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Zesen, Philipp von: Deütscher Helicon. Bd. 1. Wittenberg, 1641.

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1. blumen vnd gras/ (brachycatalectus)
2. ob es sich gleichet (Catalectus)
3. völlig dem schönsten Topas/
4. Balde doch gäntzlich verbleichet;
5. Also vergehet vnd schwindet auch das/
6. welches vor schönheit vnd Ehre wier achten.

Viel wollen die Dactylischen Verse nicht
zulassen/ geben für/ sie weren gantz falsch/ vnd
hetten keine rechte dactylos in sich/ weil die po-
sition
vnd doppellautende bald lang bald kurtz
gesetzt würden/ vnd wolte mann rechte dactylos
machen/ so müste mann den Griechen vnd La-
teinern in der quantität nachfolgen/ vnd gleich-
wohl machen eben sie Jambische vnd Trochäi-
sche/ vnd nehmens darinnen selbst nicht in acht/
als wenn jene nicht so wohl Verse weren als
diese/ vnd diese mehr erfoderten als jene. Es
hat aber die Deütsche mit der Hebräischen/ wie
auch alle andre Sprachen gar eine andre be-
schaffenheit in Versen als die Griechische vnd
Lateinische/ welche beyde allein was sonderlichs
haben/ wie Scaliger erinnert/ kann also die
Deütsche denen beyden nicht verglichen wer-
den. Dieses/ weils droben im anfange schon
erörtert/ schreiten wier zur zierde der Dactyli-
schen Verse/ welche sonderlich wohl in acht zu
nehmen/ denn vors erste/ klingt es lieblich/

wenn
1. blumen vnd gras/ (brachycatalectus)
2. ob es ſich gleichet (Catalectus)
3. voͤllig dem ſchoͤnſten Topas/
4. Balde doch gaͤntzlich verbleichet;
5. Alſo vergehet vnd ſchwindet auch das/
6. welches vor ſchoͤnheit vnd Ehre wier achten.

Viel wollen die Dactyliſchen Verſe nicht
zulaſſen/ geben fuͤr/ ſie weren gantz falſch/ vnd
hetten keine rechte dactylos in ſich/ weil die po-
ſition
vnd doppellautende bald lang bald kurtz
geſetzt wuͤrden/ vnd wolte mañ rechte dactylos
machen/ ſo muͤſte mann den Griechen vnd La-
teinern in der quantitaͤt nachfolgen/ vnd gleich-
wohl machen eben ſie Jambiſche vnd Trochaͤi-
ſche/ vnd nehmens darinnen ſelbſt nicht in acht/
als wenn jene nicht ſo wohl Verſe weren als
dieſe/ vnd dieſe mehr erfoderten als jene. Es
hat aber die Deuͤtſche mit der Hebraͤiſchen/ wie
auch alle andre Sprachen gar eine andre be-
ſchaffenheit in Verſen als die Griechiſche vnd
Lateiniſche/ welche beyde allein was ſonderlichs
haben/ wie Scaliger erinnert/ kann alſo die
Deuͤtſche denen beyden nicht verglichen wer-
den. Dieſes/ weils droben im anfange ſchon
eroͤrtert/ ſchreiten wier zur zierde der Dactyli-
ſchen Verſe/ welche ſonderlich wohl in acht zu
nehmen/ denn vors erſte/ klingt es lieblich/

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[0032] 1. blumen vnd gras/ (brachycatalectus) 2. ob es ſich gleichet (Catalectus) 3. voͤllig dem ſchoͤnſten Topas/ 4. Balde doch gaͤntzlich verbleichet; 5. Alſo vergehet vnd ſchwindet auch das/ 6. welches vor ſchoͤnheit vnd Ehre wier achten. Viel wollen die Dactyliſchen Verſe nicht zulaſſen/ geben fuͤr/ ſie weren gantz falſch/ vnd hetten keine rechte dactylos in ſich/ weil die po- ſition vnd doppellautende bald lang bald kurtz geſetzt wuͤrden/ vnd wolte mañ rechte dactylos machen/ ſo muͤſte mann den Griechen vnd La- teinern in der quantitaͤt nachfolgen/ vnd gleich- wohl machen eben ſie Jambiſche vnd Trochaͤi- ſche/ vnd nehmens darinnen ſelbſt nicht in acht/ als wenn jene nicht ſo wohl Verſe weren als dieſe/ vnd dieſe mehr erfoderten als jene. Es hat aber die Deuͤtſche mit der Hebraͤiſchen/ wie auch alle andre Sprachen gar eine andre be- ſchaffenheit in Verſen als die Griechiſche vnd Lateiniſche/ welche beyde allein was ſonderlichs haben/ wie Scaliger erinnert/ kann alſo die Deuͤtſche denen beyden nicht verglichen wer- den. Dieſes/ weils droben im anfange ſchon eroͤrtert/ ſchreiten wier zur zierde der Dactyli- ſchen Verſe/ welche ſonderlich wohl in acht zu nehmen/ denn vors erſte/ klingt es lieblich/ wenn

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Zitationshilfe: Zesen, Philipp von: Deütscher Helicon. Bd. 1. Wittenberg, 1641, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_helikon01_1640/32>, abgerufen am 27.04.2024.