Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Cohn, Gustav: Die deutsche Frauenbewegung. Berlin, 1896.

Bild:
<< vorherige Seite

abzuziehen die Masse Derer, welche wegen jugendlichen Alters
außer Betracht kommen, wenn von der Verehelichung die Rede
ist. Wir scheiden daher, etwas weit ausgreifend, alle diejenigen
weiblichen Personen aus, die jünger als zwanzig Jahre sind,
das heißt 11,3 Millionen. Dann bleibt eine Anzahl von
5 1/2 Millionen übrig. Diese große Zahl, von welcher wiederum
der größte Theil jünger als fünfzig Jahre ist, nämlich 3 Millio-
nen, bildet den Stoff zu der Frauenfrage in ihrem weiteren,
unbestimmteren Sinne.

Woher kommt dieser Ueberschuß? Fragen wir die Statistik
um Antwort darauf, so begegnet uns, was uns öfter begegnet,
wenn wir verbreitete Meinungen an den Zahlen der Statistik
prüfen. Die übliche Vorstellung nämlich, daß die Zahl der
Eheschließungen in starker Abnahme begriffen sei, und daß diese
Thatsache jenen Ueberschuß erkläre, ist nicht zutreffend. Jn der
Bevölkerung, welche das gegenwärtige Reichsgebiet bewohnte,
war die Zahl der jährlichen Eheschließungen in dem Jahrzehnt
von 1841-1850 durchschnittlich 8,1 auf tausend Einwohner.
Diese Zahl hat während des verflossenen halben Jahrhunderts
manche Schwankungen durchgemacht, sie ist aber in den letzten
Jahren ungefähr dieselbe gewesen, wie am Anfange. Jn dem
Jahrzehnt 1851-60 findet ein kleiner Rückgang statt (auf 7,8);
dann hebt sich die Zahl wieder im folgenden Jahrzehnt (auf
8,5), behauptet sich auf dieser Höhe im nächsten Jahrzehnt
(8,6); dann sinkt sie wieder von 1881-90 (auf 7,8) und hebt
sich etwas in den letzten Jahren (auf 8). Eine lebhaftere Be-
wegung bekunden die Ziffern der einzelnen Jahre, in denen
namentlich die Kriegsjahre ein deutliches Herabgehen, die Jahre
nach dem Kriege eine Steigerung zeigen (1870: 7,2; 1872:
10,3; 1873: 10). Aber nicht diese Schwankungen sind das,
was für unsere Frage in Betracht kommt, sondern die dauernde

abzuziehen die Masse Derer, welche wegen jugendlichen Alters
außer Betracht kommen, wenn von der Verehelichung die Rede
ist. Wir scheiden daher, etwas weit ausgreifend, alle diejenigen
weiblichen Personen aus, die jünger als zwanzig Jahre sind,
das heißt 11,3 Millionen. Dann bleibt eine Anzahl von
5 ½ Millionen übrig. Diese große Zahl, von welcher wiederum
der größte Theil jünger als fünfzig Jahre ist, nämlich 3 Millio-
nen, bildet den Stoff zu der Frauenfrage in ihrem weiteren,
unbestimmteren Sinne.

Woher kommt dieser Ueberschuß? Fragen wir die Statistik
um Antwort darauf, so begegnet uns, was uns öfter begegnet,
wenn wir verbreitete Meinungen an den Zahlen der Statistik
prüfen. Die übliche Vorstellung nämlich, daß die Zahl der
Eheschließungen in starker Abnahme begriffen sei, und daß diese
Thatsache jenen Ueberschuß erkläre, ist nicht zutreffend. Jn der
Bevölkerung, welche das gegenwärtige Reichsgebiet bewohnte,
war die Zahl der jährlichen Eheschließungen in dem Jahrzehnt
von 1841-1850 durchschnittlich 8,1 auf tausend Einwohner.
Diese Zahl hat während des verflossenen halben Jahrhunderts
manche Schwankungen durchgemacht, sie ist aber in den letzten
Jahren ungefähr dieselbe gewesen, wie am Anfange. Jn dem
Jahrzehnt 1851-60 findet ein kleiner Rückgang statt (auf 7,8);
dann hebt sich die Zahl wieder im folgenden Jahrzehnt (auf
8,5), behauptet sich auf dieser Höhe im nächsten Jahrzehnt
(8,6); dann sinkt sie wieder von 1881-90 (auf 7,8) und hebt
sich etwas in den letzten Jahren (auf 8). Eine lebhaftere Be-
wegung bekunden die Ziffern der einzelnen Jahre, in denen
namentlich die Kriegsjahre ein deutliches Herabgehen, die Jahre
nach dem Kriege eine Steigerung zeigen (1870: 7,2; 1872:
10,3; 1873: 10). Aber nicht diese Schwankungen sind das,
was für unsere Frage in Betracht kommt, sondern die dauernde

