Hofmann von Hofmannswaldau, Christian: Deutsche Ubersetzungen und Gedichte. Breslau, 1679.Socrates. ner zum Reden anzuhalten; Wir befürchteten a-ber unhöflich/ ja unweißlich zu handeln/ in mehrer Erwegung der obhanden schwebenden Mühselig- keit/ darinnen du dich befindest. Socrates lächel- te darüber/ und sagte: Jch werde warlich Noth haben fremde Leute zu überreden/ daß dieser Zufall mir nicht zu Hertzen steige/ dieweil ihr selbst solches nicht glauben könnet/ und meinet/ daß ich heute viel schwermühtiger als zur anderer Zeit seyn müste. Habt ihr denn etwas können spüren/ Etliche sind dieser Gedancken/ daß der SchwanDaß mich das kalte Grab erschreckt/ Solt ich ein schlechter Feuer führen/ Als was den weissen Schwan erweckt? Wann ihm der Todt am nechsten sitzet/ Und er nicht ferner leben kan/ So wird sein edler Geist erhitzet/ Und stimmt ein Freuden-Liedlein an. bey nunmehr anrückendem Tode aus Betrübniß zu singen beginne/ ich halte es aber nicht für glaub- lich/ in dem kein Vogel zu finden/ der bey dem ge- ringsten Ungemach singen könte/ ja die Nachtigal und Schwalbe machet Hunger und Frost alsobald stumm. Jch bin aber der Gedancken/ daß die Schwäne vor Freuden singen/ und weil sie von dem Gott Apollo/ dem solche Vogel geheiliget sind/ gleichsam gerühret werden/ aus Begierde brennen/ zeitlich zu ihrem Herrn zu kommen/ und also des- sentwegen ein Lust-Lied anstimmen. Jch E 2
Socrates. ner zum Reden anzuhalten; Wir befuͤrchteten a-ber unhoͤflich/ ja unweißlich zu handeln/ in mehrer Erwegung der obhanden ſchwebenden Muͤhſelig- keit/ darinnen du dich befindeſt. Socrates laͤchel- te daruͤber/ und ſagte: Jch werde warlich Noth haben fremde Leute zu uͤberreden/ daß dieſer Zufall mir nicht zu Hertzen ſteige/ dieweil ihr ſelbſt ſolches nicht glauben koͤnnet/ und meinet/ daß ich heute viel ſchwermuͤhtiger als zur anderer Zeit ſeyn muͤſte. Habt ihr denn etwas koͤnnen ſpuͤren/ Etliche ſind dieſer Gedancken/ daß der SchwanDaß mich das kalte Grab erſchreckt/ Solt ich ein ſchlechter Feuer fuͤhren/ Als was den weiſſen Schwan erweckt? Wann ihm der Todt am nechſten ſitzet/ Und er nicht ferner leben kan/ So wird ſein edler Geiſt erhitzet/ Und ſtimmt ein Freuden-Liedlein an. bey nunmehr anruͤckendem Tode aus Betruͤbniß zu ſingen beginne/ ich halte es aber nicht fuͤr glaub- lich/ in dem kein Vogel zu finden/ der bey dem ge- ringſten Ungemach ſingen koͤnte/ ja die Nachtigal und Schwalbe machet Hunger und Froſt alſobald ſtumm. Jch bin aber der Gedancken/ daß die Schwaͤne vor Freuden ſingen/ und weil ſie von dem Gott Apollo/ dem ſolche Vogel geheiliget ſind/ gleichſam geruͤhret werden/ aus Begierde brennen/ zeitlich zu ihrem Herrn zu kommen/ und alſo deſ- ſentwegen ein Luſt-Lied anſtimmen. Jch E 2
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Socrates.
ner zum Reden anzuhalten; Wir befuͤrchteten a-
ber unhoͤflich/ ja unweißlich zu handeln/ in mehrer
Erwegung der obhanden ſchwebenden Muͤhſelig-
keit/ darinnen du dich befindeſt. Socrates laͤchel-
te daruͤber/ und ſagte: Jch werde warlich Noth
haben fremde Leute zu uͤberreden/ daß dieſer Zufall
mir nicht zu Hertzen ſteige/ dieweil ihr ſelbſt ſolches
nicht glauben koͤnnet/ und meinet/ daß ich heute viel
ſchwermuͤhtiger als zur anderer Zeit ſeyn muͤſte.
Habt ihr denn etwas koͤnnen ſpuͤren/
Daß mich das kalte Grab erſchreckt/
Solt ich ein ſchlechter Feuer fuͤhren/
Als was den weiſſen Schwan erweckt?
Wann ihm der Todt am nechſten ſitzet/
Und er nicht ferner leben kan/
So wird ſein edler Geiſt erhitzet/
Und ſtimmt ein Freuden-Liedlein an.
Etliche ſind dieſer Gedancken/ daß der Schwan
bey nunmehr anruͤckendem Tode aus Betruͤbniß
zu ſingen beginne/ ich halte es aber nicht fuͤr glaub-
lich/ in dem kein Vogel zu finden/ der bey dem ge-
ringſten Ungemach ſingen koͤnte/ ja die Nachtigal
und Schwalbe machet Hunger und Froſt alſobald
ſtumm. Jch bin aber der Gedancken/ daß die
Schwaͤne vor Freuden ſingen/ und weil ſie von dem
Gott Apollo/ dem ſolche Vogel geheiliget ſind/
gleichſam geruͤhret werden/ aus Begierde brennen/
zeitlich zu ihrem Herrn zu kommen/ und alſo deſ-
ſentwegen ein Luſt-Lied anſtimmen.
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