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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.

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schen Bunde, durch welches der Dualismus aufgehoben würde; 4) durch eine
Spaltung innerhalb der Mittclstaaten selbst. -- Diese vier Punkte zu ver¬
meiden hat die Würzburger Politik mit großem Geschick verstanden; aber noch
ungleich bedeutender hat ihr die berliner Staatsweisheit in die Hunde ge¬
arbeitet. Denn, die Junkerpartei in Preußen hat genau dieselben Interessen
wie die Würzburger, und die "neue Aera", zwischen Zärtlichkeit und Abnei¬
gung schwankend, läßt sie im Ganzen gewähren, und überrascht sie nur zu¬
weilen durch ein Impromptu, das Verwunderung erregt, aber weiter keine Fol¬
gen hat.

Es ist keineswegs Grundsatz der Würzburger Politik, Alles beim Alten zu be¬
lassen; auch ihr ist die gegenwärtige Lage keineswegs bequem. Sie findet
ihre völlige Sicherung nur in einer Trias, d. h. in der Constituirung einer
mitteldeutschen Union, welche an dem Bundestag als dritte Stimme zwischen
Oestreich und Preußen den Ausschlag gibt und die diplomatisch militärische
Vertretung aller deutschen Staaten übernimmt, die nicht zu Oestreich und Preu¬
ßen gehören.

Dies ist nun die mißliche Seite der Würzburger Politik. Wenn die vier
Mittelstaaten sich über ein gemeinsames Verfahren einigen, so wird man ih¬
nen staatsrechtlich nicht viel in den Weg legen können. Wenn sich die üb-
brigen 26 Staaten ihnen freiwillig zugesellen, so ist auch das eine Thatsache,
mit der man rechnen muß. -- Aber wenn sie nicht wollen? Wenn ein klein¬
deutscher Staatsmann gegen Herr" v. Beust ähnlich, wie Herr v. Reuse ge¬
gen Preußen erklärt: die diplomatisch-militärische Leitung ist nur
der erste Schritt zur Einverleibung?

Bis jetzt hat man Mittel gefunden, die Mehrzahl der Kleinstaaten zu be¬
schwichtigen, jetzt scheint aber doch eine andere Wendung eingetreten zu sein,
und Würzburg seinerseits muß sich hüten, in das Gebiet der Thatsachen über¬
zugehen.

1849 und 1850 ging man rücksichtslos mit Oestreich, nicht bloß aus Be-
sorgniß. sondern auch aus Rache gegen die preußischen Unionspläne. -- Die
Stimmung änderte sich im orientalischen Kriege, als Oestreich wirklich eine
großdeutsche Politik versuchte; man schloß sich dem protestirenden Preußen an,
bis Oestreich sich wieder in seine beschauliche Reaction zurückzog.

Der Kriegslärm von 1859 war mehr Gefühl als Politik d. h. mehr
Schreck über die Art und Weise, wie man mit den italienischen Mittelstaaten
verfuhr, als Resultat eines durchdachten Plans. Nach Abschluß des Friedens
versuchte man die öffentliche Meinung gegen Preußen aufzuregen, diese nahm
"der unvermuthet eine ganz entgegengesetzte Wendung, und zugleich zeigte der
östreichische Staat bedenkliche Symptome einer innern Zerrüttung.

Die vollständige Haltlosigkeit und Unthätigkeit der neuen Aera beseitigte


schen Bunde, durch welches der Dualismus aufgehoben würde; 4) durch eine
Spaltung innerhalb der Mittclstaaten selbst. — Diese vier Punkte zu ver¬
meiden hat die Würzburger Politik mit großem Geschick verstanden; aber noch
ungleich bedeutender hat ihr die berliner Staatsweisheit in die Hunde ge¬
arbeitet. Denn, die Junkerpartei in Preußen hat genau dieselben Interessen
wie die Würzburger, und die „neue Aera", zwischen Zärtlichkeit und Abnei¬
gung schwankend, läßt sie im Ganzen gewähren, und überrascht sie nur zu¬
weilen durch ein Impromptu, das Verwunderung erregt, aber weiter keine Fol¬
gen hat.

Es ist keineswegs Grundsatz der Würzburger Politik, Alles beim Alten zu be¬
lassen; auch ihr ist die gegenwärtige Lage keineswegs bequem. Sie findet
ihre völlige Sicherung nur in einer Trias, d. h. in der Constituirung einer
mitteldeutschen Union, welche an dem Bundestag als dritte Stimme zwischen
Oestreich und Preußen den Ausschlag gibt und die diplomatisch militärische
Vertretung aller deutschen Staaten übernimmt, die nicht zu Oestreich und Preu¬
ßen gehören.

Dies ist nun die mißliche Seite der Würzburger Politik. Wenn die vier
Mittelstaaten sich über ein gemeinsames Verfahren einigen, so wird man ih¬
nen staatsrechtlich nicht viel in den Weg legen können. Wenn sich die üb-
brigen 26 Staaten ihnen freiwillig zugesellen, so ist auch das eine Thatsache,
mit der man rechnen muß. — Aber wenn sie nicht wollen? Wenn ein klein¬
deutscher Staatsmann gegen Herr» v. Beust ähnlich, wie Herr v. Reuse ge¬
gen Preußen erklärt: die diplomatisch-militärische Leitung ist nur
der erste Schritt zur Einverleibung?

