Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr.Der Raufmannsstcmd in der deutschen Literatur So hat kein Kaufmann mehr den Herrscherthron bestiegen, kein Handels¬ Es war aber nicht allein dieser kaiserliche Schutz, der den Kaufmann im Im dreizehnten Jahrhundert hatte die Handelsaristokratie sich mächtig In der Literatur jener Zeit finden wir den Kaufmann sozusagen nicht. Der weltverneinenden Kirche freilich mußte dies allzu mächtige Umsich¬ Der Raufmannsstcmd in der deutschen Literatur So hat kein Kaufmann mehr den Herrscherthron bestiegen, kein Handels¬ Es war aber nicht allein dieser kaiserliche Schutz, der den Kaufmann im Im dreizehnten Jahrhundert hatte die Handelsaristokratie sich mächtig In der Literatur jener Zeit finden wir den Kaufmann sozusagen nicht. Der weltverneinenden Kirche freilich mußte dies allzu mächtige Umsich¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0123" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/317074"/> <fw type="header" place="top"> Der Raufmannsstcmd in der deutschen Literatur</fw><lb/> <p xml:id="ID_456"> So hat kein Kaufmann mehr den Herrscherthron bestiegen, kein Handels¬<lb/> mann wurde mehr Kaiser oder König, dafür aber waren es die Fürsten, die<lb/> den Handel förderten und schützten. Der Handelsmann wurde zu des „Kaisers<lb/> Kaufmann". Es wurde ihm nicht selten Hofrecht gewährt, wie auch Kaiser<lb/> Karl der Große einen Juden zum Kalifen schickte, um nähere Handelsbeziehungen<lb/> mit dem Orient anzuknüpfen. Kennen wir auch die Bedingungen nicht, unter<lb/> welchen man solche Rechte vergab, noch die damit verbundenen Pflichten, so<lb/> finden wir diese „Nei-Latores Imperators" doch in den Privilegien der nach<lb/> England handelnden Kaufleute, zum Beispiel in den Gesetzen König Ethelreds<lb/> des Zweiten vo.in Jahre 979.</p><lb/> <p xml:id="ID_457"> Es war aber nicht allein dieser kaiserliche Schutz, der den Kaufmann im<lb/> bürgerlichen Leben zu einer dem Handwerksstände übergeordneten Stellung verhalf,<lb/> vielmehr waren es Vermögen, Geburtseigenschaft und wahrscheinlich nicht zuletzt<lb/> auch die auf den weiten Reisen gemachten Erfahrungen. Als bestes Beispiel<lb/> für das damals genossene Ansehn darf die Gründung der Stadt Freiburg i. B.<lb/> im Jahre 1120 betrachtet werden: die gewählten vierundzwanzig Rathmannen<lb/> waren ausschließlich reiche Kaufleute. Auch der Ursprung Lübecks ist auf eine<lb/> Kaufmannsansiedelung zurückzuführen.</p><lb/> <p xml:id="ID_458"> Im dreizehnten Jahrhundert hatte die Handelsaristokratie sich mächtig<lb/> entfaltet. Der Einfluß der Kreuzzüge, die doch indirekt den Ursprung des Geld¬<lb/> wesens bilden, trug nicht wenig dazu bei. Zu einer höheren sozialen Stellung<lb/> konnte der Kaufmann kaun? mehr gelangen. Dem Edelmanns gleich führte er<lb/> ein höfisches Leben; der Kaufmannssohn wurde zum Ritter geschlagen.</p><lb/> <p xml:id="ID_459"> In der Literatur jener Zeit finden wir den Kaufmann sozusagen nicht.<lb/> Wohl kommt es vor, daß in Heldenliedern und Ritterromanen Ritter sich in<lb/> Kaufmannstrachten hüllen, um auf diese Weise auf Eroberungen auszugehen.<lb/> Daraus jedoch ist nicht etwa eine Mißachtung des Kaufmannsstandes heraus¬<lb/> zulesen, auch nicht aus der Stelle des Gudrunliedes, wo die Hegelinger, als<lb/> Handelsleute verkleidet, an den Hof des wilden Hagen kommen und der alte<lb/> Recke Wate den Vorschlag Frutes nicht teilen will, weil er kein Handelsmann<lb/> sei und den schönen Frauen keine Kleinode darbringen könne. Denn tatsächlich<lb/> haben die als Kaufleute verkleideten Helden nichts an Ehren bei ihren: Empfang<lb/> an Hagens Hof eingebüßt.