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Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879.

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III. Die Traditionen des Heidenthums.
welche sie durch diese Heroen bewirkt werden läßt. Schon Pao-hi
selbst soll einiges Wichtige, nemlich die Buchstaben (die "Figuren
des Y-king") und den Fischfang erfunden haben. Sein Nachfolger
Schin-ming (oder Schin-mung), d. h. der Ackermann, soll Ackerbau,
Handel und Märkte erfunden haben; deßgleichen soll er, der chinesische
Zeitgenosse oder Doppelgänger Kains und Abels, zuerst Opfer dar-
gebracht haben, bis der böse Riese Tschi-Yu ihn tödtete. Dieses
böse Ungeheuer Tschi-Yu (oder Tschi-Yeu) besiegte und tödtete
dann Hoang-ti, der dritte Urkaiser, eine besonders wichtige Figur
der mythischen Urgeschichte China's. Als Städte- und Paläste-
Erbauer entspricht derselbe merkwürdig dem Kainiten Hanoch, als
auf leuchtender Wolke gen Himmel hinaufgenommener aber gleich-
zeitig dem sethitischen Henoch. Eine Sage läßt bereits unter ihm,
durch Ling-lün, die Musik erfunden und in ihren Grundgesetzen
ausgebildet werden, während eine andre Ueberlieferung erst den
fünften Urkaiser Schum-hio als Erfinder der Musik sowie auch der
Himmelskunde nennt. Zwischen diesem fünften Kaiser und Hoang-ti
soll Schao-hao oder Kiven-hao regiert haben, der chinesische Thubal-
kain, Erfinder der Metallwerkzeuge, aber angeblich auch böser Zau-
berkünste und das Dämonencultus. Vom sechsten Kaiser Ti-ku
heißt es, er habe zuerst zwei Weiber genommen, vgl. den biblischen
Lamech. Der Dritte seiner drei Söhne Ki, Si und Jao, ist der
chinesische Sinfluthpatriarch, zugleich aber auch der Vervollkommner
der astronomischen Forschung; während seiner angeblich 100jährigen
Regierung soll der erste Komet in China genauer beobachtet worden
sein1). -- Die hie und da gemachten Versuche, diese ältesten chinesischen
Heroen vom ersten Menschen bis zur Fluth genau auf eine Zehnzahl
zu bringen,2) erscheinen gekünstelt und entsprechen der Mehrzahl der
alten Berichte nicht. Auch darin besteht keine Concordanz zwischen

1) Mädler, Geschichte der Himmelskunde I, 3 ff. Vgl. im Uebrigen Ebrard,
Apologetik, II, 288 f., sowie Lüken, S. 155--158 (woselbst auch einige
Quellenangaben).
2) So u. a. Lüken a. a. O., S. 157.

III. Die Traditionen des Heidenthums.
welche ſie durch dieſe Heroen bewirkt werden läßt. Schon Pao-hi
ſelbſt ſoll einiges Wichtige, nemlich die Buchſtaben (die „Figuren
des Y-king‟) und den Fiſchfang erfunden haben. Sein Nachfolger
Schin-ming (oder Schin-mung), d. h. der Ackermann, ſoll Ackerbau,
Handel und Märkte erfunden haben; deßgleichen ſoll er, der chineſiſche
Zeitgenoſſe oder Doppelgänger Kains und Abels, zuerſt Opfer dar-
gebracht haben, bis der böſe Rieſe Tſchi-Yu ihn tödtete. Dieſes
böſe Ungeheuer Tſchi-Yu (oder Tſchi-Yeu) beſiegte und tödtete
dann Hoang-ti, der dritte Urkaiſer, eine beſonders wichtige Figur
der mythiſchen Urgeſchichte China’s. Als Städte- und Paläſte-
Erbauer entſpricht derſelbe merkwürdig dem Kainiten Hanoch, als
auf leuchtender Wolke gen Himmel hinaufgenommener aber gleich-
zeitig dem ſethitiſchen Henoch. Eine Sage läßt bereits unter ihm,
durch Ling-lün, die Muſik erfunden und in ihren Grundgeſetzen
ausgebildet werden, während eine andre Ueberlieferung erſt den
fünften Urkaiſer Schum-hio als Erfinder der Muſik ſowie auch der
Himmelskunde nennt. Zwiſchen dieſem fünften Kaiſer und Hoang-ti
ſoll Schao-hao oder Kiven-hao regiert haben, der chineſiſche Thubal-
kain, Erfinder der Metallwerkzeuge, aber angeblich auch böſer Zau-
berkünſte und das Dämonencultus. Vom ſechſten Kaiſer Ti-ku
heißt es, er habe zuerſt zwei Weiber genommen, vgl. den bibliſchen
Lamech. Der Dritte ſeiner drei Söhne Ki, Si und Jao, iſt der
chineſiſche Sinfluthpatriarch, zugleich aber auch der Vervollkommner
der aſtronomiſchen Forſchung; während ſeiner angeblich 100jährigen
Regierung ſoll der erſte Komet in China genauer beobachtet worden
ſein1). — Die hie und da gemachten Verſuche, dieſe älteſten chineſiſchen
Heroen vom erſten Menſchen bis zur Fluth genau auf eine Zehnzahl
zu bringen,2) erſcheinen gekünſtelt und entſprechen der Mehrzahl der
alten Berichte nicht. Auch darin beſteht keine Concordanz zwiſchen