Bis jetzt hat man Mittel gefunden, die Mehrzahl der Kleinstaaten zu be¬
schwichtigen, jetzt scheint aber doch eine andere Wendung eingetreten zu sein,
und Würzburg seinerseits muß sich hüten, in das Gebiet der Thatsachen über¬
zugehen.

1849 und 1850 ging man rücksichtslos mit Oestreich, nicht bloß aus Be-
sorgniß. sondern auch aus Rache gegen die preußischen Unionspläne. — Die
Stimmung änderte sich im orientalischen Kriege, als Oestreich wirklich eine
großdeutsche Politik versuchte; man schloß sich dem protestirenden Preußen an,
bis Oestreich sich wieder in seine beschauliche Reaction zurückzog.

Der Kriegslärm von 1859 war mehr Gefühl als Politik d. h. mehr
Schreck über die Art und Weise, wie man mit den italienischen Mittelstaaten
verfuhr, als Resultat eines durchdachten Plans. Nach Abschluß des Friedens
versuchte man die öffentliche Meinung gegen Preußen aufzuregen, diese nahm
«der unvermuthet eine ganz entgegengesetzte Wendung, und zugleich zeigte der
östreichische Staat bedenkliche Symptome einer innern Zerrüttung.

Die vollständige Haltlosigkeit und Unthätigkeit der neuen Aera beseitigte


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[0407] schen Bunde, durch welches der Dualismus aufgehoben würde; 4) durch eine Spaltung innerhalb der Mittclstaaten selbst. — Diese vier Punkte zu ver¬ meiden hat die Würzburger Politik mit großem Geschick verstanden; aber noch ungleich bedeutender hat ihr die berliner Staatsweisheit in die Hunde ge¬ arbeitet. Denn, die Junkerpartei in Preußen hat genau dieselben Interessen wie die Würzburger, und die „neue Aera", zwischen Zärtlichkeit und Abnei¬ gung schwankend, läßt sie im Ganzen gewähren, und überrascht sie nur zu¬ weilen durch ein Impromptu, das Verwunderung erregt, aber weiter keine Fol¬ gen hat. Es ist keineswegs Grundsatz der Würzburger Politik, Alles beim Alten zu be¬ lassen; auch ihr ist die gegenwärtige Lage keineswegs bequem. Sie findet ihre völlige Sicherung nur in einer Trias, d. h. in der Constituirung einer mitteldeutschen Union, welche an dem Bundestag als dritte Stimme zwischen Oestreich und Preußen den Ausschlag gibt und die diplomatisch militärische Vertretung aller deutschen Staaten übernimmt, die nicht zu Oestreich und Preu¬ ßen gehören. Dies ist nun die mißliche Seite der Würzburger Politik. Wenn die vier Mittelstaaten sich über ein gemeinsames Verfahren einigen, so wird man ih¬ nen staatsrechtlich nicht viel in den Weg legen können. Wenn sich die üb- brigen 26 Staaten ihnen freiwillig zugesellen, so ist auch das eine Thatsache, mit der man rechnen muß. — Aber wenn sie nicht wollen? Wenn ein klein¬ deutscher Staatsmann gegen Herr» v. Beust ähnlich, wie Herr v. Reuse ge¬ gen Preußen erklärt: die diplomatisch-militärische Leitung ist nur der erste Schritt zur Einverleibung? Bis jetzt hat man Mittel gefunden, die Mehrzahl der Kleinstaaten zu be¬ schwichtigen, jetzt scheint aber doch eine andere Wendung eingetreten zu sein, und Würzburg seinerseits muß sich hüten, in das Gebiet der Thatsachen über¬ zugehen. 1849 und 1850 ging man rücksichtslos mit Oestreich, nicht bloß aus Be- sorgniß. sondern auch aus Rache gegen die preußischen Unionspläne. — Die Stimmung änderte sich im orientalischen Kriege, als Oestreich wirklich eine großdeutsche Politik versuchte; man schloß sich dem protestirenden Preußen an, bis Oestreich sich wieder in seine beschauliche Reaction zurückzog. Der Kriegslärm von 1859 war mehr Gefühl als Politik d. h. mehr Schreck über die Art und Weise, wie man mit den italienischen Mittelstaaten verfuhr, als Resultat eines durchdachten Plans. Nach Abschluß des Friedens versuchte man die öffentliche Meinung gegen Preußen aufzuregen, diese nahm «der unvermuthet eine ganz entgegengesetzte Wendung, und zugleich zeigte der östreichische Staat bedenkliche Symptome einer innern Zerrüttung. Die vollständige Haltlosigkeit und Unthätigkeit der neuen Aera beseitigte

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/407>, abgerufen am 10.11.2024.