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0070" n="54"/>
abzuziehen die Masse Derer, welche wegen jugendlichen Alters<lb/>
außer Betracht kommen, wenn von der Verehelichung die Rede<lb/>
ist. Wir scheiden daher, etwas weit ausgreifend, alle diejenigen<lb/>
weiblichen Personen aus, die jünger als zwanzig Jahre sind,<lb/>
das heißt 11,3 Millionen. Dann bleibt eine Anzahl von<lb/>
5 ½ Millionen übrig. Diese große Zahl, von welcher wiederum<lb/>
der größte Theil jünger als fünfzig Jahre ist, nämlich 3 Millio-<lb/>
nen, bildet den Stoff zu der Frauenfrage in ihrem weiteren,<lb/>
unbestimmteren Sinne.</p><lb/>
            <p>Woher kommt dieser Ueberschuß? Fragen wir die Statistik<lb/>
um Antwort darauf, so begegnet uns, was uns öfter begegnet,<lb/>
wenn wir verbreitete Meinungen an den Zahlen der Statistik<lb/>
prüfen. Die übliche Vorstellung nämlich, daß die Zahl der<lb/>
Eheschließungen in starker Abnahme begriffen sei, und daß diese<lb/>
Thatsache jenen Ueberschuß erkläre, ist nicht zutreffend. Jn der<lb/>
Bevölkerung, welche das gegenwärtige Reichsgebiet bewohnte,<lb/>
war die Zahl der jährlichen Eheschließungen in dem Jahrzehnt<lb/>
von 1841-1850 durchschnittlich 8,1 auf tausend Einwohner.<lb/>
Diese Zahl hat während des verflossenen halben Jahrhunderts<lb/>
manche Schwankungen durchgemacht, sie ist aber in den letzten<lb/>
Jahren ungefähr dieselbe gewesen, wie am Anfange. Jn dem<lb/>
Jahrzehnt 1851-60 findet ein kleiner Rückgang statt (auf 7,8);<lb/>
dann hebt sich die Zahl wieder im folgenden Jahrzehnt (auf<lb/>
8,5), behauptet sich auf dieser Höhe im nächsten Jahrzehnt<lb/>
(8,6); dann sinkt sie wieder von 1881-90 (auf 7,8) und hebt<lb/>
sich etwas in den letzten Jahren (auf 8). Eine lebhaftere Be-<lb/>
wegung bekunden die Ziffern der einzelnen Jahre, in denen<lb/>
namentlich die Kriegsjahre ein deutliches Herabgehen, die Jahre<lb/>
nach dem Kriege eine Steigerung zeigen (1870: 7,2; 1872:<lb/>
10,3; 1873: 10). Aber nicht diese Schwankungen sind das,<lb/>
was für unsere Frage in Betracht kommt, sondern die dauernde<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[54/0070] abzuziehen die Masse Derer, welche wegen jugendlichen Alters außer Betracht kommen, wenn von der Verehelichung die Rede ist. Wir scheiden daher, etwas weit ausgreifend, alle diejenigen weiblichen Personen aus, die jünger als zwanzig Jahre sind, das heißt 11,3 Millionen. Dann bleibt eine Anzahl von 5 ½ Millionen übrig. Diese große Zahl, von welcher wiederum der größte Theil jünger als fünfzig Jahre ist, nämlich 3 Millio- nen, bildet den Stoff zu der Frauenfrage in ihrem weiteren, unbestimmteren Sinne. Woher kommt dieser Ueberschuß? Fragen wir die Statistik um Antwort darauf, so begegnet uns, was uns öfter begegnet, wenn wir verbreitete Meinungen an den Zahlen der Statistik prüfen. Die übliche Vorstellung nämlich, daß die Zahl der Eheschließungen in starker Abnahme begriffen sei, und daß diese Thatsache jenen Ueberschuß erkläre, ist nicht zutreffend. Jn der Bevölkerung, welche das gegenwärtige Reichsgebiet bewohnte, war die Zahl der jährlichen Eheschließungen in dem Jahrzehnt von 1841-1850 durchschnittlich 8,1 auf tausend Einwohner. Diese Zahl hat während des verflossenen halben Jahrhunderts manche Schwankungen durchgemacht, sie ist aber in den letzten Jahren ungefähr dieselbe gewesen, wie am Anfange. Jn dem Jahrzehnt 1851-60 findet ein kleiner Rückgang statt (auf 7,8); dann hebt sich die Zahl wieder im folgenden Jahrzehnt (auf 8,5), behauptet sich auf dieser Höhe im nächsten Jahrzehnt (8,6); dann sinkt sie wieder von 1881-90 (auf 7,8) und hebt sich etwas in den letzten Jahren (auf 8). Eine lebhaftere Be- wegung bekunden die Ziffern der einzelnen Jahre, in denen namentlich die Kriegsjahre ein deutliches Herabgehen, die Jahre nach dem Kriege eine Steigerung zeigen (1870: 7,2; 1872: 10,3; 1873: 10). Aber nicht diese Schwankungen sind das, was für unsere Frage in Betracht kommt, sondern die dauernde

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2021-02-18T15:54:56Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt, Juliane Nau: Bearbeitung der digitalen Edition. (2021-02-18T15:54:56Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): gekennzeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/cohn_frauenbewegung_1896
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/cohn_frauenbewegung_1896/70
Zitationshilfe: Cohn, Gustav: Die deutsche Frauenbewegung. Berlin, 1896, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cohn_frauenbewegung_1896/70>, abgerufen am 30.04.2024.