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Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709.

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Leanders aus Schlesien
An Sylvien, wie er ohne sie leben könne?
DU bist, o Sylvia! mein leben,
Und gleichwohl leb ich ohne dich;
Soll ich nun dir, mein ander ich!
Deßwegen red und antwort geben?
So wiß', es muß dein contrefait
Jn meinem hertzen dich vertreten:
Denn Seladon ist auch erfreut,
Nur deinen schatten anzubeten.
Läst nun der holden liebe gunst
Und ihres zarten pinsels kunst
Jn mir dein bildniß nicht verderben;
O Sylvia! wie kan ich sterben?


An eben dieselbe wegen seiner finstern
wohnung.
ES ist dir leid, daß nicht mehr licht
Durch meine stuben-fenster bricht;
Doch kehre du nur bey mir ein!
So wird es voller sonne seyn.


Auf die sich mit blumen nährende Florette.
Aus dem Pays.
Sonnet.
FLorette! dein geschmack ist ziemlich ungemein:
Du wilst, man solle dir sonst nichts als blumen geben,
Man sieht die lilien offt an den perlen kleben,
Wo deine zähne nicht noch mehr als perlen seyn.
Der rosen-lichte mund nimmt lauter rosen ein:
Der schönsten nelcke tod ist deiner zunge leben:
Die veilge kan sich kaum aus ihrer wurtzel heben,
So legt dein hunger ihr schon einen leichen-stein.
Allein
Leanders aus Schleſien
An Sylvien, wie er ohne ſie leben koͤnne?
DU biſt, o Sylvia! mein leben,
Und gleichwohl leb ich ohne dich;
Soll ich nun dir, mein ander ich!
Deßwegen red und antwort geben?
So wiß’, es muß dein contrefait
Jn meinem hertzen dich vertreten:
Denn Seladon iſt auch erfreut,
Nur deinen ſchatten anzubeten.
Laͤſt nun der holden liebe gunſt
Und ihres zarten pinſels kunſt
Jn mir dein bildniß nicht verderben;
O Sylvia! wie kan ich ſterben?


An eben dieſelbe wegen ſeiner finſtern
wohnung.
ES iſt dir leid, daß nicht mehr licht
Durch meine ſtuben-fenſter bricht;
Doch kehre du nur bey mir ein!
So wird es voller ſonne ſeyn.


Auf die ſich mit blumen naͤhrende Florette.
Aus dem Pays.
Sonnet.
FLorette! dein geſchmack iſt ziemlich ungemein:
Du wilſt, man ſolle dir ſonſt nichts als blumen geben,
Man ſieht die lilien offt an den perlen kleben,
Wo deine zaͤhne nicht noch mehr als perlen ſeyn.
Der roſen-lichte mund nimmt lauter roſen ein:
Der ſchoͤnſten nelcke tod iſt deiner zunge leben:
Die veilge kan ſich kaum aus ihrer wurtzel heben,
So legt dein hunger ihr ſchon einen leichen-ſtein.
Allein
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[290/0314] Leanders aus Schleſien An Sylvien, wie er ohne ſie leben koͤnne? DU biſt, o Sylvia! mein leben, Und gleichwohl leb ich ohne dich; Soll ich nun dir, mein ander ich! Deßwegen red und antwort geben? So wiß’, es muß dein contrefait Jn meinem hertzen dich vertreten: Denn Seladon iſt auch erfreut, Nur deinen ſchatten anzubeten. Laͤſt nun der holden liebe gunſt Und ihres zarten pinſels kunſt Jn mir dein bildniß nicht verderben; O Sylvia! wie kan ich ſterben? An eben dieſelbe wegen ſeiner finſtern wohnung. ES iſt dir leid, daß nicht mehr licht Durch meine ſtuben-fenſter bricht; Doch kehre du nur bey mir ein! So wird es voller ſonne ſeyn. Auf die ſich mit blumen naͤhrende Florette. Aus dem Pays. Sonnet. FLorette! dein geſchmack iſt ziemlich ungemein: Du wilſt, man ſolle dir ſonſt nichts als blumen geben, Man ſieht die lilien offt an den perlen kleben, Wo deine zaͤhne nicht noch mehr als perlen ſeyn. Der roſen-lichte mund nimmt lauter roſen ein: Der ſchoͤnſten nelcke tod iſt deiner zunge leben: Die veilge kan ſich kaum aus ihrer wurtzel heben, So legt dein hunger ihr ſchon einen leichen-ſtein. Allein

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Zitationshilfe: Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709, S. 290. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte06_1709/314>, abgerufen am 30.04.2024.