</p><lb/> <p xml:id="ID_460" next="#ID_461"> Der weltverneinenden Kirche freilich mußte dies allzu mächtige Umsich¬<lb/> greifen des Handels, dieses unermeßliche Sehnen nach Erwerb und Reichtum<lb/> ein Verderben für die Nation erscheinen. Aufs eifrigste war sie daher bemüht,<lb/> die kaum errungene soziale Stellung des Kaufmanns zu untergraben. Hieß es<lb/> in den I^eZes pvrtoriae von 906 oder in andern Urkunden des zehnten und<lb/> elften Jahrhunderts: „^uäei et esteri mercatores", so reichen sich jetzt Kauf¬<lb/> mann und Wucherer die Hände. Und wenn unter dem Einfluß der den Handel<lb/> verdammenden Kirche der fahrende Ritter Freidank singt:</p><lb/> <lg xml:id="POEMID_1" type="poem"> <l/> </lg><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0123]
Der Raufmannsstcmd in der deutschen Literatur
So hat kein Kaufmann mehr den Herrscherthron bestiegen, kein Handels¬
mann wurde mehr Kaiser oder König, dafür aber waren es die Fürsten, die
den Handel förderten und schützten. Der Handelsmann wurde zu des „Kaisers
Kaufmann". Es wurde ihm nicht selten Hofrecht gewährt, wie auch Kaiser
Karl der Große einen Juden zum Kalifen schickte, um nähere Handelsbeziehungen
mit dem Orient anzuknüpfen. Kennen wir auch die Bedingungen nicht, unter
welchen man solche Rechte vergab, noch die damit verbundenen Pflichten, so
finden wir diese „Nei-Latores Imperators" doch in den Privilegien der nach
England handelnden Kaufleute, zum Beispiel in den Gesetzen König Ethelreds
des Zweiten vo.in Jahre 979.
Es war aber nicht allein dieser kaiserliche Schutz, der den Kaufmann im
bürgerlichen Leben zu einer dem Handwerksstände übergeordneten Stellung verhalf,
vielmehr waren es Vermögen, Geburtseigenschaft und wahrscheinlich nicht zuletzt
auch die auf den weiten Reisen gemachten Erfahrungen. Als bestes Beispiel
für das damals genossene Ansehn darf die Gründung der Stadt Freiburg i. B.
im Jahre 1120 betrachtet werden: die gewählten vierundzwanzig Rathmannen
waren ausschließlich reiche Kaufleute. Auch der Ursprung Lübecks ist auf eine
Kaufmannsansiedelung zurückzuführen.
Im dreizehnten Jahrhundert hatte die Handelsaristokratie sich mächtig
entfaltet. Der Einfluß der Kreuzzüge, die doch indirekt den Ursprung des Geld¬
wesens bilden, trug nicht wenig dazu bei. Zu einer höheren sozialen Stellung
konnte der Kaufmann kaun? mehr gelangen. Dem Edelmanns gleich führte er
ein höfisches Leben; der Kaufmannssohn wurde zum Ritter geschlagen.
In der Literatur jener Zeit finden wir den Kaufmann sozusagen nicht.
Wohl kommt es vor, daß in Heldenliedern und Ritterromanen Ritter sich in
Kaufmannstrachten hüllen, um auf diese Weise auf Eroberungen auszugehen.
Daraus jedoch ist nicht etwa eine Mißachtung des Kaufmannsstandes heraus¬
zulesen, auch nicht aus der Stelle des Gudrunliedes, wo die Hegelinger, als
Handelsleute verkleidet, an den Hof des wilden Hagen kommen und der alte
Recke Wate den Vorschlag Frutes nicht teilen will, weil er kein Handelsmann
sei und den schönen Frauen keine Kleinode darbringen könne. Denn tatsächlich
haben die als Kaufleute verkleideten Helden nichts an Ehren bei ihren: Empfang
an Hagens Hof eingebüßt.
Der weltverneinenden Kirche freilich mußte dies allzu mächtige Umsich¬
greifen des Handels, dieses unermeßliche Sehnen nach Erwerb und Reichtum
ein Verderben für die Nation erscheinen. Aufs eifrigste war sie daher bemüht,
die kaum errungene soziale Stellung des Kaufmanns zu untergraben. Hieß es
in den I^eZes pvrtoriae von 906 oder in andern Urkunden des zehnten und
elften Jahrhunderts: „^uäei et esteri mercatores", so reichen sich jetzt Kauf¬
mann und Wucherer die Hände. Und wenn unter dem Einfluß der den Handel
verdammenden Kirche der fahrende Ritter Freidank singt:
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |