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Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845.

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der Kaiser, sein Ältester, Franz der Zweite, folgt, und am
16ten März geht mit der Todeswunde Gustavs von Schwe-
den der romantische Entwurf unter, an der Spitze von Russen
und Schweden durch eine Landung an der Nordküste von
Frankreich und einen raschen Marsch auf Paris die Revo-
lution zu schließen. Fürst Kaunitz, "der alte Kutscher von
Europa," wollte zwar ungern mit Umwerfen endigen und
nahm die Aufgabe keineswegs so leicht wie der Berliner
Hof, dennoch hielt er seinen Ingrimm gegen die Neue-
rung jetzt weniger im Zaum, es ward erklärt, man könne
wegen der Jacobiner nicht umhin eine Macht in Belgien
zusammenzuziehen. Wirklich ließ sich Ludwig die Entlas-
sung seiner Minister, die, weil sie den Frieden wollten, mit
Anklagen bedroht wurden, abnöthigen und nahm ein Mi-
nisterium von Jacobinern nach Brissots Rathe an. Der
Generallieutenant Dumouriez ward Minister des Aus-
wärtigen, Claviere, der Freund Mirabeau's, Finanzmi-
nister, Servan Kriegsminister; dem Innern ward Ro-
land vorgesetzt, der einzige Biedermann im Ministerium,
allein darum nicht minder Schwärmer für unbegränzte
Freiheit als jemand sonst im Jacobinerclub. Mit ihm
schwelgte in dem Gefühle der hohen Bestimmung Frank-
reichs, der ganzen Welt Ehre und Freiheit zu bringen,
seine hochherzige Frau, die bei hohem Gemüth und kräf-
tigem Verstande doch Worte für Thaten nahm, den fla-
chen Brissot für einen ganzen Mann und einen Charakter
hielt. Der begabteste unter Brissots Ministern war ohne

der Kaiſer, ſein Älteſter, Franz der Zweite, folgt, und am
16ten März geht mit der Todeswunde Guſtavs von Schwe-
den der romantiſche Entwurf unter, an der Spitze von Ruſſen
und Schweden durch eine Landung an der Nordküſte von
Frankreich und einen raſchen Marſch auf Paris die Revo-
lution zu ſchließen. Fürſt Kaunitz, „der alte Kutſcher von
Europa,“ wollte zwar ungern mit Umwerfen endigen und
nahm die Aufgabe keineswegs ſo leicht wie der Berliner
Hof, dennoch hielt er ſeinen Ingrimm gegen die Neue-
rung jetzt weniger im Zaum, es ward erklärt, man könne
wegen der Jacobiner nicht umhin eine Macht in Belgien
zuſammenzuziehen. Wirklich ließ ſich Ludwig die Entlaſ-
ſung ſeiner Miniſter, die, weil ſie den Frieden wollten, mit
Anklagen bedroht wurden, abnöthigen und nahm ein Mi-
niſterium von Jacobinern nach Briſſots Rathe an. Der
Generallieutenant Dumouriez ward Miniſter des Aus-
wärtigen, Clavière, der Freund Mirabeau’s, Finanzmi-
niſter, Servan Kriegsminiſter; dem Innern ward Ro-
land vorgeſetzt, der einzige Biedermann im Miniſterium,
allein darum nicht minder Schwärmer für unbegränzte
Freiheit als jemand ſonſt im Jacobinerclub. Mit ihm
ſchwelgte in dem Gefühle der hohen Beſtimmung Frank-
reichs, der ganzen Welt Ehre und Freiheit zu bringen,
ſeine hochherzige Frau, die bei hohem Gemüth und kräf-
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[432/0442] der Kaiſer, ſein Älteſter, Franz der Zweite, folgt, und am 16ten März geht mit der Todeswunde Guſtavs von Schwe- den der romantiſche Entwurf unter, an der Spitze von Ruſſen und Schweden durch eine Landung an der Nordküſte von Frankreich und einen raſchen Marſch auf Paris die Revo- lution zu ſchließen. Fürſt Kaunitz, „der alte Kutſcher von Europa,“ wollte zwar ungern mit Umwerfen endigen und nahm die Aufgabe keineswegs ſo leicht wie der Berliner Hof, dennoch hielt er ſeinen Ingrimm gegen die Neue- rung jetzt weniger im Zaum, es ward erklärt, man könne wegen der Jacobiner nicht umhin eine Macht in Belgien zuſammenzuziehen. Wirklich ließ ſich Ludwig die Entlaſ- ſung ſeiner Miniſter, die, weil ſie den Frieden wollten, mit Anklagen bedroht wurden, abnöthigen und nahm ein Mi- niſterium von Jacobinern nach Briſſots Rathe an. Der Generallieutenant Dumouriez ward Miniſter des Aus- wärtigen, Clavière, der Freund Mirabeau’s, Finanzmi- niſter, Servan Kriegsminiſter; dem Innern ward Ro- land vorgeſetzt, der einzige Biedermann im Miniſterium, allein darum nicht minder Schwärmer für unbegränzte Freiheit als jemand ſonſt im Jacobinerclub. Mit ihm ſchwelgte in dem Gefühle der hohen Beſtimmung Frank- reichs, der ganzen Welt Ehre und Freiheit zu bringen, ſeine hochherzige Frau, die bei hohem Gemüth und kräf- tigem Verſtande doch Worte für Thaten nahm, den fla- chen Briſſot für einen ganzen Mann und einen Charakter hielt. Der begabteſte unter Briſſots Miniſtern war ohne

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Zitationshilfe: Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 432. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/442>, abgerufen am 30.04.2024.