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Hanssen, Petrus: Achtzig erläuterte Grund-Fragen. Lübeck u. a., 1731.

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Diese Furcht bezieht sich zwar vermöge des
vorhergehenden auf die fortwährende Dauer der
Gewissens-Unruh; aber damit ist nicht ausge-
macht/ daß nicht GOtt sein Mißgefallen an de-
nen bösen Wercken der Menschen in andern Gat-
tungen der Leyden nach der Grösse ihrer Boßheit
solte können offenbahren. Es ist unstreitig/ daß
die göttliche Straf-Gerechtigkeit in dem gegen-
wärtigen Leben sich nicht gantz deutlich und vol-
lenkommen bemercken und erkennen lasse/ warum
solte dann die Vernunft nicht mit Grund muhtmas-
sen/ daß solches nach dem Tode auf eine Art/ die Gott
für allen seinen vernünftigen Geschöpffen verherr-
liget und sie selbst völlig zufrieden stellt/ geschehen
werde? Uberdem hat es nichts Widersprechendes
in sich/ daß die Menschen/ wenn sie einmahl von
dem Wege der Gerechtigkeit abgewichen/ sich im-
mer mehr in ihren bösen Wercken verstricken/
folglich ihr Elend und Schmertzens-Stand im-
merdar vergrössern und vermehren. Die Ursache/
welche macht/ daß der Mensch in diesem Leben
sündiget/ kan auch machen/ daß er nach diesem Le-
ben ewig sündige: folglich ewiglich in dem Stand
der Finsterniß und schmertzlicher Empfindung sei-
nes Geistes bleibe. Welches diejenige/ so in den
gegenwärtigen Zeiten die sogenannte Wieder-
bringung aller Dinge so gar eyfrig verthädigen/
wohl erwegen und bemercken möchten. Also er-
kennet blosse Vernunft das Elend und die Gefahr/
worin der Mensch sich von Natur befindet/ und

daß


Dieſe Furcht bezieht ſich zwar vermoͤge des
vorhergehenden auf die fortwaͤhrende Dauer der
Gewiſſens-Unruh; aber damit iſt nicht ausge-
macht/ daß nicht GOtt ſein Mißgefallen an de-
nen boͤſen Wercken der Menſchen in andern Gat-
tungen der Leyden nach der Groͤſſe ihrer Boßheit
ſolte koͤnnen offenbahren. Es iſt unſtreitig/ daß
die goͤttliche Straf-Gerechtigkeit in dem gegen-
waͤrtigen Leben ſich nicht gantz deutlich und vol-
lenkommen bemercken und erkennen laſſe/ warum
ſolte dañ die Vernunft nicht mit Grund muhtmaſ-
ſen/ daß ſolches nach dem Tode auf eine Art/ die Gott
fuͤr allen ſeinen vernuͤnftigen Geſchoͤpffen verherr-
liget und ſie ſelbſt voͤllig zufrieden ſtellt/ geſchehen
werde? Uberdem hat es nichts Widerſprechendes
in ſich/ daß die Menſchen/ wenn ſie einmahl von
dem Wege der Gerechtigkeit abgewichen/ ſich im-
mer mehr in ihren boͤſen Wercken verſtricken/
folglich ihr Elend und Schmertzens-Stand im-
merdar vergroͤſſern und vermehren. Die Urſache/
welche macht/ daß der Menſch in dieſem Leben
ſuͤndiget/ kan auch machen/ daß er nach dieſem Le-
ben ewig ſuͤndige: folglich ewiglich in dem Stand
der Finſterniß und ſchmertzlicher Empfindung ſei-
nes Geiſtes bleibe. Welches diejenige/ ſo in den
gegenwaͤrtigen Zeiten die ſogenannte Wieder-
bringung aller Dinge ſo gar eyfrig verthaͤdigen/
wohl erwegen und bemercken moͤchten. Alſo er-
kennet bloſſe Vernunft das Elend und die Gefahr/
worin der Menſch ſich von Natur befindet/ und

daß
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[66/0118] Dieſe Furcht bezieht ſich zwar vermoͤge des vorhergehenden auf die fortwaͤhrende Dauer der Gewiſſens-Unruh; aber damit iſt nicht ausge- macht/ daß nicht GOtt ſein Mißgefallen an de- nen boͤſen Wercken der Menſchen in andern Gat- tungen der Leyden nach der Groͤſſe ihrer Boßheit ſolte koͤnnen offenbahren. Es iſt unſtreitig/ daß die goͤttliche Straf-Gerechtigkeit in dem gegen- waͤrtigen Leben ſich nicht gantz deutlich und vol- lenkommen bemercken und erkennen laſſe/ warum ſolte dañ die Vernunft nicht mit Grund muhtmaſ- ſen/ daß ſolches nach dem Tode auf eine Art/ die Gott fuͤr allen ſeinen vernuͤnftigen Geſchoͤpffen verherr- liget und ſie ſelbſt voͤllig zufrieden ſtellt/ geſchehen werde? Uberdem hat es nichts Widerſprechendes in ſich/ daß die Menſchen/ wenn ſie einmahl von dem Wege der Gerechtigkeit abgewichen/ ſich im- mer mehr in ihren boͤſen Wercken verſtricken/ folglich ihr Elend und Schmertzens-Stand im- merdar vergroͤſſern und vermehren. Die Urſache/ welche macht/ daß der Menſch in dieſem Leben ſuͤndiget/ kan auch machen/ daß er nach dieſem Le- ben ewig ſuͤndige: folglich ewiglich in dem Stand der Finſterniß und ſchmertzlicher Empfindung ſei- nes Geiſtes bleibe. Welches diejenige/ ſo in den gegenwaͤrtigen Zeiten die ſogenannte Wieder- bringung aller Dinge ſo gar eyfrig verthaͤdigen/ wohl erwegen und bemercken moͤchten. Alſo er- kennet bloſſe Vernunft das Elend und die Gefahr/ worin der Menſch ſich von Natur befindet/ und daß

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Zitationshilfe: Hanssen, Petrus: Achtzig erläuterte Grund-Fragen. Lübeck u. a., 1731, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hanssen_grundfragen_1731/118>, abgerufen am 30.04.2024.