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Fontane, Theodor: Schach von Wuthenow. Leipzig, 1883.

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trotzdem das neubegierige Publikum nur die Hälfte
wußte. Schach, so hieß es, habe sich von der schönen
Mutter ab- und der unschönen Tochter zugewandt.
Über das Motiv erging man sich in allerlei Mut¬
maßungen, ohne dabei das Richtige zu treffen.

Schach empfing auch die beiden andern Blätter
unter Kouvert. Das Siegel blieb dasselbe. Blatt
2 hieß "La gazza ladra" oder die "diebische Schach-
Elster", und stellte eine Elster dar, die, zwei Ringe
von ungleichem Werte musternd, den unscheinbareren
aus der Schmuckschale nimmt.

Am weitaus verletzendsten aber berührte das den
Salon der Frau von Carayon als Szenerie nehmende
dritte Blatt. Auf dem Tische stand ein Schachbrett,
dessen Figuren, wie nach einem verloren gegangenen
Spiel und wie um die Niederlage zu besiegeln, um¬
geworfen waren. Daneben saß Victoire, gut getroffen,
und ihr zu Füßen kniete Schach, wieder in der per¬
sischen Mütze des ersten Bildes. Aber diesmal be¬
zipfelt und eingedrückt. Und darunter stand: "Schach
-- matt."

Der Zweck dieser wiederholten Angriffe wurde
nur zu gut erreicht. Schach ließ sich krank melden,
sah niemand und bat um Urlaub, der ihm auch um¬
gehend von seinem Chef, dem Obersten von Schwerin,
gewährt wurde.

trotzdem das neubegierige Publikum nur die Hälfte
wußte. Schach, ſo hieß es, habe ſich von der ſchönen
Mutter ab- und der unſchönen Tochter zugewandt.
Über das Motiv erging man ſich in allerlei Mut¬
maßungen, ohne dabei das Richtige zu treffen.

Schach empfing auch die beiden andern Blätter
unter Kouvert. Das Siegel blieb dasſelbe. Blatt
2 hieß „La gazza ladra“ oder die „diebiſche Schach-
Elſter“, und ſtellte eine Elſter dar, die, zwei Ringe
von ungleichem Werte muſternd, den unſcheinbareren
aus der Schmuckſchale nimmt.

Am weitaus verletzendſten aber berührte das den
Salon der Frau von Carayon als Szenerie nehmende
dritte Blatt. Auf dem Tiſche ſtand ein Schachbrett,
deſſen Figuren, wie nach einem verloren gegangenen
Spiel und wie um die Niederlage zu beſiegeln, um¬
geworfen waren. Daneben ſaß Victoire, gut getroffen,
und ihr zu Füßen kniete Schach, wieder in der per¬
ſiſchen Mütze des erſten Bildes. Aber diesmal be¬
zipfelt und eingedrückt. Und darunter ſtand: „Schach
— matt.“

Der Zweck dieſer wiederholten Angriffe wurde
nur zu gut erreicht. Schach ließ ſich krank melden,
ſah niemand und bat um Urlaub, der ihm auch um¬
gehend von ſeinem Chef, dem Oberſten von Schwerin,
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[149/0161] trotzdem das neubegierige Publikum nur die Hälfte wußte. Schach, ſo hieß es, habe ſich von der ſchönen Mutter ab- und der unſchönen Tochter zugewandt. Über das Motiv erging man ſich in allerlei Mut¬ maßungen, ohne dabei das Richtige zu treffen. Schach empfing auch die beiden andern Blätter unter Kouvert. Das Siegel blieb dasſelbe. Blatt 2 hieß „La gazza ladra“ oder die „diebiſche Schach- Elſter“, und ſtellte eine Elſter dar, die, zwei Ringe von ungleichem Werte muſternd, den unſcheinbareren aus der Schmuckſchale nimmt. Am weitaus verletzendſten aber berührte das den Salon der Frau von Carayon als Szenerie nehmende dritte Blatt. Auf dem Tiſche ſtand ein Schachbrett, deſſen Figuren, wie nach einem verloren gegangenen Spiel und wie um die Niederlage zu beſiegeln, um¬ geworfen waren. Daneben ſaß Victoire, gut getroffen, und ihr zu Füßen kniete Schach, wieder in der per¬ ſiſchen Mütze des erſten Bildes. Aber diesmal be¬ zipfelt und eingedrückt. Und darunter ſtand: „Schach — matt.“ Der Zweck dieſer wiederholten Angriffe wurde nur zu gut erreicht. Schach ließ ſich krank melden, ſah niemand und bat um Urlaub, der ihm auch um¬ gehend von ſeinem Chef, dem Oberſten von Schwerin, gewährt wurde.

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Schach von Wuthenow. Leipzig, 1883, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_wuthenow_1883/161>, abgerufen am 30.04.2024.