Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1832.

Bild:
<< vorherige Seite

jede Aenderung der Richtung als eine neue Explosion anzusehen
sei. Es ist sehr glaublich, daß diese Meinung der Hauptsache nach
richtig ist, da sich einsehen läßt, daß diese auf einander folgenden
Donner sehr schnell nach einander gehört werden müßten, wenn
der Blitz den kurzen Weg BA (Fig. 99.) von der Wolke herab,
beinahe gerade gegen den Beobachter A zu, durchläuft, daß dagegen,
wenn der Blitz BH in B, in D, in E, F, G, H, einzelne Don-
ner hervorbringt, ein Beobachter in C die in FG, entstandenen
Donner eher als die in D, B, entstandenen hören wird, obgleich
der Blitz von B nach H gegangen ist.

Electricität in der Atmosphäre bei heiterem Himmel.

Ehe ich von der Entstehung der Gewitter rede, scheint es mir
nöthig, von dem electrischen Zustande der Luft an heiteren Tagen
etwas zu sagen.

Als man darauf aufmerksam geworden war, daß wir die Ge-
witter-Electricität durch unsre gewöhnlichen electrometrischen In-
strumente kenntlich machen könne, bemerkte man auch bald, daß
selbst bei heiterm Himmel die Luft electrisch ist, und daß man mei-
stens die höhern Luftschichten mehr positiv-electrisch als die untern
findet. Cavallo, Beccaria, u. a. haben Beobachtungen hier-
über angestellt; aber Saussure und Volta verdienen vorzüg-
lich hier genannt zu werden. Der erstere zeigte, daß ein gewöhn-
liches empfindliches Electrometer, mit einer 2 Fuß hohen metallenen
Spitze versehen, schon wenn man es nur einige Fuße hebt, einen
veränderten electrischen Zustand kenntlich macht, und Volta fand,
daß die Empfindlichkeit des Electrometers noch vermehrt wird,
wenn man auf diesem Leiter eine Flamme anzündet. Diese Flamme
führt nämlich den Leitern des Electrometers die in der Luft ent-
haltene Electricität zu, und sammelt diese so sehr, daß man eine
electrische Flasche damit laden kann. Nach Volta's Anleitung
soll man auf die Spitze des Electrometers einen brennenden Schwe-
felfaden oder ein Wachslichtchen setzen, und während diese Flamme
eine Viertelstunde unterhalten wird, eine Flasche an das Electro-
meter halten; diese ladet sich, und wird endlich so weit geladen,
daß die Kugeln oder Strohhälmchen des Electrometers aus ein-
ander gehen. Will man dann die Stärke der Luft-Electricität

jede Aenderung der Richtung als eine neue Exploſion anzuſehen
ſei. Es iſt ſehr glaublich, daß dieſe Meinung der Hauptſache nach
richtig iſt, da ſich einſehen laͤßt, daß dieſe auf einander folgenden
Donner ſehr ſchnell nach einander gehoͤrt werden muͤßten, wenn
der Blitz den kurzen Weg BA (Fig. 99.) von der Wolke herab,
beinahe gerade gegen den Beobachter A zu, durchlaͤuft, daß dagegen,
wenn der Blitz BH in B, in D, in E, F, G, H, einzelne Don-
ner hervorbringt, ein Beobachter in C die in FG, entſtandenen
Donner eher als die in D, B, entſtandenen hoͤren wird, obgleich
der Blitz von B nach H gegangen iſt.

Electricitaͤt in der Atmoſphaͤre bei heiterem Himmel.

Ehe ich von der Entſtehung der Gewitter rede, ſcheint es mir
noͤthig, von dem electriſchen Zuſtande der Luft an heiteren Tagen
etwas zu ſagen.

