Wolff, Eugen: Poetik: Die Gesetze der Poesie in ihrer geschichtlichen Entwicklung. Ein Grundriß. Oldenburg u. a., 1899.pwo_171.001 "Warum ziehst du mich unwiderstehlich, pwo_171.008 pwo_171.015Ach, in jene Pracht? pwo_171.009 War ich guter Junge nicht so selig pwo_171.010 Jn der öden Nacht? ... pwo_171.011 Bin ich's noch, den du bei so viel Lichtern pwo_171.012 An dem Spieltisch hältst? pwo_171.013 Oft so unerträglichen Gesichtern pwo_171.014 Gegenüber stellst? ..." Nur die sonderbaren gesellschaftlichen Verhältnisse von Lillis Familie pwo_171.016 "Jm Felde schleich ich still und wild, pwo_171.018 pwo_171.025Lausch mit dem Feuerrohr, pwo_171.019 Da schwebt so licht dein liebes Bild, pwo_171.020 Dein süßes Bild mir vor! pwo_171.021 Du wandelst jetzt wohl still und mild pwo_171.022 Durch Feld und liebes Thal, pwo_171.023 Und ach, mein schnell verrauschend Bild, pwo_171.024 Stellt sich dir's nicht einmal?" Werden schon durch diese Eingangsstrophen die beiden einst sich Liebenden pwo_171.026 "Des Menschen, der die Welt durchstreift pwo_171.029 pwo_171.032Voll Unmut und Verdruß, pwo_171.030 Nach Osten und nach Westen schweift, pwo_171.031 Weil er dich lassen muß. Dagegen Lillis Bild: pwo_171.033"Mir ist es, denk' ich nur an dich, pwo_171.034 pwo_171.037Als in den Mond zu sehn, pwo_171.035 Ein stiller Friede kommt auf mich, pwo_171.036 Weiß nicht, wie mir geschehn." Eines solchen "Jägers Abendlied" - wie das Gedicht sich betitelt - pwo_171.001 „Warum ziehst du mich unwiderstehlich, pwo_171.008 pwo_171.015Ach, in jene Pracht? pwo_171.009 War ich guter Junge nicht so selig pwo_171.010 Jn der öden Nacht? ... pwo_171.011 Bin ich's noch, den du bei so viel Lichtern pwo_171.012 An dem Spieltisch hältst? pwo_171.013 Oft so unerträglichen Gesichtern pwo_171.014 Gegenüber stellst? ...“ Nur die sonderbaren gesellschaftlichen Verhältnisse von Lillis Familie pwo_171.016 „Jm Felde schleich ich still und wild, pwo_171.018 pwo_171.025Lausch mit dem Feuerrohr, pwo_171.019 Da schwebt so licht dein liebes Bild, pwo_171.020 Dein süßes Bild mir vor! pwo_171.021 Du wandelst jetzt wohl still und mild pwo_171.022 Durch Feld und liebes Thal, pwo_171.023 Und ach, mein schnell verrauschend Bild, pwo_171.024 Stellt sich dir's nicht einmal?“ Werden schon durch diese Eingangsstrophen die beiden einst sich Liebenden pwo_171.026 „Des Menschen, der die Welt durchstreift pwo_171.029 pwo_171.032Voll Unmut und Verdruß, pwo_171.030 Nach Osten und nach Westen schweift, pwo_171.031 Weil er dich lassen muß. Dagegen Lillis Bild: pwo_171.033„Mir ist es, denk' ich nur an dich, pwo_171.034 pwo_171.037Als in den Mond zu sehn, pwo_171.035 Ein stiller Friede kommt auf mich, pwo_171.036 Weiß nicht, wie mir geschehn.“ Eines solchen „Jägers Abendlied“ – wie das Gedicht sich betitelt – <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0185" n="171"/><lb n="pwo_171.001"/> Motive durchdringen, bleibt es im wesentlichen bei typischen Vorgängen, <lb n="pwo_171.002"/> bei allgemeingültigen Situationen. Goethe prägt grundsätzlich <lb n="pwo_171.003"/> Eigenart der Seele, volle Persönlichkeit aus. Vom Liebenden gedichtet, <lb n="pwo_171.004"/> von der Geliebten selbst gesungen, knüpfen seine Lieder oft an <lb n="pwo_171.005"/> außergewöhnliche, ganz besondere, bisweilen geradezu einzig dastehende <lb n="pwo_171.006"/> Verhältnisse an.</p> <lb n="pwo_171.007"/> <lg> <l> „Warum ziehst du mich unwiderstehlich,</l> <lb n="pwo_171.008"/> <l>Ach, in jene Pracht?</l> <lb n="pwo_171.009"/> <l>War ich guter Junge nicht so selig</l> <lb n="pwo_171.010"/> <l>Jn der öden Nacht? ...</l> <lb n="pwo_171.011"/> <l> Bin ich's noch, den du bei so viel Lichtern</l> <lb n="pwo_171.012"/> <l>An dem Spieltisch hältst?</l> <lb n="pwo_171.013"/> <l>Oft so unerträglichen Gesichtern</l> <lb n="pwo_171.014"/> <l>Gegenüber stellst? ...