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Dronke, Ernst: Polizei-Geschichten. Leipzig, 1846.

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Armuth und Verbrechen.
Schlag auf seine Schulter aus seinen trübsinnigen Ge¬
danken aufgeschreckt.

"Guten Tag, Fritz Schenk! Kennst Du mich nicht
mehr?" --

Der Angeredete starrte zu dem Andern in stumpfer
Gleichgültigkeit auf. Der Mann, der vor ihm stand,
war eine hohe breitschulterige Figur, ziemlich fein und
modern gekleidet, und von einem auffallenden und er¬
zwungen vornehmen Wesen. Damit stand freilich der
Ausdruck seines Gesichts in keiner Uebereinstimmung,
denn seine von einem dichten rothen Bart umzogenen
Züge waren der Typus der niedrigsten Gemeinheit.
Dieser Mensch hieß Wilhelm Fischer, hatte wegen Raub¬
anfalls auf offener Heerstraße und verschiedener Diebe¬
reien mehrere Jahre im Zuchthaus und Gefängniß ge¬
sessen, und kannte Schenk aus der Zeit seiner Haft.
Fischer hatte seitdem seinem frühern Treiben Valet ge¬
sagt, und einen Erwerbszweig ergriffen, bei dem er sich
augenscheinlich ganz wohl befand. Er war, nachdem
er zuletzt aus dem Gefängniß entlassen worden, zu dem
Polizeichef gegangen, hatte ihm vorgestellt, daß er von
seinem bisherigen Leben abstehen wolle, und gebeten, in
irgend einer Weise verwendet zu werden. Der Polizei¬

Armuth und Verbrechen.
Schlag auf ſeine Schulter aus ſeinen truͤbſinnigen Ge¬
danken aufgeſchreckt.

„Guten Tag, Fritz Schenk! Kennſt Du mich nicht
mehr?“ —

Der Angeredete ſtarrte zu dem Andern in ſtumpfer
Gleichguͤltigkeit auf. Der Mann, der vor ihm ſtand,
war eine hohe breitſchulterige Figur, ziemlich fein und
modern gekleidet, und von einem auffallenden und er¬
zwungen vornehmen Weſen. Damit ſtand freilich der
Ausdruck ſeines Geſichts in keiner Uebereinſtimmung,
denn ſeine von einem dichten rothen Bart umzogenen
Zuͤge waren der Typus der niedrigſten Gemeinheit.
Dieſer Menſch hieß Wilhelm Fiſcher, hatte wegen Raub¬
anfalls auf offener Heerſtraße und verſchiedener Diebe¬
reien mehrere Jahre im Zuchthaus und Gefaͤngniß ge¬
ſeſſen, und kannte Schenk aus der Zeit ſeiner Haft.
Fiſcher hatte ſeitdem ſeinem fruͤhern Treiben Valet ge¬
ſagt, und einen Erwerbszweig ergriffen, bei dem er ſich
augenſcheinlich ganz wohl befand. Er war, nachdem
er zuletzt aus dem Gefaͤngniß entlaſſen worden, zu dem
Polizeichef gegangen, hatte ihm vorgeſtellt, daß er von
ſeinem bisherigen Leben abſtehen wolle, und gebeten, in
irgend einer Weiſe verwendet zu werden. Der Polizei¬

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[25/0039] Armuth und Verbrechen. Schlag auf ſeine Schulter aus ſeinen truͤbſinnigen Ge¬ danken aufgeſchreckt. „Guten Tag, Fritz Schenk! Kennſt Du mich nicht mehr?“ — Der Angeredete ſtarrte zu dem Andern in ſtumpfer Gleichguͤltigkeit auf. Der Mann, der vor ihm ſtand, war eine hohe breitſchulterige Figur, ziemlich fein und modern gekleidet, und von einem auffallenden und er¬ zwungen vornehmen Weſen. Damit ſtand freilich der Ausdruck ſeines Geſichts in keiner Uebereinſtimmung, denn ſeine von einem dichten rothen Bart umzogenen Zuͤge waren der Typus der niedrigſten Gemeinheit. Dieſer Menſch hieß Wilhelm Fiſcher, hatte wegen Raub¬ anfalls auf offener Heerſtraße und verſchiedener Diebe¬ reien mehrere Jahre im Zuchthaus und Gefaͤngniß ge¬ ſeſſen, und kannte Schenk aus der Zeit ſeiner Haft. Fiſcher hatte ſeitdem ſeinem fruͤhern Treiben Valet ge¬ ſagt, und einen Erwerbszweig ergriffen, bei dem er ſich augenſcheinlich ganz wohl befand. Er war, nachdem er zuletzt aus dem Gefaͤngniß entlaſſen worden, zu dem Polizeichef gegangen, hatte ihm vorgeſtellt, daß er von ſeinem bisherigen Leben abſtehen wolle, und gebeten, in irgend einer Weiſe verwendet zu werden. Der Polizei¬

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Zitationshilfe: Dronke, Ernst: Polizei-Geschichten. Leipzig, 1846, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dronke_polizeigeschichten_1846/39>, abgerufen am 30.04.2024.