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Mattioli, Pietro Andrea: Theatrvm Botanicvm, Das ist: Neu Vollkommenes Kräuter-Buch (Übers. Theodor Zwinger). Basel, 1690.

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Das Erste Buch/
[Spaltenumbruch] [Abbildung] Kleiner Feigenbaum. Chamaeficus Lob.
vorigen anderst nicht vnterscheiden/ als der
Pflantzung wegen/ da der wilde ohngepflantzt
für sich selbsten wachßt/ vnd nicht so gute
Früchten bringt/ als der sonderlich in den
Gärten gepflantzte und wol abgewartete
Baum bringen kan.

Gestalt.

Der Feigenbaum wachset zwar nicht gar
hoch; jedoch aber kan der Stamm/ durch
fleißige Pfleg und Wart zur Manns-höche
gebracht werden. Er wil warme und mit-
telmäßige Lufft haben; gegen Auffgang
und Mittag soll er frey stehen/ aber gegen
Mitternacht und Abend versichert seyn. Die
Rinde ist aschen-farb/ zart und dünn/ wenn
dieselbe geritzt wird/ laßt sie einen weißlich-
ten/ bitteren/ klebrichten Milchsafft von sich
fliessen/ so dem Geruch nach/ gleichwie auch
andere Theile des Baums sich der Rauten
vergleichen. Die Aeste sind anfangs grün/
hernach werden sie dem Stamm an der Farb
ähnlich. Sie vergleichen sich auch mit den
Weinreben/ denn sie lassen sich biegen/ zie-
hen und anhefften. Daher kan man die
Winterhäuser der Pomerantzen- und Citro-
nen-wände/ gegen Mitternacht/ welche ge-
meiniglich den Sommer durch stehen blei-
ben/ damit bekleiden/ und an Geländer an-
hefften. Sie geben nicht allein dem Garten
zu Sommers-zeit eine schöne Zierd/ in dem
sie mit ihrem grünen und breiten Laub die
gantze Wand bedecken/ sonder man kan auch
den Sommer durch und durch die Menge
zeitiger Feigen davon haben. Die Wurtzeln
sind gelb/ viel und zasicht/ schlieffen nicht
tieff in die Erden/ sondern breiten sich umb
den Stamm auß/ darumbkan er nicht das gan-
tze Jahr über im Feld dauren/ sondern/ so
er darinnen stehet/ (wo er nicht im vorge-
[Spaltenumbruch] dachten Pomerantzen-hauß seine stell hat) vor
Winters außgehaben/ und in einen Keller
gethan werden muß: Derowegen werden in
Teutschland meistentheils Feigenbäum in
grossen Scherben/ und in höltzernen Küblen
behalten/ daß sie im Herbst abgehaben/ und
zu andern Bäumen in die Winterung kön-
nen getragen werden. Es will auch dieser
Baum eine fleißige Wart haben/ denn in
sandichtem und magerem Grund kommet er
nicht fort/ die Früchte heben zeitlich an zu
welcken/ zu verderben und abzufallen/ dero-
halben muß ihm gutes schwartzes Erdreich
gegeben/ dasselbige offt gehacket/ und im
Herbst mit Vogel-mist getünget und vermi-
schet werden. Die Blätter sind dem Weinre-
ben-laub nicht unähnlich/ groß/ breit/ rauch/
starck/ und gleichsam von aussenher/ (mei-
stens an fünff Orten) eingeschnitten. Jns
gemein sagen die Baum-gärtner; dieser
Baum bringe seine Früchte ohne einige vor-
hergehende Blüte/ sondern stosse zugleich mit
den Blättern seine Frücht herfür/ welche
erstlich wie ein klein Knöpfflein oder Wär-
tzel ist/ (die Lateiner nennen sie Grossos) mit
der Zeit aber zu einer Feigen wird/ und al-
lererst im andern Jahr zeitiget. Aber Cor-
dus, Bauhinus,
und nach ihnen alle heutigen
berühmten Botanici haben in acht genom-
men/ daß der Feigenbaum seine Blüthe in-
wendig in der Frucht habe/ denn wenn die
obbemeldte Frucht beginnet zu ihrer Voll-
kommenheit zu gelangen/ und bereits die
Grösse und Figur einer kleinen Birn über-
kommen/ so ereignen sich in der Feigen zar-
te Fäserlein/ welche weiß vnd purpurfarb
sind; dieselbe wachsen auß dem Fleisch der
Feigen/ machen mitten in der Frucht eine
Höle und geben also die wahre Blüte der
Feigen ab/ welche viel hundert Jahr unbe-
kand war/ und erst von dem berühmten
Kräuter-beschreiber Cordo erfunden worden.

