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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band.

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Die vier Jahreszeiten von Calame
' (Aus )

Acht Tage lang war hier im Local des Preußischen Kunstvereins eine Tetra-
!"file von Landschaften ausgestellt, welche der Schweizer Maler Calame für
^>um Russischen Kunstfreund ausgeführt, und die von hier nach Petersburg
weiter gingen. Es ist eine cyklische Darstellung der vier Jahreszeiten von hoher
Eigenthümlichkeit und merkwürdiger technischer Vollendung. Die Bilder selbst
haben jetzt von uns Abschied genommen, aber ihre Bedeutung für die Kunst lebt
^re in der. Erinnerung Aller, die sie sahe", und ist werth, anch von weitern Krei¬
sn wenigstens im gedanklichen Reflexe empfangen zu werden.

Wir sahen die ersten Bilder von Calame im Jahre 1842 auf der Berliner
^unstansstellnng, zwei Ansichten der Jungfrau und des Montblanc, und später
^'b der Künstler eine zahlreiche Reihe von Darstellungen der Alpengegenden
seinen ersten, mit allgemeinem Beifall aufgenommenen Werken folgen. Seine Blicke
Mf den Brienzcr See, seine schneeigen Gletscher und schaurigen Abgründe, seine
^immerreichen Tannenwaldnngcn, und wieder seine lichten Partien im heitern
Wechsel von Thal und Gebirg fesselten stets dnrch die ungemeine Kraft ihrer
kultlichen Wahrheit. Und wie fühlte er deu innern Zusammenhang, das
Wesen der Natur in ihren charakteristischen Erscheinungen! Er mußte von ihr
^sser, um sie so empfinden zu können. Die alltägliche Schaar der Land¬
schafter glaubt freilich, mit dem angelernten Grade von Technik, den sie von der
akademischen Schule und ans dem Atelier des Meisters mit sich bringt, genug zu
haben, "in nun den Inhalt der Natur, deu ja das Auge ohne Mühe in Empfang
"unent, frischweg in die künstlerische Form zu bringen und allenfalls mit einer
lui'jectiven Stimmung zu beseelen. Daher die Masse von Landschaftern, welche
enntnißlvs in der Natur umherschwärmt. Es siud nicht Alle, aber Viele, die
denken. Diese Herren mögen ans eine Autorität verwiesen sein, wenn sie etwa
belehrenden Worte schwer zugänalich sein sollten. Goethe bemerkt in einem
^ Gespräche mit Eckermann (183-1. Th. II.), ein Landschaftsmaler müsse viele


Grenzboten. IV. iW-l. 1
Die vier Jahreszeiten von Calame
' (Aus )

Acht Tage lang war hier im Local des Preußischen Kunstvereins eine Tetra-
!"file von Landschaften ausgestellt, welche der Schweizer Maler Calame für
^>um Russischen Kunstfreund ausgeführt, und die von hier nach Petersburg
weiter gingen. Es ist eine cyklische Darstellung der vier Jahreszeiten von hoher
Eigenthümlichkeit und merkwürdiger technischer Vollendung. Die Bilder selbst
haben jetzt von uns Abschied genommen, aber ihre Bedeutung für die Kunst lebt
^re in der. Erinnerung Aller, die sie sahe», und ist werth, anch von weitern Krei¬
sn wenigstens im gedanklichen Reflexe empfangen zu werden.

Wir sahen die ersten Bilder von Calame im Jahre 1842 auf der Berliner
^unstansstellnng, zwei Ansichten der Jungfrau und des Montblanc, und später
^'b der Künstler eine zahlreiche Reihe von Darstellungen der Alpengegenden
seinen ersten, mit allgemeinem Beifall aufgenommenen Werken folgen. Seine Blicke
Mf den Brienzcr See, seine schneeigen Gletscher und schaurigen Abgründe, seine
^immerreichen Tannenwaldnngcn, und wieder seine lichten Partien im heitern
Wechsel von Thal und Gebirg fesselten stets dnrch die ungemeine Kraft ihrer
kultlichen Wahrheit. Und wie fühlte er deu innern Zusammenhang, das
Wesen der Natur in ihren charakteristischen Erscheinungen! Er mußte von ihr
^sser, um sie so empfinden zu können. Die alltägliche Schaar der Land¬
schafter glaubt freilich, mit dem angelernten Grade von Technik, den sie von der
akademischen Schule und ans dem Atelier des Meisters mit sich bringt, genug zu
haben, »in nun den Inhalt der Natur, deu ja das Auge ohne Mühe in Empfang
»unent, frischweg in die künstlerische Form zu bringen und allenfalls mit einer
lui'jectiven Stimmung zu beseelen. Daher die Masse von Landschaftern, welche
enntnißlvs in der Natur umherschwärmt. Es siud nicht Alle, aber Viele, die
denken. Diese Herren mögen ans eine Autorität verwiesen sein, wenn sie etwa
belehrenden Worte schwer zugänalich sein sollten. Goethe bemerkt in einem
^ Gespräche mit Eckermann (183-1. Th. II.), ein Landschaftsmaler müsse viele


Grenzboten. IV. iW-l. 1
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280616/5>, abgerufen am 30.04.2024.