die letzte Jugendblüthe gewelkt war. Was wißt Ihr, meine Freunde, unter den ungezählten, länderlosen Fürstensöhnen des heiligen römischen Reichs deutscher Nation von einem Prinzen Christian? Und was braucht Ihr von ihm zu wissen, als daß er ein schöner Mann und nach den Begriffen seiner Zeit und Zone ein Genie gewesen ist -- ein Genie, das heißt ein durchlauchtiger Libertin nach dem Schlage des Marechal de Saxe -- nur daß er sich auf kein Fontenoy und Rocour zu berufen hatte -- daß er an den verwandten Hof von Sachsen zurückkehrte, sei es, um nach allerlei abenteuernden Fahrten sich eine Ruhepause zu gönnen, sei's, um nach erschöpftem Erbtheil sich neue Quellen aufzuschließen. Die fürst¬ liche Sippe war der wiederholten Schröpfungen über¬ drüssig; das Suchen nach einer ebenbürtigen Erbin erwies sich als verlorene Mühe. Brühl glaubte da¬ her einen Meisterzug zu thun, indem er die Blicke des unbequemen Schützlings auf das immerhin noch ansehnliche und im Ehrenpunkte untadelige Frei- und Hoffräulein von Reckenburg als eine der besten Par¬ tien in deutschen Landen lenkte.
Ob das vorsichtige Fräulein dem verführerischen Coqueluche der Damenwelt widerstanden haben würde,
die letzte Jugendblüthe gewelkt war. Was wißt Ihr, meine Freunde, unter den ungezählten, länderloſen Fürſtenſöhnen des heiligen römiſchen Reichs deutſcher Nation von einem Prinzen Chriſtian? Und was braucht Ihr von ihm zu wiſſen, als daß er ein ſchöner Mann und nach den Begriffen ſeiner Zeit und Zone ein Genie geweſen iſt — ein Genie, das heißt ein durchlauchtiger Libertin nach dem Schlage des Maréchal de Saxe — nur daß er ſich auf kein Fontenoy und Rocour zu berufen hatte — daß er an den verwandten Hof von Sachſen zurückkehrte, ſei es, um nach allerlei abenteuernden Fahrten ſich eine Ruhepauſe zu gönnen, ſei's, um nach erſchöpftem Erbtheil ſich neue Quellen aufzuſchließen. Die fürſt¬ liche Sippe war der wiederholten Schröpfungen über¬ drüſſig; das Suchen nach einer ebenbürtigen Erbin erwies ſich als verlorene Mühe. Brühl glaubte da¬ her einen Meiſterzug zu thun, indem er die Blicke des unbequemen Schützlings auf das immerhin noch anſehnliche und im Ehrenpunkte untadelige Frei- und Hoffräulein von Reckenburg als eine der beſten Par¬ tien in deutſchen Landen lenkte.
Ob das vorſichtige Fräulein dem verführeriſchen Coqueluche der Damenwelt widerſtanden haben würde,
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die letzte Jugendblüthe gewelkt war. Was wißt Ihr,
meine Freunde, unter den ungezählten, länderloſen
Fürſtenſöhnen des heiligen römiſchen Reichs deutſcher
Nation von einem Prinzen Chriſtian? Und was
braucht Ihr von ihm zu wiſſen, als daß er ein
ſchöner Mann und nach den Begriffen ſeiner Zeit und
Zone ein Genie geweſen iſt — ein Genie, das heißt
ein durchlauchtiger Libertin nach dem Schlage des
Maréchal de Saxe — nur daß er ſich auf kein
Fontenoy und Rocour zu berufen hatte — daß er
an den verwandten Hof von Sachſen zurückkehrte, ſei
es, um nach allerlei abenteuernden Fahrten ſich eine
Ruhepauſe zu gönnen, ſei's, um nach erſchöpftem
Erbtheil ſich neue Quellen aufzuſchließen. Die fürſt¬
liche Sippe war der wiederholten Schröpfungen über¬
drüſſig; das Suchen nach einer ebenbürtigen Erbin
erwies ſich als verlorene Mühe. Brühl glaubte da¬
her einen Meiſterzug zu thun, indem er die Blicke
des unbequemen Schützlings auf das immerhin noch
anſehnliche und im Ehrenpunkte untadelige Frei- und
Hoffräulein von Reckenburg als eine der beſten Par¬
tien in deutſchen Landen lenkte.
Ob das vorſichtige Fräulein dem verführeriſchen
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François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin01_1871/169>, abgerufen am 21.05.2024.
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