1) Mädler, Geſchichte der Himmelskunde I, 3 ff. Vgl. im Uebrigen Ebrard,
Apologetik, II, 288 f., ſowie Lüken, S. 155—158 (woſelbſt auch einige
Quellenangaben).
2) So u. a. Lüken a. a. O., S. 157.
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[86/0096] III. Die Traditionen des Heidenthums. welche ſie durch dieſe Heroen bewirkt werden läßt. Schon Pao-hi ſelbſt ſoll einiges Wichtige, nemlich die Buchſtaben (die „Figuren des Y-king‟) und den Fiſchfang erfunden haben. Sein Nachfolger Schin-ming (oder Schin-mung), d. h. der Ackermann, ſoll Ackerbau, Handel und Märkte erfunden haben; deßgleichen ſoll er, der chineſiſche Zeitgenoſſe oder Doppelgänger Kains und Abels, zuerſt Opfer dar- gebracht haben, bis der böſe Rieſe Tſchi-Yu ihn tödtete. Dieſes böſe Ungeheuer Tſchi-Yu (oder Tſchi-Yeu) beſiegte und tödtete dann Hoang-ti, der dritte Urkaiſer, eine beſonders wichtige Figur der mythiſchen Urgeſchichte China’s. Als Städte- und Paläſte- Erbauer entſpricht derſelbe merkwürdig dem Kainiten Hanoch, als auf leuchtender Wolke gen Himmel hinaufgenommener aber gleich- zeitig dem ſethitiſchen Henoch. Eine Sage läßt bereits unter ihm, durch Ling-lün, die Muſik erfunden und in ihren Grundgeſetzen ausgebildet werden, während eine andre Ueberlieferung erſt den fünften Urkaiſer Schum-hio als Erfinder der Muſik ſowie auch der Himmelskunde nennt. Zwiſchen dieſem fünften Kaiſer und Hoang-ti ſoll Schao-hao oder Kiven-hao regiert haben, der chineſiſche Thubal- kain, Erfinder der Metallwerkzeuge, aber angeblich auch böſer Zau- berkünſte und das Dämonencultus. Vom ſechſten Kaiſer Ti-ku heißt es, er habe zuerſt zwei Weiber genommen, vgl. den bibliſchen Lamech. Der Dritte ſeiner drei Söhne Ki, Si und Jao, iſt der chineſiſche Sinfluthpatriarch, zugleich aber auch der Vervollkommner der aſtronomiſchen Forſchung; während ſeiner angeblich 100jährigen Regierung ſoll der erſte Komet in China genauer beobachtet worden ſein 1). — Die hie und da gemachten Verſuche, dieſe älteſten chineſiſchen Heroen vom erſten Menſchen bis zur Fluth genau auf eine Zehnzahl zu bringen, 2) erſcheinen gekünſtelt und entſprechen der Mehrzahl der alten Berichte nicht. Auch darin beſteht keine Concordanz zwiſchen 1) Mädler, Geſchichte der Himmelskunde I, 3 ff. Vgl. im Uebrigen Ebrard, Apologetik, II, 288 f., ſowie Lüken, S. 155—158 (woſelbſt auch einige Quellenangaben). 2) So u. a. Lüken a. a. O., S. 157.

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Zitationshilfe: Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zoeckler_lehre_1879/96>, abgerufen am 29.04.2024.