Als man darauf aufmerkſam geworden war, daß wir die Ge-
witter-Electricitaͤt durch unſre gewoͤhnlichen electrometriſchen In-
ſtrumente kenntlich machen koͤnne, bemerkte man auch bald, daß
ſelbſt bei heiterm Himmel die Luft electriſch iſt, und daß man mei-
ſtens die hoͤhern Luftſchichten mehr poſitiv-electriſch als die untern
findet. Cavallo, Beccaria, u. a. haben Beobachtungen hier-
uͤber angeſtellt; aber Sauſſure und Volta verdienen vorzuͤg-
lich hier genannt zu werden. Der erſtere zeigte, daß ein gewoͤhn-
liches empfindliches Electrometer, mit einer 2 Fuß hohen metallenen
Spitze verſehen, ſchon wenn man es nur einige Fuße hebt, einen
veraͤnderten electriſchen Zuſtand kenntlich macht, und Volta fand,
daß die Empfindlichkeit des Electrometers noch vermehrt wird,
wenn man auf dieſem Leiter eine Flamme anzuͤndet. Dieſe Flamme
fuͤhrt naͤmlich den Leitern des Electrometers die in der Luft ent-
haltene Electricitaͤt zu, und ſammelt dieſe ſo ſehr, daß man eine
electriſche Flaſche damit laden kann. Nach Volta's Anleitung
ſoll man auf die Spitze des Electrometers einen brennenden Schwe-
felfaden oder ein Wachslichtchen ſetzen, und waͤhrend dieſe Flamme
eine Viertelſtunde unterhalten wird, eine Flaſche an das Electro-
meter halten; dieſe ladet ſich, und wird endlich ſo weit geladen,
daß die Kugeln oder Strohhaͤlmchen des Electrometers aus ein-
ander gehen. Will man dann die Staͤrke der Luft-Electricitaͤt

