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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862.

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Löwenbruch.
"Wie heißt Er?"
Knesebeck.
"Was ist sein Vater gewesen?"
Lieutnant in Ew. Majestät Garde.
"Ah, der Knesebeck."

Eine Meile hinter Großbeeren, seine hochgelegenen fruchtbaren
Aecker an einem Stück Bruchland entlang ziehend, liegt das Dorf
Löwenbruch. Wir finden hier, durch die Jahrhunderte hindurch,
eine Reihenfolge guter märkischer Namen: die von Thümen, von
Otterstedt, von Boytin, von Alvensleben, von Gröben und v. d.
Knesebeck. Die Boytin's (ein ausgestorbenes Geschlecht) haben
noch ein paar große Grabsteine auf dem Kirchhof mit allerhand
Figuren und Inschriften, die freilich unter der Kruste von Moos
und Flechten kaum noch zu entziffern sind. Eins dieser Gräber ist
leer geblieben. Mit Schaudern erzählte mir der Küster des Dorfes,
wie er, eines Abends über die Grabsteine hinschreitend, den einen
Stein unter seinen Füßen nachgeben und sich selber in die Gruft
versinken fühlte. Er kam mit dem bloßen Schrecken davon.

Von den Alvenslebens, die ihren Gutsantheil im Jahre
1749 an die Gröbens verkauften, findet sich noch Mancherlei. Es
existirt unter Anderm das Haus, und zwar völlig unverändert,
das sie bewohnten, -- ein schlichter Fachwerkbau, der am besten
zeigt, wie gering, wenigstens nach dieser Seite hin, die Ansprüche
waren, die der märkische Adel vor hundert Jahren noch erhob.

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Löwenbruch.
„Wie heißt Er?“
Kneſebeck.
„Was iſt ſein Vater geweſen?“
Lieutnant in Ew. Majeſtät Garde.
„Ah, der Kneſebeck.“

Eine Meile hinter Großbeeren, ſeine hochgelegenen fruchtbaren
Aecker an einem Stück Bruchland entlang ziehend, liegt das Dorf
Löwenbruch. Wir finden hier, durch die Jahrhunderte hindurch,
eine Reihenfolge guter märkiſcher Namen: die von Thümen, von
Otterſtedt, von Boytin, von Alvensleben, von Gröben und v. d.
Kneſebeck. Die Boytin’s (ein ausgeſtorbenes Geſchlecht) haben
noch ein paar große Grabſteine auf dem Kirchhof mit allerhand
Figuren und Inſchriften, die freilich unter der Kruſte von Moos
und Flechten kaum noch zu entziffern ſind. Eins dieſer Gräber iſt
leer geblieben. Mit Schaudern erzählte mir der Küſter des Dorfes,
wie er, eines Abends über die Grabſteine hinſchreitend, den einen
Stein unter ſeinen Füßen nachgeben und ſich ſelber in die Gruft
verſinken fühlte. Er kam mit dem bloßen Schrecken davon.

Von den Alvenslebens, die ihren Gutsantheil im Jahre
1749 an die Gröbens verkauften, findet ſich noch Mancherlei. Es
exiſtirt unter Anderm das Haus, und zwar völlig unverändert,
das ſie bewohnten, — ein ſchlichter Fachwerkbau, der am beſten
zeigt, wie gering, wenigſtens nach dieſer Seite hin, die Anſprüche
waren, die der märkiſche Adel vor hundert Jahren noch erhob.

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[[403]/0421] Löwenbruch. „Wie heißt Er?“ Kneſebeck. „Was iſt ſein Vater geweſen?“ Lieutnant in Ew. Majeſtät Garde. „Ah, der Kneſebeck.“ Eine Meile hinter Großbeeren, ſeine hochgelegenen fruchtbaren Aecker an einem Stück Bruchland entlang ziehend, liegt das Dorf Löwenbruch. Wir finden hier, durch die Jahrhunderte hindurch, eine Reihenfolge guter märkiſcher Namen: die von Thümen, von Otterſtedt, von Boytin, von Alvensleben, von Gröben und v. d. Kneſebeck. Die Boytin’s (ein ausgeſtorbenes Geſchlecht) haben noch ein paar große Grabſteine auf dem Kirchhof mit allerhand Figuren und Inſchriften, die freilich unter der Kruſte von Moos und Flechten kaum noch zu entziffern ſind. Eins dieſer Gräber iſt leer geblieben. Mit Schaudern erzählte mir der Küſter des Dorfes, wie er, eines Abends über die Grabſteine hinſchreitend, den einen Stein unter ſeinen Füßen nachgeben und ſich ſelber in die Gruft verſinken fühlte. Er kam mit dem bloßen Schrecken davon. Von den Alvenslebens, die ihren Gutsantheil im Jahre 1749 an die Gröbens verkauften, findet ſich noch Mancherlei. Es exiſtirt unter Anderm das Haus, und zwar völlig unverändert, das ſie bewohnten, — ein ſchlichter Fachwerkbau, der am beſten zeigt, wie gering, wenigſtens nach dieſer Seite hin, die Anſprüche waren, die der märkiſche Adel vor hundert Jahren noch erhob. 26*

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. [403]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/421>, abgerufen am 30.04.2024.