Das demüthigende Gefühl, was den Zurück- gewiesenen nach solcher Erfahrung bleibt, reicht hin, entweder für sie oder Mitempfin- dende ein Sporn zu größerer Vervollkomm- nung in der hochangeschlagenen Tanz- fertigkeit zu werden. Ein stets gestachelter Wetteifer zwingt zur höchsten Anstrengung. Die allenfalls entbehrliche Zugabe des Le- bens wird Zweck desselben. Die Kunst, von der alle Köpfe spuken, wird zum Vorwande gewählt, das eitle Bemühen zum Studium zu erheben, Drapperien, Stellungen, Panto- mime, die tragische und die komische Muse, alles wird zu Hülfe gerufen, das Auge über den flüchtigen Erfolg, so weit hergeholter Anstalten, zu täuschen.
So wird der gesellige Tanz unvermerkt zum Ballet. Schon haben sich die Grenzli- nien zwischen Beiden fast verwischt. Die Deutschen sind zu wenig beschlossen in sich, um nicht ihr Ziel häufig zu überfliegen, und wenn das im Wesentlichen ein vielverspre- chender Character sein mag, so erzeugt es in der Gesellschaft oft burleske Extreme, die
Das demuͤthigende Gefuͤhl, was den Zuruͤck- gewieſenen nach ſolcher Erfahrung bleibt, reicht hin, entweder fuͤr ſie oder Mitempfin- dende ein Sporn zu groͤßerer Vervollkomm- nung in der hochangeſchlagenen Tanz- fertigkeit zu werden. Ein ſtets geſtachelter Wetteifer zwingt zur hoͤchſten Anſtrengung. Die allenfalls entbehrliche Zugabe des Le- bens wird Zweck deſſelben. Die Kunſt, von der alle Koͤpfe ſpuken, wird zum Vorwande gewaͤhlt, das eitle Bemuͤhen zum Studium zu erheben, Drapperien, Stellungen, Panto- mime, die tragiſche und die komiſche Muſe, alles wird zu Huͤlfe gerufen, das Auge uͤber den fluͤchtigen Erfolg, ſo weit hergeholter Anſtalten, zu taͤuſchen.
So wird der geſellige Tanz unvermerkt zum Ballet. Schon haben ſich die Grenzli- nien zwiſchen Beiden faſt verwiſcht. Die Deutſchen ſind zu wenig beſchloſſen in ſich, um nicht ihr Ziel haͤufig zu uͤberfliegen, und wenn das im Weſentlichen ein vielverſpre- chender Character ſein mag, ſo erzeugt es in der Geſellſchaft oft burleske Extreme, die
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0091"n="87"/>
Das demuͤthigende Gefuͤhl, was den Zuruͤck-<lb/>
gewieſenen nach ſolcher Erfahrung bleibt,<lb/>
reicht hin, entweder fuͤr ſie oder Mitempfin-<lb/>
dende ein Sporn zu groͤßerer Vervollkomm-<lb/>
nung in der <hirendition="#g">hochangeſchlagenen</hi> Tanz-<lb/>
fertigkeit zu werden. Ein ſtets geſtachelter<lb/>
Wetteifer zwingt zur hoͤchſten Anſtrengung.<lb/>
Die allenfalls entbehrliche <hirendition="#g">Zugabe</hi> des Le-<lb/>
bens wird Zweck deſſelben. Die Kunſt, von<lb/>
der alle Koͤpfe ſpuken, wird zum Vorwande<lb/>
gewaͤhlt, das eitle Bemuͤhen zum Studium<lb/>
zu erheben, Drapperien, Stellungen, Panto-<lb/>
mime, die tragiſche und die komiſche Muſe,<lb/>
alles wird zu Huͤlfe gerufen, das Auge uͤber<lb/>
den fluͤchtigen Erfolg, ſo weit hergeholter<lb/>
Anſtalten, zu taͤuſchen.</p><lb/><p>So wird der geſellige Tanz unvermerkt<lb/>
zum Ballet. Schon haben ſich die Grenzli-<lb/>
nien zwiſchen Beiden faſt verwiſcht. Die<lb/>
Deutſchen ſind zu wenig beſchloſſen in ſich,<lb/>
um nicht ihr Ziel haͤufig zu uͤberfliegen, und<lb/>
wenn das im Weſentlichen ein vielverſpre-<lb/>
chender Character ſein mag, ſo erzeugt es in<lb/>
der Geſellſchaft oft burleske Extreme, die<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[87/0091]
Das demuͤthigende Gefuͤhl, was den Zuruͤck-
gewieſenen nach ſolcher Erfahrung bleibt,
reicht hin, entweder fuͤr ſie oder Mitempfin-
dende ein Sporn zu groͤßerer Vervollkomm-
nung in der hochangeſchlagenen Tanz-
fertigkeit zu werden. Ein ſtets geſtachelter
Wetteifer zwingt zur hoͤchſten Anſtrengung.
Die allenfalls entbehrliche Zugabe des Le-
bens wird Zweck deſſelben. Die Kunſt, von
der alle Koͤpfe ſpuken, wird zum Vorwande
gewaͤhlt, das eitle Bemuͤhen zum Studium
zu erheben, Drapperien, Stellungen, Panto-
mime, die tragiſche und die komiſche Muſe,
alles wird zu Huͤlfe gerufen, das Auge uͤber
den fluͤchtigen Erfolg, ſo weit hergeholter
Anſtalten, zu taͤuſchen.
So wird der geſellige Tanz unvermerkt
zum Ballet. Schon haben ſich die Grenzli-
nien zwiſchen Beiden faſt verwiſcht. Die
Deutſchen ſind zu wenig beſchloſſen in ſich,
um nicht ihr Ziel haͤufig zu uͤberfliegen, und
wenn das im Weſentlichen ein vielverſpre-
chender Character ſein mag, ſo erzeugt es in
der Geſellſchaft oft burleske Extreme, die
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Fouqué, Caroline de La Motte-: Die Frauen in der großen Welt. Berlin, 1826, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_frauen_1826/91>, abgerufen am 19.05.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.