Die Frucht welche man Feigen heisset/
wachset langsam/ und wenn sie recht zeiti-
get/ wird sie süß und lieblich zu essen; Der
Feigen werden underschiedliche Arten gefun-
den/ davon einige ihren Namen von der äus-
serlichen Gestalt her haben; wie denn etliche
länglicht rund sind/ wie die Birn; etliche
scheibel-rund/ wie die Aepffel; andere halten
das mittel. Andere haben den Namen von
der Farb: denn es schwartze/ grüne/ blaue/
gelbe/ purpurfarbe und braune Feigen gibt.
Jn Jtalien werden sie nach den Landschaff-
ten/ in welchen sie wachsen/ genennet: Denn
immer eine Landschafft die andere mit Güte
übertrifft. Das Fleisch an den zeitigen Fei-
gen ist weich/ und inwendig/ da die Blühte
gewest/ voller Körnlein. Etliche wollen/ man
könne auß den zeitigen Körnlein/ als auß ei-
nem Samen/ junge Bäumlein erziehen/ aber
wir wollens in Teutschland nicht versuchen/
weil wir von denen/ auß den Wurtzeln her-
für wachsenden Schößlingen genugsam jun-
ge Bäumlein haben können. Wer es will
probieren/ der kan ihn auch under die Rin-
den impffen im Aprill. Etliche halten dafur
daß solches noch umb St. Viti Tag gesche-
hen könne/ weil der Feigenbaum immer/ auch
den Sommer durch/ seine Feuchtigkeit habe.
Jn Maulbeer-Ahorn- und Eppichbaum kan
er beydes mit Aeuglein und Reisern versetzet
werden.

Zwey

Das Erſte Buch/
[Spaltenumbruch] [Abbildung] Kleiner Feigenbaum. Chamæficus Lob.
vorigen anderſt nicht vnterſcheiden/ als der
Pflantzung wegen/ da der wilde ohngepflantzt
fuͤr ſich ſelbſten wachßt/ vnd nicht ſo gute
Fruͤchten bringt/ als der ſonderlich in den
Gaͤrten gepflantzte und wol abgewartete
Baum bringen kan.

Geſtalt.

