der Zeichnung fixiren, die der gewohnten Betrachtung eines erhabenen, das andere Mal solche, die der eines hohlen Prismas entsprechen. Die Zeichnung einer durch drei zusammenstoßende gerade Linien gebildeten körperlichen Ecke erscheint erhaben, wenn man von der Spitze aus eine der Geraden durchläuft; sie erscheint vertieft, wenn man bei dem entgegengesetzten Ende der Geraden beginnt und an der Spitze endet, u. s. w. In diesen und allen ähn- lichen Fällen wird die Assimilation von der Regel bestimmt, dass das Auge bei der Bewegung über die Fixationslinien der Objecte von den näher zu den entfernter gelegenen Punkten übergeht.
In andern Fällen rufen die in § 10 (19 u. 20) erwähnten, in den Bewegungsgesetzen des Auges begründeten geome- trisch-optischen Täuschungen secundär bestimmte Entfernungs- vorstellungen hervor, wo dann die letzteren nicht selten eine Ausgleichung zwischen den durch die geometrisch- optischen Täuschungen erzeugten Widersprüchen des Bildes vermitteln. So erscheint z. B. eine eingetheilte gerade Linie größer als eine gleich große nicht eingetheilte (S. 147); in Folge dessen ist man geneigt die erstere in größere Ent- fernung zu verlegen als die letztere. Indem hier trotz der von der verschiedenen Bewegungsanstrengung herrührenden abweichenden Größenauffassung beide Linien gleich große Netzhautstrecken einnehmen, entsteht eine Ausgleichung dieses Widerspruchs durch die verschiedene Entfernungs- vorstellung. Denn wenn von zwei Linien, deren Netz- hautbilder gleich sind, die eine größer erscheint, so muss dieselbe bei den gewöhnlichen Bedingungen des Sehens von einem entfernteren Gegenstande herrühren. Wird eine Ge- rade durch eine andere unter spitzem Winkel geschnitten, so entsteht vermöge einer andern in den Bewegungsgesetzen begründeten Täuschung eine Ueberschätzung des spitzen
§ 16. Die Associationen.
der Zeichnung fixiren, die der gewohnten Betrachtung eines erhabenen, das andere Mal solche, die der eines hohlen Prismas entsprechen. Die Zeichnung einer durch drei zusammenstoßende gerade Linien gebildeten körperlichen Ecke erscheint erhaben, wenn man von der Spitze aus eine der Geraden durchläuft; sie erscheint vertieft, wenn man bei dem entgegengesetzten Ende der Geraden beginnt und an der Spitze endet, u. s. w. In diesen und allen ähn- lichen Fällen wird die Assimilation von der Regel bestimmt, dass das Auge bei der Bewegung über die Fixationslinien der Objecte von den näher zu den entfernter gelegenen Punkten übergeht.
In andern Fällen rufen die in § 10 (19 u. 20) erwähnten, in den Bewegungsgesetzen des Auges begründeten geome- trisch-optischen Täuschungen secundär bestimmte Entfernungs- vorstellungen hervor, wo dann die letzteren nicht selten eine Ausgleichung zwischen den durch die geometrisch- optischen Täuschungen erzeugten Widersprüchen des Bildes vermitteln. So erscheint z. B. eine eingetheilte gerade Linie größer als eine gleich große nicht eingetheilte (S. 147); in Folge dessen ist man geneigt die erstere in größere Ent- fernung zu verlegen als die letztere. Indem hier trotz der von der verschiedenen Bewegungsanstrengung herrührenden abweichenden Größenauffassung beide Linien gleich große Netzhautstrecken einnehmen, entsteht eine Ausgleichung dieses Widerspruchs durch die verschiedene Entfernungs- vorstellung. Denn wenn von zwei Linien, deren Netz- hautbilder gleich sind, die eine größer erscheint, so muss dieselbe bei den gewöhnlichen Bedingungen des Sehens von einem entfernteren Gegenstande herrühren. Wird eine Ge- rade durch eine andere unter spitzem Winkel geschnitten, so entsteht vermöge einer andern in den Bewegungsgesetzen begründeten Täuschung eine Ueberschätzung des spitzen
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§ 16. Die Associationen.
der Zeichnung fixiren, die der gewohnten Betrachtung eines
erhabenen, das andere Mal solche, die der eines hohlen
Prismas entsprechen. Die Zeichnung einer durch drei
zusammenstoßende gerade Linien gebildeten körperlichen
Ecke erscheint erhaben, wenn man von der Spitze aus
eine der Geraden durchläuft; sie erscheint vertieft, wenn
man bei dem entgegengesetzten Ende der Geraden beginnt
und an der Spitze endet, u. s. w. In diesen und allen ähn-
lichen Fällen wird die Assimilation von der Regel bestimmt,
dass das Auge bei der Bewegung über die Fixationslinien
der Objecte von den näher zu den entfernter gelegenen
Punkten übergeht.
In andern Fällen rufen die in § 10 (19 u. 20) erwähnten,
in den Bewegungsgesetzen des Auges begründeten geome-
trisch-optischen Täuschungen secundär bestimmte Entfernungs-
vorstellungen hervor, wo dann die letzteren nicht selten
eine Ausgleichung zwischen den durch die geometrisch-
optischen Täuschungen erzeugten Widersprüchen des Bildes
vermitteln. So erscheint z. B. eine eingetheilte gerade Linie
größer als eine gleich große nicht eingetheilte (S. 147); in
Folge dessen ist man geneigt die erstere in größere Ent-
fernung zu verlegen als die letztere. Indem hier trotz der
von der verschiedenen Bewegungsanstrengung herrührenden
abweichenden Größenauffassung beide Linien gleich große
Netzhautstrecken einnehmen, entsteht eine Ausgleichung
dieses Widerspruchs durch die verschiedene Entfernungs-
vorstellung. Denn wenn von zwei Linien, deren Netz-
hautbilder gleich sind, die eine größer erscheint, so muss
dieselbe bei den gewöhnlichen Bedingungen des Sehens von
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Wundt, Wilhelm: Grundriss der Psychologie. Leipzig, 1896, S. 271. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_grundriss_1896/287>, abgerufen am 16.06.2024.
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