Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.Unpolitische Briefe aus Wien. Zum Vaterlande, zum Staate stellt sich der Dichter in das beste Verhältnis;
Aber noch mehr, auch dies sein Vaterland muß er aneifern zu kämpfen, auf
Aus einem transcendentalen Märchen, das man immerhin reizend finden wird Wir können hier schließen. Daß es um die Kunst in Österreich so schlimm -) Sie bildet das erste Heft einer in Aussicht gestellten Reihe von Publikationen, die deu ^tel "Gegen deu Strom" führt. Grenzboten I. 1835,"7
Unpolitische Briefe aus Wien. Zum Vaterlande, zum Staate stellt sich der Dichter in das beste Verhältnis;
Aber noch mehr, auch dies sein Vaterland muß er aneifern zu kämpfen, auf
Aus einem transcendentalen Märchen, das man immerhin reizend finden wird Wir können hier schließen. Daß es um die Kunst in Österreich so schlimm -) Sie bildet das erste Heft einer in Aussicht gestellten Reihe von Publikationen, die deu ^tel „Gegen deu Strom" führt. Grenzboten I. 1835,«7
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Unpolitische Briefe aus Wien.
Zum Vaterlande, zum Staate stellt sich der Dichter in das beste Verhältnis;
er hat es sich ja selber gewählt:
Ich bin nicht dein dnrch Zufall, ich hab' dich selbst erwählt.
Bevor ich von der Mutter hier geboren ward,
Ersah ich deine Schönheit, deine hohe Art.
Mit deinen guten Söhnen wollt' ich beisammen stehn,
Nur unter deinem Zeichen wollt' ich zum Siege gehn.
Aber noch mehr, auch dies sein Vaterland muß er aneifern zu kämpfen, auf
Kosten andrer sich zu erweitern:
Behagt dir nicht der Boden, ist dir zu eng das Land,
Wohlan denn, Straßen gehen bis an den Meeresstrand. , . .
Aus einem transcendentalen Märchen, das man immerhin reizend finden wird
— wenn man auch das Aufbauschen seines Inhalts zu einer erlösenden neuen
Lehre lächelnd abwehren muß — löst sich so zuletzt eine politische Idee. Vou
kosmopolitische« Friedensträumereien weit entfernt, entpuppt sich Kraut als ein
Dichter, der vor Blut und Eisen nicht zurückschreckt, ja in diesen Stoffen die
Elemente des historischen Werdens erblickt, eine Anschauung, die durch die Er¬
eignisse der zweiten Hälfte unsers Jahrhunderts hervorgerufen worden sein mag
und die unsers Wissens in poetischer Gestalt noch nicht vor uns erschienen ist.
Wir können hier schließen. Daß es um die Kunst in Österreich so schlimm
stehe, wie uns der etwas grämliche Verfasser der jüngst ausgegebenen Flugschrift
„Nur nicht österreichisch"^) glauben machen will, können wir nicht zugeben, aber
freilich daß der Lvkalton in ihren Schöpfungen allmählich zurücktritt, läßt sich
nicht leugnen. Namentlich aber haben jene Produkte sowohl der dichtenden wie
der darstellenden Kunst, welche den meisten Effekt machen und aus welche die
Kritik so gern deu geistigen Kredit Österreichs basirt, eigentlich garnichts spezifisch
Österreichisches an sich. Die „parfümirte Stickluft," die in Hamerlings „Ahas-
ver in Rom," in Wilbrandts „Arria und Messalina" oder „Nero" und in
vielen andern modernen Erzeugnissen weht und deren Hauch wir ja auch em¬
pfinden, weiln wir vor den berühmtesten der Malartschen Bilder stehen, ist
nicht dem österreichischen Boden entstiegen.
-) Sie bildet das erste Heft einer in Aussicht gestellten Reihe von Publikationen, die deu
^tel „Gegen deu Strom" führt.
Grenzboten I. 1835,«7
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