“</l> </lg> <lb n="pwo_171.015"/> <p>Nur die sonderbaren gesellschaftlichen Verhältnisse von Lillis Familie <lb n="pwo_171.016"/> erklären das Gedicht.</p> <lb n="pwo_171.017"/> <lg> <l> „Jm Felde schleich ich still und wild,</l> <lb n="pwo_171.018"/> <l>Lausch mit dem Feuerrohr,</l> <lb n="pwo_171.019"/> <l>Da schwebt so licht dein liebes Bild,</l> <lb n="pwo_171.020"/> <l>Dein süßes Bild mir vor!</l> <lb n="pwo_171.021"/> <l> Du wandelst jetzt wohl still und mild</l> <lb n="pwo_171.022"/> <l>Durch Feld und liebes Thal,</l> <lb n="pwo_171.023"/> <l>Und ach, mein schnell verrauschend Bild,</l> <lb n="pwo_171.024"/> <l>Stellt sich dir's nicht einmal?“</l> </lg> <lb n="pwo_171.025"/> <p>Werden schon durch diese Eingangsstrophen die beiden einst sich Liebenden <lb n="pwo_171.026"/> leise kontrastiert, so giebt die Folge eine individuelle Ausmalung <lb n="pwo_171.027"/> dieses Gegensatzes:</p> <lb n="pwo_171.028"/> <lg> <l>„Des Menschen, der die Welt durchstreift</l> <lb n="pwo_171.029"/> <l>Voll Unmut und Verdruß,</l> <lb n="pwo_171.030"/> <l>Nach Osten und nach Westen schweift,</l> <lb n="pwo_171.031"/> <l>Weil er dich lassen muß.</l> </lg> <lb n="pwo_171.032"/> <p>Dagegen Lillis Bild:</p> <lb n="pwo_171.033"/> <lg> <l>„Mir ist es, denk' ich nur an dich,</l> <lb n="pwo_171.034"/> <l>Als in den Mond zu sehn,</l> <lb n="pwo_171.035"/> <l>Ein stiller Friede kommt auf mich,</l> <lb n="pwo_171.036"/> <l>Weiß nicht, wie mir geschehn.“</l> </lg> <lb n="pwo_171.037"/> <p>Eines solchen „Jägers Abendlied“ – wie das Gedicht sich betitelt – </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [171/0185]
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Motive durchdringen, bleibt es im wesentlichen bei typischen Vorgängen, pwo_171.002
bei allgemeingültigen Situationen. Goethe prägt grundsätzlich pwo_171.003
Eigenart der Seele, volle Persönlichkeit aus. Vom Liebenden gedichtet, pwo_171.004
von der Geliebten selbst gesungen, knüpfen seine Lieder oft an pwo_171.005
außergewöhnliche, ganz besondere, bisweilen geradezu einzig dastehende pwo_171.006
Verhältnisse an.
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„Warum ziehst du mich unwiderstehlich, pwo_171.008
Ach, in jene Pracht? pwo_171.009
War ich guter Junge nicht so selig pwo_171.010
Jn der öden Nacht? ... pwo_171.011
Bin ich's noch, den du bei so viel Lichtern pwo_171.012
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Gegenüber stellst? ...“
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Nur die sonderbaren gesellschaftlichen Verhältnisse von Lillis Familie pwo_171.016
erklären das Gedicht.
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„Jm Felde schleich ich still und wild, pwo_171.018
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Da schwebt so licht dein liebes Bild, pwo_171.020
Dein süßes Bild mir vor! pwo_171.021
Du wandelst jetzt wohl still und mild pwo_171.022
Durch Feld und liebes Thal, pwo_171.023
Und ach, mein schnell verrauschend Bild, pwo_171.024
Stellt sich dir's nicht einmal?“
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Werden schon durch diese Eingangsstrophen die beiden einst sich Liebenden pwo_171.026
leise kontrastiert, so giebt die Folge eine individuelle Ausmalung pwo_171.027
dieses Gegensatzes:
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„Des Menschen, der die Welt durchstreift pwo_171.029
Voll Unmut und Verdruß, pwo_171.030
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Dagegen Lillis Bild:
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Weiß nicht, wie mir geschehn.“
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Eines solchen „Jägers Abendlied“ – wie das Gedicht sich betitelt –
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