dienen. pwo_167.027 Sie wollte nur Rock und Mantel han, pwo_167.028 Zween Schuh mit schmalen Riemen. pwo_167.029   O du mein feins Elselein!“ pwo_167.030 Daß Elses Streben nach feinem Auftreten sie zugrunde richtet, klingt pwo_167.031 denn fortgesetzt in dem Schlußrefrän, schließlich ironisch, durch. – pwo_167.032 Auch gleich am Beginn der Strophe kann der Refrän stehen: pwo_167.033   „Nächten, da ich bei ihr was, pwo_167.034 Schwatzten wir dann dies, dann das ... pwo_167.035   Nächten, da ich von ihr scheid, pwo_167.036 Freundlich wir uns herzten beid“ etc.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription. (2015-09-30T09:54:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_poetik_1899
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_poetik_1899/181
Zitationshilfe: Wolff, Eugen: Poetik: Die Gesetze der Poesie in ihrer geschichtlichen Entwicklung. Ein Grundriß. Oldenburg u. a., 1899, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_poetik_1899/181>, abgerufen am 29.04.2024.