Der Feigenbaum wachſet zwar nicht gar
hoch; jedoch aber kan der Stam̃/ durch
fleißige Pfleg und Wart zur Manns-hoͤche
gebracht werden. Er wil warme und mit-
telmaͤßige Lufft haben; gegen Auffgang
und Mittag ſoll er frey ſtehen/ aber gegen
Mitternacht und Abend verſichert ſeyn. Die
Rinde iſt aſchen-farb/ zart und duͤnn/ wenn
dieſelbe geritzt wird/ laßt ſie einen weißlich-
ten/ bitteren/ klebrichten Milchſafft von ſich
flieſſen/ ſo dem Geruch nach/ gleichwie auch
andere Theile des Baums ſich der Rauten
vergleichen. Die Aeſte ſind anfangs gruͤn/
hernach werden ſie dem Stam̃ an der Farb
aͤhnlich. Sie vergleichen ſich auch mit den
Weinreben/ denn ſie laſſen ſich biegen/ zie-
hen und anhefften. Daher kan man die
Winterhaͤuſer der Pomerantzen- und Citro-
nen-waͤnde/ gegen Mitternacht/ welche ge-
meiniglich den Sommer durch ſtehen blei-
ben/ damit bekleiden/ und an Gelaͤnder an-
hefften. Sie geben nicht allein dem Garten
zu Sommers-zeit eine ſchoͤne Zierd/ in dem
ſie mit ihrem gruͤnen und breiten Laub die
gantze Wand bedecken/ ſonder man kan auch
den Sommer durch und durch die Menge
zeitiger Feigen davon haben. Die Wurtzeln
ſind gelb/ viel und zaſicht/ ſchlieffen nicht
tieff in die Erden/ ſondern breiten ſich umb
den Stam̃ auß/ darumbkan er nicht das gan-
tze Jahr uͤber im Feld dauren/ ſondern/ ſo
er darinnen ſtehet/ (wo er nicht im vorge-
[Spaltenumbruch] dachten Pomerantzen-hauß ſeine ſtell hat) vor
Winters außgehaben/ und in einen Keller
gethan werden muß: Derowegen werden in
Teutſchland meiſtentheils Feigenbaͤum in
groſſen Scherben/ und in hoͤltzernen Kuͤblen
behalten/ daß ſie im Herbſt abgehaben/ und
zu andern Baͤumen in die Winterung koͤn-
nen getragen werden. Es will auch dieſer
Baum eine fleißige Wart haben/ denn in
ſandichtem und magerem Grund kommet er
nicht fort/ die Fruͤchte heben zeitlich an zu
welcken/ zu verderben und abzufallen/ dero-
halben muß ihm gutes ſchwartzes Erdreich
gegeben/ daſſelbige offt gehacket/ und im
Herbſt mit Vogel-miſt getuͤnget und vermi-
ſchet werden. Die Blaͤtter ſind dem Weinre-
ben-laub nicht unaͤhnlich/ groß/ breit/ rauch/
ſtarck/ und gleichſam von auſſenher/ (mei-
ſtens an fuͤnff Orten) eingeſchnitten. Jns
gemein ſagen die Baum-gaͤrtner; dieſer
Baum bringe ſeine Fruͤchte ohne einige vor-
hergehende Bluͤte/ ſondern ſtoſſe zugleich mit
den Blaͤttern ſeine Fruͤcht herfuͤr/ welche
erſtlich wie ein klein Knoͤpfflein oder Waͤr-
tzel iſt/ (die Lateiner nennen ſie Groſſos) mit
der Zeit aber zu einer Feigen wird/ und al-
lererſt im andern Jahr zeitiget. Aber Cor-
dus, Bauhinus,
und nach ihnen alle heutigen
beruͤhmten Botanici haben in acht genom-
men/ daß der Feigenbaum ſeine Bluͤthe in-
wendig in der Frucht habe/ denn wenn die
obbemeldte Frucht beginnet zu ihrer Voll-
kommenheit zu gelangen/ und bereits die
Groͤſſe und Figur einer kleinen Birn uͤber-
kommen/ ſo ereignen ſich in der Feigen zar-
te Faͤſerlein/ welche weiß vnd purpurfarb
ſind; dieſelbe wachſen auß dem Fleiſch der
Feigen/ machen mitten in der Frucht eine
Hoͤle und geben alſo die wahre Bluͤte der
Feigen ab/ welche viel hundert Jahr unbe-
kand war/ und erſt von dem beruͤhmten
Kraͤuter-beſchreiber Cordo erfunden worden.