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0332" n="318"/>
jede Aenderung der Richtung als eine neue Explo&#x017F;ion anzu&#x017F;ehen<lb/>
&#x017F;ei. Es i&#x017F;t &#x017F;ehr glaublich, daß die&#x017F;e Meinung der Haupt&#x017F;ache nach<lb/>
richtig i&#x017F;t, da &#x017F;ich ein&#x017F;ehen la&#x0364;ßt, daß die&#x017F;e auf einander folgenden<lb/>
Donner &#x017F;ehr &#x017F;chnell nach einander geho&#x0364;rt werden mu&#x0364;ßten, wenn<lb/>
der Blitz den kurzen Weg <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">BA</hi></hi> (<hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">Fig. 99.</hi></hi>) von der Wolke herab,<lb/>
beinahe gerade gegen den Beobachter <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">A</hi></hi> zu, durchla&#x0364;uft, daß dagegen,<lb/>
wenn der Blitz <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">BH</hi></hi> in <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">B,</hi></hi> in <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">D,</hi></hi> in <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">E, F, G, H,</hi></hi> einzelne Don-<lb/>
ner hervorbringt, ein Beobachter in <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">C</hi></hi> die in <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">FG,</hi></hi> ent&#x017F;tandenen<lb/>
Donner eher als die in <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">D, B,</hi></hi> ent&#x017F;tandenen ho&#x0364;ren wird, obgleich<lb/>
der Blitz von <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">B</hi></hi> nach <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">H</hi></hi> gegangen i&#x017F;t.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#g">Electricita&#x0364;t in der Atmo&#x017F;pha&#x0364;re bei heiterem Himmel</hi>.</head><lb/>
          <p>Ehe ich von der Ent&#x017F;tehung der Gewitter rede, &#x017F;cheint es mir<lb/>
no&#x0364;thig, von dem electri&#x017F;chen Zu&#x017F;tande der Luft an heiteren Tagen<lb/>
etwas zu &#x017F;agen.</p><lb/>
          <p>Als man darauf aufmerk&#x017F;am geworden war, daß wir die Ge-<lb/>
witter-Electricita&#x0364;t durch un&#x017F;re gewo&#x0364;hnlichen electrometri&#x017F;chen In-<lb/>
&#x017F;trumente kenntlich machen ko&#x0364;nne, bemerkte man auch bald, daß<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t bei heiterm Himmel die Luft electri&#x017F;ch i&#x017F;t, und daß man mei-<lb/>
&#x017F;tens die ho&#x0364;hern Luft&#x017F;chichten mehr po&#x017F;itiv-electri&#x017F;ch als die untern<lb/>
findet. <hi rendition="#g">Cavallo</hi>, <hi rendition="#g">Beccaria</hi>, u. a. haben Beobachtungen hier-<lb/>
u&#x0364;ber ange&#x017F;tellt; aber <hi rendition="#g">Sau&#x017F;&#x017F;ure</hi> und <hi rendition="#g">Volta</hi> verdienen vorzu&#x0364;g-<lb/>
lich hier genannt zu werden. Der er&#x017F;tere zeigte, daß ein gewo&#x0364;hn-<lb/>
liches empfindliches Electrometer, mit einer 2 Fuß hohen metallenen<lb/>
Spitze ver&#x017F;ehen, &#x017F;chon wenn man es nur einige Fuße hebt, einen<lb/>
vera&#x0364;nderten electri&#x017F;chen Zu&#x017F;tand kenntlich macht, und <hi rendition="#g">Volta</hi> fand,<lb/>
daß die Empfindlichkeit des Electrometers noch vermehrt wird,<lb/>
wenn man auf die&#x017F;em Leiter eine Flamme anzu&#x0364;ndet. Die&#x017F;e Flamme<lb/>
fu&#x0364;hrt na&#x0364;mlich den Leitern des Electrometers die in der Luft ent-<lb/>
haltene Electricita&#x0364;t zu, und &#x017F;ammelt die&#x017F;e &#x017F;o &#x017F;ehr, daß man eine<lb/>
electri&#x017F;che Fla&#x017F;che damit laden kann. Nach <hi rendition="#g">Volta's</hi> Anleitung<lb/>
&#x017F;oll man auf die Spitze des Electrometers einen brennenden Schwe-<lb/>
felfaden oder ein Wachslichtchen &#x017F;etzen, und wa&#x0364;hrend die&#x017F;e Flamme<lb/>
eine Viertel&#x017F;tunde unterhalten wird, eine Fla&#x017F;che an das Electro-<lb/>
meter halten; die&#x017F;e ladet &#x017F;ich, und wird endlich &#x017F;o weit geladen,<lb/>
daß die Kugeln oder Strohha&#x0364;lmchen des Electrometers aus ein-<lb/>
ander gehen. Will man dann die Sta&#x0364;rke der Luft-Electricita&#x0364;t<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[318/0332] jede Aenderung der Richtung als eine neue Exploſion anzuſehen ſei. Es iſt ſehr glaublich, daß dieſe Meinung der Hauptſache nach richtig iſt, da ſich einſehen laͤßt, daß dieſe auf einander folgenden Donner ſehr ſchnell nach einander gehoͤrt werden muͤßten, wenn der Blitz den kurzen Weg BA (Fig. 99.) von der Wolke herab, beinahe gerade gegen den Beobachter A zu, durchlaͤuft, daß dagegen, wenn der Blitz BH in B, in D, in E, F, G, H, einzelne Don- ner hervorbringt, ein Beobachter in C die in FG, entſtandenen Donner eher als die in D, B, entſtandenen hoͤren wird, obgleich der Blitz von B nach H gegangen iſt. Electricitaͤt in der Atmoſphaͤre bei heiterem Himmel. Ehe ich von der Entſtehung der Gewitter rede, ſcheint es mir noͤthig, von dem electriſchen Zuſtande der Luft an heiteren Tagen etwas zu ſagen. Als man darauf aufmerkſam geworden war, daß wir die Ge- witter-Electricitaͤt durch unſre gewoͤhnlichen electrometriſchen In- ſtrumente kenntlich machen koͤnne, bemerkte man auch bald, daß ſelbſt bei heiterm Himmel die Luft electriſch iſt, und daß man mei- ſtens die hoͤhern Luftſchichten mehr poſitiv-electriſch als die untern findet. Cavallo, Beccaria, u. a. haben Beobachtungen hier- uͤber angeſtellt; aber Sauſſure und Volta verdienen vorzuͤg- lich hier genannt zu werden. Der erſtere zeigte, daß ein gewoͤhn- liches empfindliches Electrometer, mit einer 2 Fuß hohen metallenen Spitze verſehen, ſchon wenn man es nur einige Fuße hebt, einen veraͤnderten electriſchen Zuſtand kenntlich macht, und Volta fand, daß die Empfindlichkeit des Electrometers noch vermehrt wird, wenn man auf dieſem Leiter eine Flamme anzuͤndet. Dieſe Flamme fuͤhrt naͤmlich den Leitern des Electrometers die in der Luft ent- haltene Electricitaͤt zu, und ſammelt dieſe ſo ſehr, daß man eine electriſche Flaſche damit laden kann. Nach Volta's Anleitung ſoll man auf die Spitze des Electrometers einen brennenden Schwe- felfaden oder ein Wachslichtchen ſetzen, und waͤhrend dieſe Flamme eine Viertelſtunde unterhalten wird, eine Flaſche an das Electro- meter halten; dieſe ladet ſich, und wird endlich ſo weit geladen, daß die Kugeln oder Strohhaͤlmchen des Electrometers aus ein- ander gehen. Will man dann die Staͤrke der Luft-Electricitaͤt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre03_1832
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre03_1832/332
Zitationshilfe: Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1832, S. 318. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre03_1832/332>, abgerufen am 30.04.2024.