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Cohn, Gustav: Die deutsche Frauenbewegung. Berlin, 1896.

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erfüllung gehört. Und die häuslichen Pflichten verlangen neben
dem Ernste ein so hohes Maß von Jntelligenz, daß hohe
geistige Bildung ihnen nicht feindlich, sondern förderlich ist.
Auch zeigt uns das Beispiel des männlichen Geschlechts, wie
gut sich derlei verschiedene Gattungen der Arbeit vereinigen
lassen; wie sehr es einem Manne der studirten Berufsart zum
Heile gereicht, wenn er täglich ein paar Stunden in seinem
Garten arbeitet, statt sich elf Monate des Jahres krumm zu
sitzen und dann durch ein paar Wochen Bergeklettern das alles
wieder gutmachen zu wollen*); wie trefflich sich mit großer
Gelehrsamkeit ein Leben in der Landwirthschaft oder auf der
Jagd vereinigt, und wie in der That der Bücherwurm in dem
süddeutschen Wochenblatt mit den schlechten Witzen und den
guten Bildern ein kümmerlicher Nachklang der Vergangenheit
zu werden beginnt.

Auch fehlt es nicht an großen, glänzenden Beispielen, die
jene Einheit der Begabung und der Pflichterfüllung in einer
Frau beweisen. Ein solches Beispiel war Therese Huber, die
Tochter des Philologen Heyne, die Mutter Victor Aime Huber's.
Von ihr schreibt Wilhelm von Humboldt**), der sie als Student
in Göttingen 1789 kennen gelernt hatte, bei der Nachricht von

*) Aus Oxford (23. October 1848: "Lebenserinnerungen", S. 110)
schreibt Reinhold Pauli von den Engländern: "Wohl keine Nation
mag so vollkommen die Kunst verstehen, die Arbeiten des Körpers
und des Geistes im Gleichgewicht zu erhalten." Jn der neuesten Zeit
ist manches davon auf das Festland, zumal nach Deutschland, her-
über gebracht worden und dringt immer mehr in die deutschen Sitten
ein. Selbst das Uebermaß der körperlichen Uebungen, welches man
auf englischen Universitäten beobachtet, kommt doch wenigstens der
Gesundheit zu Gute, wenn es die wissenschaftliche Arbeit schädigt; aber
das Uebermaß des Biertrinkens schädigt Körper und Geist zugleich.
**) Elvers, V. A. Huber. 1872. Bd. I, S. 30.

erfüllung gehört. Und die häuslichen Pflichten verlangen neben
dem Ernste ein so hohes Maß von Jntelligenz, daß hohe
geistige Bildung ihnen nicht feindlich, sondern förderlich ist.
Auch zeigt uns das Beispiel des männlichen Geschlechts, wie
gut sich derlei verschiedene Gattungen der Arbeit vereinigen
lassen; wie sehr es einem Manne der studirten Berufsart zum
Heile gereicht, wenn er täglich ein paar Stunden in seinem
Garten arbeitet, statt sich elf Monate des Jahres krumm zu
sitzen und dann durch ein paar Wochen Bergeklettern das alles
wieder gutmachen zu wollen*); wie trefflich sich mit großer
Gelehrsamkeit ein Leben in der Landwirthschaft oder auf der
Jagd vereinigt, und wie in der That der Bücherwurm in dem
süddeutschen Wochenblatt mit den schlechten Witzen und den
guten Bildern ein kümmerlicher Nachklang der Vergangenheit
zu werden beginnt.

Auch fehlt es nicht an großen, glänzenden Beispielen, die
jene Einheit der Begabung und der Pflichterfüllung in einer
Frau beweisen. Ein solches Beispiel war Therese Huber, die
Tochter des Philologen Heyne, die Mutter Victor Aimé Huber's.
Von ihr schreibt Wilhelm von Humboldt**), der sie als Student
in Göttingen 1789 kennen gelernt hatte, bei der Nachricht von

*) Aus Oxford (23. October 1848: „Lebenserinnerungen“, S. 110)
schreibt Reinhold Pauli von den Engländern: „Wohl keine Nation
mag so vollkommen die Kunst verstehen, die Arbeiten des Körpers
und des Geistes im Gleichgewicht zu erhalten.“ Jn der neuesten Zeit
ist manches davon auf das Festland, zumal nach Deutschland, her-
über gebracht worden und dringt immer mehr in die deutschen Sitten
ein. Selbst das Uebermaß der körperlichen Uebungen, welches man
auf englischen Universitäten beobachtet, kommt doch wenigstens der
Gesundheit zu Gute, wenn es die wissenschaftliche Arbeit schädigt; aber
das Uebermaß des Biertrinkens schädigt Körper und Geist zugleich.
**) Elvers, V. A. Huber. 1872. Bd. I, S. 30.
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[142/0158] erfüllung gehört. Und die häuslichen Pflichten verlangen neben dem Ernste ein so hohes Maß von Jntelligenz, daß hohe geistige Bildung ihnen nicht feindlich, sondern förderlich ist. Auch zeigt uns das Beispiel des männlichen Geschlechts, wie gut sich derlei verschiedene Gattungen der Arbeit vereinigen lassen; wie sehr es einem Manne der studirten Berufsart zum Heile gereicht, wenn er täglich ein paar Stunden in seinem Garten arbeitet, statt sich elf Monate des Jahres krumm zu sitzen und dann durch ein paar Wochen Bergeklettern das alles wieder gutmachen zu wollen *); wie trefflich sich mit großer Gelehrsamkeit ein Leben in der Landwirthschaft oder auf der Jagd vereinigt, und wie in der That der Bücherwurm in dem süddeutschen Wochenblatt mit den schlechten Witzen und den guten Bildern ein kümmerlicher Nachklang der Vergangenheit zu werden beginnt. Auch fehlt es nicht an großen, glänzenden Beispielen, die jene Einheit der Begabung und der Pflichterfüllung in einer Frau beweisen. Ein solches Beispiel war Therese Huber, die Tochter des Philologen Heyne, die Mutter Victor Aimé Huber's. Von ihr schreibt Wilhelm von Humboldt **), der sie als Student in Göttingen 1789 kennen gelernt hatte, bei der Nachricht von *) Aus Oxford (23. October 1848: „Lebenserinnerungen“, S. 110) schreibt Reinhold Pauli von den Engländern: „Wohl keine Nation mag so vollkommen die Kunst verstehen, die Arbeiten des Körpers und des Geistes im Gleichgewicht zu erhalten.“ Jn der neuesten Zeit ist manches davon auf das Festland, zumal nach Deutschland, her- über gebracht worden und dringt immer mehr in die deutschen Sitten ein. Selbst das Uebermaß der körperlichen Uebungen, welches man auf englischen Universitäten beobachtet, kommt doch wenigstens der Gesundheit zu Gute, wenn es die wissenschaftliche Arbeit schädigt; aber das Uebermaß des Biertrinkens schädigt Körper und Geist zugleich. **) Elvers, V. A. Huber. 1872. Bd. I, S. 30.

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Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2021-02-18T15:54:56Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Cohn, Gustav: Die deutsche Frauenbewegung. Berlin, 1896, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cohn_frauenbewegung_1896/158>, abgerufen am 30.04.2024.