Die Frucht welche man Feigen heiſſet/
wachſet langſam/ und wenn ſie recht zeiti-
get/ wird ſie ſuͤß und lieblich zu eſſen; Der
Feigen werden underſchiedliche Arten gefun-
den/ davon einige ihren Namen von der aͤuſ-
ſerlichen Geſtalt her haben; wie denn etliche
laͤnglicht rund ſind/ wie die Birn; etliche
ſcheibel-rund/ wie die Aepffel; andere halten
das mittel. Andere haben den Namen von
der Farb: denn es ſchwartze/ gruͤne/ blaue/
gelbe/ purpurfarbe und braune Feigen gibt.
Jn Jtalien werden ſie nach den Landſchaff-
ten/ in welchen ſie wachſen/ genennet: Denn
immer eine Landſchafft die andere mit Guͤte
uͤbertrifft. Das Fleiſch an den zeitigen Fei-
gen iſt weich/ und inwendig/ da die Bluͤhte
geweſt/ voller Koͤrnlein. Etliche wollen/ man
koͤnne auß den zeitigen Koͤrnlein/ als auß ei-
nem Samen/ junge Baͤumlein erziehen/ aber
wir wollens in Teutſchland nicht verſuchen/
weil wir von denen/ auß den Wurtzeln her-
fuͤr wachſenden Schoͤßlingen genugſam jun-
ge Baͤumlein haben koͤnnen. Wer es will
probieren/ der kan ihn auch under die Rin-
den impffen im Aprill. Etliche halten dafur
daß ſolches noch umb St. Viti Tag geſche-
hen koͤnne/ weil der Feigenbaum immer/ auch
den Sommer durch/ ſeine Feuchtigkeit habe.
Jn Maulbeer-Ahorn- und Eppichbaum kan
er beydes mit Aeuglein und Reiſern verſetzet
werden.

Zwey
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[18/0034] Das Erſte Buch/ [Abbildung Kleiner Feigenbaum. Chamæficus Lob. ] vorigen anderſt nicht vnterſcheiden/ als der Pflantzung wegen/ da der wilde ohngepflantzt fuͤr ſich ſelbſten wachßt/ vnd nicht ſo gute Fruͤchten bringt/ als der ſonderlich in den Gaͤrten gepflantzte und wol abgewartete Baum bringen kan. Geſtalt. Der Feigenbaum wachſet zwar nicht gar hoch; jedoch aber kan der Stam̃/ durch fleißige Pfleg und Wart zur Manns-hoͤche gebracht werden. Er wil warme und mit- telmaͤßige Lufft haben; gegen Auffgang und Mittag ſoll er frey ſtehen/ aber gegen Mitternacht und Abend verſichert ſeyn. Die Rinde iſt aſchen-farb/ zart und duͤnn/ wenn dieſelbe geritzt wird/ laßt ſie einen weißlich- ten/ bitteren/ klebrichten Milchſafft von ſich flieſſen/ ſo dem Geruch nach/ gleichwie auch andere Theile des Baums ſich der Rauten vergleichen. Die Aeſte ſind anfangs gruͤn/ hernach werden ſie dem Stam̃ an der Farb aͤhnlich. Sie vergleichen ſich auch mit den Weinreben/ denn ſie laſſen ſich biegen/ zie- hen und anhefften. Daher kan man die Winterhaͤuſer der Pomerantzen- und Citro- nen-waͤnde/ gegen Mitternacht/ welche ge- meiniglich den Sommer durch ſtehen blei- ben/ damit bekleiden/ und an Gelaͤnder an- hefften. Sie geben nicht allein dem Garten zu Sommers-zeit eine ſchoͤne Zierd/ in dem ſie mit ihrem gruͤnen und breiten Laub die gantze Wand bedecken/ ſonder man kan auch den Sommer durch und durch die Menge zeitiger Feigen davon haben. Die Wurtzeln ſind gelb/ viel und zaſicht/ ſchlieffen nicht tieff in die Erden/ ſondern breiten ſich umb den Stam̃ auß/ darumbkan er nicht das gan- tze Jahr uͤber im Feld dauren/ ſondern/ ſo er darinnen ſtehet/ (wo er nicht im vorge- dachten Pomerantzen-hauß ſeine ſtell hat) vor Winters außgehaben/ und in einen Keller gethan werden muß: Derowegen werden in Teutſchland meiſtentheils Feigenbaͤum in groſſen Scherben/ und in hoͤltzernen Kuͤblen behalten/ daß ſie im Herbſt abgehaben/ und zu andern Baͤumen in die Winterung koͤn- nen getragen werden. Es will auch dieſer Baum eine fleißige Wart haben/ denn in ſandichtem und magerem Grund kommet er nicht fort/ die Fruͤchte heben zeitlich an zu welcken/ zu verderben und abzufallen/ dero- halben muß ihm gutes ſchwartzes Erdreich gegeben/ daſſelbige offt gehacket/ und im Herbſt mit Vogel-miſt getuͤnget und vermi- ſchet werden. Die Blaͤtter ſind dem Weinre- ben-laub nicht unaͤhnlich/ groß/ breit/ rauch/ ſtarck/ und gleichſam von auſſenher/ (mei- ſtens an fuͤnff Orten) eingeſchnitten. Jns gemein ſagen die Baum-gaͤrtner; dieſer Baum bringe ſeine Fruͤchte ohne einige vor- hergehende Bluͤte/ ſondern ſtoſſe zugleich mit den Blaͤttern ſeine Fruͤcht herfuͤr/ welche erſtlich wie ein klein Knoͤpfflein oder Waͤr- tzel iſt/ (die Lateiner nennen ſie Groſſos) mit der Zeit aber zu einer Feigen wird/ und al- lererſt im andern Jahr zeitiget. Aber Cor- dus, Bauhinus, und nach ihnen alle heutigen beruͤhmten Botanici haben in acht genom- men/ daß der Feigenbaum ſeine Bluͤthe in- wendig in der Frucht habe/ denn wenn die obbemeldte Frucht beginnet zu ihrer Voll- kommenheit zu gelangen/ und bereits die Groͤſſe und Figur einer kleinen Birn uͤber- kommen/ ſo ereignen ſich in der Feigen zar- te Faͤſerlein/ welche weiß vnd purpurfarb ſind; dieſelbe wachſen auß dem Fleiſch der Feigen/ machen mitten in der Frucht eine Hoͤle und geben alſo die wahre Bluͤte der Feigen ab/ welche viel hundert Jahr unbe- kand war/ und erſt von dem beruͤhmten Kraͤuter-beſchreiber Cordo erfunden worden. Die Frucht welche man Feigen heiſſet/ wachſet langſam/ und wenn ſie recht zeiti- get/ wird ſie ſuͤß und lieblich zu eſſen; Der Feigen werden underſchiedliche Arten gefun- den/ davon einige ihren Namen von der aͤuſ- ſerlichen Geſtalt her haben; wie denn etliche laͤnglicht rund ſind/ wie die Birn; etliche ſcheibel-rund/ wie die Aepffel; andere halten das mittel. Andere haben den Namen von der Farb: denn es ſchwartze/ gruͤne/ blaue/ gelbe/ purpurfarbe und braune Feigen gibt. Jn Jtalien werden ſie nach den Landſchaff- ten/ in welchen ſie wachſen/ genennet: Denn immer eine Landſchafft die andere mit Guͤte uͤbertrifft. Das Fleiſch an den zeitigen Fei- gen iſt weich/ und inwendig/ da die Bluͤhte geweſt/ voller Koͤrnlein. Etliche wollen/ man koͤnne auß den zeitigen Koͤrnlein/ als auß ei- nem Samen/ junge Baͤumlein erziehen/ aber wir wollens in Teutſchland nicht verſuchen/ weil wir von denen/ auß den Wurtzeln her- fuͤr wachſenden Schoͤßlingen genugſam jun- ge Baͤumlein haben koͤnnen. Wer es will probieren/ der kan ihn auch under die Rin- den impffen im Aprill. Etliche halten dafur daß ſolches noch umb St. Viti Tag geſche- hen koͤnne/ weil der Feigenbaum immer/ auch den Sommer durch/ ſeine Feuchtigkeit habe. Jn Maulbeer-Ahorn- und Eppichbaum kan er beydes mit Aeuglein und Reiſern verſetzet werden. Zwey

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Zitationshilfe: Mattioli, Pietro Andrea: Theatrvm Botanicvm, Das ist: Neu Vollkommenes Kräuter-Buch (Übers. Theodor Zwinger). Basel, 1690, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zwinger_theatrum_1690/34>, abgerufen am 29.04.2024.